Hamburg. SIDS, so die Abkürzung, ist noch immer die häufigste Todesursache bei Säuglingen. Was Eltern wissen sollten und wie sie vorbeugen können.
Es ist der Albtraum aller jungen Eltern: Sie schauen nach ihrem scheinbar völlig gesunden Baby – und finden es leblos in seinem Bettchen auf. Der plötzliche Kindstod, kurz SIDS (Sudden Infant Death Syndrome), ist in Deutschland die häufigste Todesursache für Kinder im Säuglingsalter.
Doch die gute Nachricht ist: SIDS ist deutlich seltener geworden – dank einer großen Aufklärungskampagne. „Als ich zu Beginn der 1990er-Jahre junge Assistenzärztin wurde, hatten wir pro Jahr noch fast 1300 Fälle in Deutschland. Zuletzt hat sich das auf 82 Fälle reduziert“, sagt die Hamburger Kinderärztin Claudia Haupt im Podcast „Die KinderDocs“: „Das ist eine fantastische Erfolgsgeschichte. Trotzdem ist jedes Baby, das den plötzlichen Säuglingstod erleidet, eines zu viel.“
Denn auch wenn das Thema für viele angstbesetzt sei: Je mehr Eltern darüber wüssten, umso weniger bräuchten sie sich deshalb zu sorgen. Haupt: „Wir können 90 Prozent der Fälle vermeiden, wenn wir bestimmte Vorgaben und Einflussfaktoren berücksichtigen.“
Plötzlicher Kindstod (SIDS): Das sind die Risikofaktoren
Von SIDS betroffen seien meistens Kinder zwischen dem zweiten und dem fünften Lebensmonat. „Nach dem zehnten Monat kommt es nur noch in Einzelfällen vor“, erklärt Haupts Kollegin Charlotte Schulz. Jungen seien etwas häufiger betroffen als Mädchen. Meistens trete der plötzliche Kindstod nachts ein.
Was genau passiere, wisse die Medizin zwar nicht. Doch hätten statistische Auswertungen gezeigt, dass Kinder, die zu einem unreifen Atemantrieb neigten, besonders gefährdet seien. Hinzu kämen äußere Risikofaktoren:
- Schlafen in Bauchlage
- Geschwisterkinder, die an SIDS gestorben sind
- Schlafen im Elternbett: Kinder können unter die Bettdecke rutschen, überwärmen oder zu wenig Sauerstoff bekommen, weil sie mit der Nase zu nahe an ihren Eltern liegen
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Aber auch wenn das Elternbett nicht der richtige Schlafplatz für Babys ist, so sollten sie doch im ersten halben Jahr im Elternzimmer schlafen – in einem Beistellbett oder einer Wiege. Das habe gleich zwei Vorteile: So habe sich gezeigt, dass die rhythmischen Atemgeräusche der Eltern auch den Atemantrieb ihrer Kinder regulieren und stimulieren können. „Der zweite Vorteil ist, dass Eltern in den ersten Monaten einen ganz feinen Sensor haben für eigentümliches Rascheln oder ein komisches Atemgeräusch aus dem Babybett, während ein Babyfon im Nachbarzimmer nur anschlagen würde, wenn das Kind schreit“, sagt Haupt.
SIDS-Vorbeugung: Kinder sollten früh an Beistellbett oder Wiege gewöhnt werden
Vielen Müttern falle es allerdings schwer, ihr Baby nachts nicht direkt neben sich zu lassen, weil sie entweder beim Stillen selbst einschlafen oder das Gefühl haben, ihr Kind könne nur durch Körperkontakt zur Ruhe kommen. „Es gibt diese Kinder tatsächlich, ich nenne sie kleine Kängurus“, sagt Schulz, „aber wir müssen die Eltern auf die sicherste Schlafumgebung hinweisen.“ Sie sollten deshalb ihr Kind möglichst schon in den ersten beiden Lebensmonaten, also bevor die für SIDS kritischste Phase beginne, an Beistellbettchen oder Wiege gewöhnen.
Dort sollte das Baby auf einer festen Matratze liegen – auf dem Rücken. „Es ist von der Natur so eingerichtet, dass die Kinder in Rückenlage mit zur Seite geneigtem Kopf deutlich mehr Atemantrieb haben und deutlich bessere Husten- und Würgeschutzreflexe als in jeder anderen Position“, erklärt Haupt.
Eiskalte Hände? Sind kein Grund zur Sorge
Statt unter einer Decke sollten die Kinder zudem in einem Schlafsack liegen – nicht zu groß, damit sie nicht hineinrutschen, aber auch nicht zu klein, um genug Platz zum Strampeln zu haben. Wenn ein Kind dann in den Wintermonaten eiskalte Hände bekomme, sei das kein Grund zur Sorge. Schulz: „Wir können uns das vielleicht gar nicht vorstellen, aber solange sich die Kinder im Nacken warm anfassen und die Füße warm sind, haben sie es gut.“
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Die Raumtemperatur sollte bei etwa 18 Grad liegen. Von einer Mütze sei unbedingt abzuraten, weil die Kinder über den Kopf die Wärme regulierten. Auch das Stillen und der Schnuller hätten statistisch einen positiven Einfluss. Zudem sei nachgewiesen, dass ungeimpfte Kinder ein höheres Risiko für den plötzlichen Kindstod haben.
Wie Eltern reagieren sollten, wenn Kinder anfangen, sich auch im Schlaf auf den Bauch zu drehen, was auf keinen Fall in ein Kinderbett gehört und wann ein Heimmonitor zur Überwachung sinnvoll ist, auch das erklären die KinderDocs in dieser Folge.