Hamburg. CDU: Seit 2015 sind es 29.000 weniger. Es wird mehr abgeholzt als nachgepflanzt. In einem Bereich leidet der Baumbestand besonders.
- Auch auf Privatgrundstücken nimmt Zahl der Bäume ab
- An Straßen sank die Zahl der Bäume um mehr als 4200
- Umweltbehörde spricht von „schwerem Erbe“ in Sachen Baumbestand
Hamburg gilt zwar noch immer als eine der grünsten Metropolen, doch auch hier geht der Baumbestand langsam, aber kontinuierlich zurück. Das Bevölkerungswachstum fordert seinen grünen Tribut, denn immer mehr Flächen werden für den Verkehr oder den Wohnungsbau gebraucht, und so müssen immer wieder auch Bäume weichen – und es werden keinesfalls alle ersetzt. Das zeigt nun einmal mehr auch eine aktuelle Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Sandro Kappe. Danach sind im vergangenen Jahr 2304 Bäume in öffentlichen Grünanlagen gefällt, aber nur 832 nachgepflanzt worden.
Auch auf Privatgrundstücken nahm die Zahl der Bäume ab. In den fünf Bezirken, die diese Zahlen erheben und melden, wurden laut Senatsantwort im vergangenen Jahr 3626 Fällgenehmigungen erteilt, aber nur 1962 Nachpflanzungen angeordnet. Die Bezirke Wandsbek und Harburg erfassen die Fällungen auf Privatgrundstücken bis heute nicht statistisch, was schon länger auf Kritik von Opposition und Naturschützern stößt.
Bäume Hamburg: Hamburg verliert immer mehr Bäume – schon 29.000 seit 2015?
Wie sich die Zahl der Straßenbäume in Hamburg im Jahr 2023 entwickelt hat, will der Senat im Juli bekannt geben. Im Jahr 2022 war ihr Bestand um mehr als 500 Bäume geschrumpft, auf gut 227.000. Nach Erhebungen des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) sind in der Fällsaison 2023/2024 (1. Oktober 2023 bis 29. Februar 2024) 836 Bäume gefällt, aber nur 500 nachgepflanzt worden. In sechs Bezirken hat die Zahl der Straßenbäume danach abgenommen, nur der Bezirk Nord hat jeden gefällten Baum 1:1 ersetzt.
Weil ältere große Bäume einen höheren ökologischen Wert (Grünvolumen) haben als schmächtige Jungbäume haben sich die Bezirksversammlungen Wandsbek und Bergedorf zwar dafür ausgesprochen, für jeden gefällten Straßenbaum einen Ersatz von 1,5 Bäumen zu schaffen. Das scheitert allerdings offenbar bisweilen an Geld- und Platzmangel. In der vergangenen Fällsaison jedenfalls wurden abgeholzte Bäume in diesen Bezirken laut der Nabu-Auswertung nicht einmal im Verhältnis 1:1 ersetzt bzw. deren Ersatz angekündigt. Allerdings hat der Senat für den Bezirk Wandsbek in seiner aktuellen Antwort auf die CDU-Anfrage deutlich positivere Zahlen präsentiert. Demnach sollen dort im vergangenen Jahr in Wandsbek 900 Straßenbäume gepflanzt, aber nur 400 bis 450 gefällt worden sein.
Natur Hamburg: Laut CDU-Berechnung gingen mehr als 19.200 Bäume auf Privatgrundstücken verloren
Der CDU-Umweltpolitiker Sandro Kappe hat alle Senatsangaben der vergangenen Jahre zur Entwicklung des Baumbestandes detailliert aufgearbeitet und kommt in einer filigranen Excel-Tabelle zu dem Ergebnis, dass Hamburg seit 2015 bereits rund 29.000 Bäume verloren hat. Der Großteil davon, nämlich mehr als 19.200, ging demnach laut Kappes Berechnungen auf Privatgrundstücken verloren, wo viele der abgeholzten Bäume nicht nachgepflanzt wurden.
An den Straßen sank die Zahl der Bäume in diesem Zeitraum um mehr als 4200, und in öffentlichen Grünanlagen gingen mehr als 5500 Bäume verloren. Da nicht alle Bezirke alle Daten liefern, könnte der nominelle Schwund auch noch größer sein. Allerdings weist die Umweltbehörde immer wieder darauf hin, dass der Bestand in Parks oft aus pflegerischen Gründen ausgedünnt werden müsse. Dort stünden Bäume häufig in Gruppen, säten sich oft von selbst aus, und eine Fällung sei in vielen Fällen eine Pflegemaßnahme, etwa wenn junge Bäume zu dicht stünden, um überleben zu können.
Dass CDU-Mann Kappe eine Baumbilanz just seit dem Jahr 2015 zieht, hat einen simplen Grund: Seit diesem Jahr regieren die Grünen wieder in Hamburg mit und Jens Kerstan ist als ihr Umweltsenator auch für die Bäume zuständig. „Der Senator muss dringend Maßnahmen ergreifen, um Hamburgs Grünflächen zu schützen und den fortschreitenden Baumverlust zu stoppen“, fordert Kappe angesichts der jüngsten Zahlen. „Es ist nicht nur eine Frage der Ästhetik, sondern auch des Klimaschutzes und der Lebensqualität der Bürger. Hamburg darf nicht weiter Grün verlieren, sondern muss nachhaltig in den Erhalt und die Erweiterung seiner Grünflächen investieren.“
Nabu Hamburg: Ältere, große Bäume ökologisch wertvoller
Einen anderen Aspekt betont Hamburgs Nabu-Chef Malte Siegert. „Bäume werden, mit wenigen löblichen Ausnahmen in manchen Bezirken, allenfalls ersetzt“, so Siegert. „Betrachtet man jedoch die CO2-Bindungsfähigkeit, die Luftfilterfunktion oder den positiven Einfluss stattlicher Bäume auf das Stadtklima, müsste man gleich mehrere kleine für einen großen Baum nachpflanzen. Gewinn und Verlust messen sich also eher am Grünvolumen. Eine schlichte Baum-für-Baum-Rechnung kann weder ökologisch noch klimatisch ein positives Ergebnis bringen.“
In der zuständigen Umweltbehörde weist man derweil auf das „schwere Erbe“ hin, das man in Sachen Grünbestand 2015 angetreten habe. „Zwischen 2012 und 2015 lag das Pflanzdefizit jeweils im vierstelligen Bereich in einer Gesamtsumme bei rund 5000 Straßenbäumen – im Mittelwert ist das ein jährliches Pflanzdefizit von 1250 Straßenbäumen“, sagt Renate Pinzke, Sprecherin von Umweltsenator Kerstan. Seitdem sei das Defizit „abgemildert“ worden, etwa durch Gutachten, mit denen in Bezirken nach neuen Standorten für Nachpflanzungen gesucht wird, und durch zusätzliche Mittel für Pflanzungen.
Umweltsenator Kerstans Behörde verweist auf Personalmangel in Bezirken
Zudem betont die Umweltbehörde, dass nicht alle Fällgenehmigungen auf Privatgrund auch genutzt werden. Wenn am Ende nicht gefällt werde, müsse aber auch nicht nachgepflanzt werden. Die Gegenüberstellung von Fällgenehmigungen mit Nachpflanzungen seien daher nicht identisch mit dem tatsächlichen Verlust an Bäumen.
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„Zu den im Jahr 2022 nicht nachgepflanzten 546 Straßenbäumen ist zudem anzumerken, dass sich Schwierigkeiten bei der Nachbesetzung von Stellen in vielen Bezirksämtern, aber auch organisatorische Probleme bei den geplanten Pflanzungen negativ auf die Straßenbaumbilanz 2022 auswirkten und es nicht primär auf Haushaltsmittel zurückzuführen ist“, so die Kerstan-Sprecherin. „Zu erwähnen ist hier im Besonderen das ambitionierte Pflanzprogramm im Bezirk Wandsbek. Geplant waren weitere 313 Straßenbaumpflanzungen im Herbst/Winter 2022, die jedoch in das Frühjahr 2023 verschoben werden mussten.“
Bäume Hamburg: Senat verspricht Erhöhung der Mittel für Pflanzung und Erhalt
Insgesamt, so betont es der Senat auch in seiner Antwort auf die CDU-Anfrage, sei ihm „der Erhalt und die Entwicklung eines vitalen Baumbestandes gerade auch mit Blick auf das sich verändernde Stadtklima ein besonderes Anliegen“. Deswegen sei es beabsichtigt, zusätzliche Mittel für die Pflanzung und den Unterhalt von Bäumen bereitzustellen.