Hamburg. Seit 1. Juni ist Vollverschleierung an Hamburgs Schulen untersagt. Wie viele Schülerinnen dennoch Niqab tragen – und was ihnen droht.
- Am 1. Juni hat die Bürgerschaft das Verbot der Vollverschleierung im Unterricht beschlossen
- Trotzdem weigern sich Schülerinnen, den Niqab abzulegen
- Die Stadt Hamburg droht bereits Sanktionen an
Schülerinnen, die einen Niqab tragen, bleiben zwei schmale Sehschlitze zum Gucken, der Rest des Gesichts ist verhüllt von Stoff. Freude, Trauer, Wut, überhaupt jegliche Mimik – für andere ist sie schlicht nicht erkennbar. Allerdings: Durch einen neuen Passus im Schulgesetz ist es Hamburger Schülerinnen seit Anfang Juni verboten, sich voll zu verschleiern. Der Senat hat auf eine Kleine Anfrage der Linken-Bürgerschaftsabgeordneten Sabine Boeddinghaus und Insa Tietjen jetzt preisgegeben, wie viele Schülerinnen das Gesetz betrifft – und wie viele sich (noch) nicht daran halten.
Ende Mai seien der Schulbehörde elf Schülerinnen bekannt gewesen, die Niqab tragen, heißt es nun in der Antwort des Senats. Sieben Schülerinnen hätten ihre Vollverschleierung auch nach Inkrafttreten des Gesetzes nicht abgelegt, sondern besuchten weiterhin im Niqab die Schule. Sechs der Sieben seien schulpflichtig und minderjährig. Fünf von ihnen besuchten Stadtteilschulen und zwei gingen auf eine berufliche Schule.
Schule Hamburg: Vollverschleierung verboten – Schülerinnen tragen trotzdem Niqab
Wie der Senat weiter mitteilt, seien mit allen Schülerinnen Gespräche geführt worden. „Gelingt es trotz Gesprächen und Beratungen nicht, die Schülerin und ihre Sorgeberechtigten davon zu überzeugen, bei schulischen Veranstaltungen auf das Bedecken des Gesichts zu verzichten, und kommt es dadurch zu Zuwiderhandlungen gegen das Verbot, können Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen nach § 49 HmbSG (Hamburger Schulgesetz, d. Red.) ergriffen werden oder ein Bußgeld nach § 113 HmbSG erlassen werden“, heißt es weiter.
Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen reichen beispielsweise von Ermahnungen über die verpflichtende Teilnahme an innerschulischen sozialen Trainingsmaßnahmen bis hin zum zeitlich befristeten Unterrichtsausschluss oder gar der Entlassung von der Schule. Als Ansprechpartner für unbeirrbare Niqab-Trägerinnen stünden etwa das Beratungszentrum für berufliche Schulen und das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) zur Verfügung. Bei religiös begründeten Konflikten könne zudem die Legato Fachstelle einbezogen werden, so der Senat.
Schule Hamburg: Schülerin setzte vor vier Jahren Tragen des Niqabs durch
Das Abendblatt hatte im Februar 2020 exklusiv über den Fall einer damals 16 Jahre alten Hamburger Schülerin berichtet, die in einem Rechtsstreit mit der Stadt Hamburg vor dem Verwaltungsgericht durchsetzte, dass sie auch weiterhin den Niqab in einer Hammerbrooker Berufsschule tragen darf. Begründung des Gerichts: Für ein Niqab-Verbot gebe es keine Rechtsgrundlage, da Hamburgs Schulgesetz keine Vorschrift für ein auch nur indirektes Verbot der Vollverschleierung kenne.
Ties Rabe (SPD), damals noch Schulsenator, kündigte daraufhin an, das Schulgesetz rasch so anzupassen, dass eine Vollverschleierung in der Schule künftig nicht mehr möglich ist. Es sollten aber noch mehr als vier Jahre ins Land gehen, bevor die Hamburgische Bürgerschaft Mitte Mai einen entsprechenden Antrag beschlossen hat. Am 1. Juni trat das Gesetz zur „Gewährleistung der offenen Kommunikation an Hamburger Schulen“ in Kraft.
Hamburg will offene Kommunikation in der Schule sicherstellen
Hintergrund für das nun geänderte Schulgesetz ist die Einschätzung, dass gelingende pädagogische Prozesse im Unterricht „ohne einen offenen Austausch und eine offene Kommunikation zwischen Schülerinnen und Schülern und ihren Lehrkräften sowie untereinander“ nicht vorstellbar seien, heißt es in der Senatsantwort. „Zu einer solchen offenen Kommunikation und Interaktion gehört die Möglichkeit, die Mimik und Gestik des Gegenübers wahrnehmen und entsprechend reagieren zu können.“
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Zwar solle das Verbot zur Gesichtsverhüllung zeitnah umgesetzt werden, so der Senat in seiner Antwort auf die Kleine Anfrage. Rabiat erzwungen werden soll es aber nicht. Es sei „zugleich stets pädagogisch verantwortlich vorzugehen und in einem Dialog mit den Betroffenen einen Weg zu finden, mit unverhülltem Gesicht am Unterricht teilnehmen zu können“.