Hamburg. In der Müllverwertungsanlage Borsigstraße entsteht aus Abfällen Fernwärme. Energiesenator Jens Kerstan spricht von einem Leuchtturmprojekt.
Nach jahrelanger Planung und Konzeption ist das Wärmeprojekt in der Müllverwertungsanlage Borsigstraße am Montag vollständig in Betrieb genommen worden. „Mit der Inbetriebnahme der Anlage bringen wir nicht nur den Kohleausstieg im Heizkraftwerk Tiefstack voran, sondern machen einen großen Schritt auf unserem Weg zum endgültigen Kohleausstieg“, erklärt Hamburgs Umwelt- und Energiesenator Jens Kerstan (Bündnis 90/Die Grünen).
Auf dem Gelände in Billbrook wird bereits vorhandener Dampf aus der Müllverarbeitung in das Hamburger Fernwärmenetz eingespeist. Zusätzlicher Brennstoff, wie Kohle oder ergänzender Müll, ist nicht erforderlich. „Die vorhandene Abwärme wird hier umgenutzt, um Haushalte, Industrie und Gewerbe mit Wärme zu versorgen – ohne zusätzliche Brennstoffe“, sagt Kerstan. Rund 35.000 Haushalte sollen durch die Abfallwärme zusätzlich mit der umweltfreundlichen Fernwärme versorgt werden. Jährlich können durch den Betrieb über 100.000 Tonnen Kohlenstoffdioxid eingespart werden, erklärt Kerstan.
Energie Hamburg: Wie in Billbrook aus Müll Fernwärme gewonnen wird
Der Umwelt- und Energiesenator sieht in dem Projekt nicht nur eine Chance, mehr klimafreundliche Energie für Hamburg zu produzieren. „Es macht uns, wie alle solche Projekte, weiter unabhängig von Energieimporten“, erklärt er. Man sei unabhängiger von externem potenziellen Druck und anderer Einflussnahme auf die deutsche Demokratie durch Energielieferanten. Das Projekt sei außerdem ein wichtiger Schritt zum Erreichen der Hamburger Klimaziele. Knapp 20 Jahre lang soll die dampfbetriebene Pumpe nun genutzt werden.
Finanziell unterstützt wurde das Projekt unter anderem durch Fördermittel des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). „Das ist, auch aus Sicht der Bundesregierung, ein großes, wichtiges Leuchtturmprojekt, das hier in Hamburg gefördert wird“, meint Kerstan. Erste Überlegungen zu dem Projekt gab es bereits 2017. Drei Jahre später konnte mit der Umsetzung begonnen werden. „In dem Projekt zeigt sich wirklich anschaulich, was es bedeutet, wenn die Unternehmen zusammenarbeiten zum Wohle aller“, findet der Geschäftsführer der Hamburger Energiewerke, Michael Prinz. Die Wärmewende sei ein großes Projekt, das nur gemeinsam gestaltet werden kann.
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Leuchtturmprojekt und Paradebeispiel für ganz Deutschland?
„Dem Hamburger Fernwärmenetz stellen wir so pro Jahr 350.000 zusätzliche Megawattstunden zur Verfügung“, erklärte der Geschäftsführer der Stadtreinigung, Rüdiger Siechau. In der Bundesrepublik sei das Hamburger Wärmeprojekt einzigartig. Der Rest von Deutschland sei technisch nicht daran gehindert, ähnliche Projekte umzusetzen, erklärt Siechau. Einen möglichen Grund, wieso dies jedoch noch nicht geschehen ist, sieht er in den Kosten eines solchen Projektes. Die beteiligten Firmen haben rund 50 Millionen Euro in das Projekt gesteckt. Zusätzlich gab es mehr als 14 Millionen Euro Fördermittel vom Bund und dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). „Viele haben im Zweifel schon Respekt vor so einer hohen Investition“, glaubt Siechau.
Der Geschäftsführer der Hamburger Energiewerke Prinz freut sich, an dem Projekt beteiligt zu sein. „Das ist eine irre Wärmemenge, die wir hier mit diesem Prozess herausholen“, erklärt er. Durch das Projekt würde genug Wärmeenergie entstehen, um alle dreieinhalb Stunden ein Olympiaschwimmbecken zum Kochen zu bringen. „Das ist ein wirklich schöner Beitrag, hier weiter die klimaneutrale Wärme in unserem Stadtnetz zu erhöhen.“
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