Hamburg. Gewerkschaft GEW ruft zu Protest auf. Bessere Bezahlung gefordert. Lehrkräfte bekommen unterm Strich nur 10–15 Euro die Stunde.
Mehr als 100.000 Kursteilnehmende, 8700 Veranstaltungen und eine wachsende Zahl von Angeboten für Flüchtlinge und Migranten – die Hamburger Schulbehörde schmückt sich gern mit der positiven Entwicklung der Volkshochschule (VHS), wie zuletzt in der Jahresbilanz 2023 vor wenigen Wochen. Weniger erfreulich ist aus Sicht der Beschäftigten deren finanzielle Lage. „Schluss mit prekär! 2024 endlich gerechte und faire Arbeitsbedingungen für die Erwachsenenbildung in Hamburg“, lautet das Motto der Demonstration, zu der am Montag mehrere Hundert Kursleiter und Honorarkräfte erwartet werden.
Sven Quiring, Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Hamburg, verweist auf den rot-grünen Koalitionsvertrag von 2020. „In allen von der Stadt beeinflussbaren Bereichen müssen die Prinzipien ,guter Arbeit‘ gewährleistet werden“, heißt es in der Vereinbarung zwischen SPD und Grünen.
Volkshochschul-Dozenten demonstrieren für mehr Geld in Hamburg
„In der Branche der Erwachsenenbildung ist das ganz und gar nicht der Fall. Hier arbeiten die Lehrkräfte weitgehend prekär, das heißt, zu schlechten Honoraren und Löhnen, von denen man kaum leben, geschweige denn, eine Familie ernähren kann“, sagt Quiring. Viele der mehr als 1600 Kursleitenden arbeiteten ohne soziale Absicherung wie Kranken- oder Rentenversicherung und ohne Tarifverträge.
Derzeit erhalten auf Honorarbasis beschäftigte VHS-Dozenten für von der Stadt finanzierten Kurse 35 Euro pro Unterrichtsstunde (45 Minuten). Nach GEW-Berechnungen bleiben nach Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen und der Einrechnung von Vor- und Nachbereitungszeiten zwischen zehn und 15 Euro netto übrig. Für Integrationskurse, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) finanziert, werden 42,23 Euro pro Unterrichtsstunde bezahlt.
GEW appelliert an den Senat: Stundensatz auf 42,23 Euro anheben
Die GEW fordert den Senat auf, für alle Kursleitenden den Stundensatz auf das BAMF-Niveau von 42,23 Euro anzuheben. Die bundesweite Forderung der GEW lautet allerdings, den Stundensatz für Dozenten in der staatlich finanzierten Weiterbildung deutlich auf 71,70 Euro anzuheben.
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Besonders betroffen sind die sogenannten „arbeitnehmerähnlichen“ Kursleitungen, die als Freiberufler mehr als die Hälfte ihres Einkommens aus der VHS-Tätigkeit bestreiten. „Ich musste mich vor wenigen Tagen gegen das dringende Anraten der Ärzte aus dem Krankenhaus entlassen, weil ich mir als alleinerziehende Mutter mangels Rücklagen nicht erlauben konnte, auf die Einkünfte zu verzichten“, zitiert die GEW eine Kursleiterin. „Es ist skandalös, dass die VHS als städtischer Betrieb die Gesundheit der arbeitnehmerähnlichen Kursleitungen aufs Spiel setzt, indem sie ihnen die Honorarfortzahlung im Krankheitsfall verwehrt“, sagt der GEW-Landesvorsitzende Quiring.
Andere Großstädte wie Berlin, Bremen oder Kiel sind für die GEW Vorbilder
Die GEW fordert den rot-grünen Senat auf, dem Beispiel anderer Großstädte wie Berlin, Bremen, Frankfurt a. M. oder Kiel zu folgen. Die öffentliche Verwaltung beteiligt sich dort zur Hälfte an den Sozialversicherungskosten der freiberuflichen, arbeitnehmerähnlichen VHS-Kursleitungen.
Am Montagnachmittag um 15.30 Uhr soll die Demonstration der VHS-Beschäftigten vom Sitz der Grünen-Bürgerschaftsfraktion an der Burchardstraße (Altstadt) zum Rathaus führen, wo die Sozialdemokraten ihre Räume haben. Bereits vor einem Jahr hatten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Volkshochschule vor deren Zentrale an der Schanzenstraße (Schanzenviertel) für eine bessere Bezahlung und faire Arbeitsbedingungen demonstriert. „In Hamburg gelten die Prinzipien schlechter Arbeit. Die Lehrkräfte und die GEW als ihre Gewerkschaft sind nicht bereit, das länger hinzunehmen“, sagt Quiring.