Hamburg. Innensenator Andy Grote beurteilt Erfolgschancen zurückhaltend. Am Freitag Demonstration „Hamburg wacht auf“ auf dem Rathausmarkt.
Das hat es in der Bürgerschaft noch nicht gegeben: In einer rund zweistündigen Debatte grenzten sich SPD, Grüne,Linke, CDU und FDP mit deutlichen und zum Teil sehr emotionalen, aber auch nachdenklichen Worten von der AfD ab. In der Frage, ob ein Verbot der rechtspopulistischen Partei jetzt der richtige Schritt ist, waren sich die Fraktionen nicht einig. Die AfD sprach von einer gegen sie gerichteten „Schmutzkampagne“.
„Es ist unsere humanitäre Pflicht, sich vor diejenigen zu stellen, die von den Deportationsfantasien der AfD betroffen sind“, sagte die Linken-Fraktionschefin Cansu Özdemir und griff damit den Bericht über ein Treffen Rechtsextremer, darunter auch AfD-Mitglieder, in einer Villa bei Potsdam auf, bei dem es um Pläne zur sogenannten Remigration von Millionen Menschen mit Migrationshintergrund gegangen sein soll, Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit eingeschlossen. „Die AfD ist eine völkisch-nationalistische Partei, die wir mit allen demokratischen Mitteln bekämpfen müssen“, sagte Özdemir.
Für SPD-Fraktionschef Kienscherf ist die AfD „eine Schande für unser Land“
„Auch die Hamburger AfD ist nicht lammfromm und kein Wolf im Schafspelz, sondern eine offen rassistische Partei“, sagte die Linken-Fraktionschefin und zitierte die AfD-Abgeordnete Olga Petersen, die in den sozialen Netzwerken „millionenfache Abschiebungen“ gefordert hatte. „Wir fordern die Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD“, so die Linke-Politikerin.
„Wir müssen heute – mehr als 75 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus – feststellen, dass Menschen wieder von Zwangsdeportationen reden. Das ist eine Schande für unser Land“, sagte SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf. „Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen mit oder ohne deutsche Staatsbürgerschaft Angst um ihre Sicherheit haben“, sagte Kienscherf. Die AfD arbeite mit Kampfbegriffen der Nationalsozialisten und wolle Rechtsstaat und Demokratie abschaffen. „Wir müssen die Feinde der Demokratie mit allen rechtsstaatlichen Mitteln bekämpfen. Dazu zählt auch die Vorbereitung eines Verbotsverfahrens“, sagte der SPD-Politiker.
CDU-Fraktionschef rief die Ampel-Regierung dazu auf, bessere Politik zu machen
Auch die Grünen-Fraktionschefin Jennifer Jasberg sprach sich für rechtliche Schritte gegen die AfD aus. „Die AfD stellt sich gegen Artikel eins des Grundgesetzes und damit gegen die Menschenwürde für alle. Es braucht den gemeinsamen Kampf gegen einen Feind, der die Gesellschaft spalten und ins Unglück stürzen möchte“, sagte Jasberg. „Es ist an der Zeit, nicht nur entsetzt auf das brennende Haus zu schauen, sondern mit dem Löschen zu beginnen. Dazu gehört, ein Verbotsverfahren gegen die AfD zu prüfen.“
CDU-Fraktionschef Dennis Thering fasste die bekannt gewordenen Pläne der Rechtsextremisten beim Treffen nahe Potsdam in die Worte: „Es ekelt mich an. Das ist einfach nur widerlich!“ Allerdings ist der Christdemokrat skeptisch gegenüber einem Verbotsverfahren. „Glauben Sie wirklich, dass der Ruf nach einem Verbot uns weiterhilft? Ich habe große Zweifel daran“, sagte Thering in Richtung von Linken, SPD und Grünen. Therings Vorschlag an die Parteien der Berliner Ampel-Regierung: „Bessern Sie Ihre Politik! Lassen Sie uns die Probleme inhaltlich lösen, dann werden sich die Menschen von der AfD abwenden.“
AfD-Fraktionschef Nockemann wies alle gegen seine Partei gerichteten Vorwürfe zurück
Die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein sprach sich gegen ein Verbotsverfahren aus. „Wenn es scheitert, wäre es ein PR-Erfolg für die AfD und dazu eine Wahlhilfe gratis“, sagte Treuenfels-Frowein, die betonte, dass es „jetzt wichtig ist, Flagge gegen die AfD zu zeigen“.
AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann wies alle Vorwürfe zurück. „Das war ein grandioses Feuerwerk, das verpufft und ohne Folgen bleiben wird. Es mögen Tausende gegen die AfD auf die Straße gehen. Das ist ihr Recht. Aber Millionen Menschen an den Wahlurnen werden gegen die links-grüne Verarmung abstimmen“, rief der AfD-Politiker sichtlich erregt ins Plenum. Über ein Verbot der AfD werde nur aus Angst vor deren Erfolgen diskutiert. Das Recherche-Netzwerk Correctiv habe das „rein private Treffen“ bei Potsdam „mit nachrichtendienstlichen Mitteln ausspioniert“. Ein Parteiverbotsverfahren einzuleiten sei „nicht demokratisch“.
Innensenator Grote (SPD): „Verbot löst Kern des Problems nicht“
Einen nachdenklichen und abwägenden Ton brachte Innensenator Andy Grote (SPD) in die Debatte. „Wir stehen im Kampf um die Demokratie. Es geht gegen eine erstarkte rechtspopulistische und rechtsextreme Kraft, die sich gegen unsere Demokratie richtet“, sagte Grote.
Er könne jeden verstehen, „der sagt, ob es nicht Zeit ist für ein Verbot“. Andererseits hätten staatliche Institutionen eine große Verantwortung. „Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass ein solches Verbot ein parteipolitisches Kampfmittel ist“, sagte der Senator. „Selbstverständlich besteht die Gefahr, dass Menschen, die wir gewinnen wollen, ein solches Verbot als undemokratisch ansehen.“
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Auch was die Erfolgschancen eines solchen Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht angehe, sei er zurückhaltend. „Und es löst den Kern des Problems nicht. Wir können den politischen Konflikt nicht mit juristischen Mitteln lösen“, sagte Grote, der einen Seitenhieb in Richtung CDU austeilte. „Herr Thering ist wieder gleich mit Kritik an der Ampel-Politik gekommen. Das lässt bei mir Zweifel aufkommen, ob Ihnen der Ernst der Situation bewusst ist“, sagte der Sozialdemokrat.
Bürgermeister Tschentscher (SPD) wies auf die rechtlich hohen Hürden eines Verbots hin
Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) beteiligte sich nicht an der Debatte in der Aktuellen Stunde, hatte aber schon vorher seine Position deutlich gemacht. „Ein Verbotsverfahren darf kein Bumerang werden. Die rechtlichen Hürden sind hoch, das wissen wir aus den NPD-Verbotsverfahren“, sagte der Bürgermeister. „Ein Verbotsverfahren gegen die AfD sollte erst begonnen werden, wenn es ausreichend Hinweise und Informationen gibt, um ein Verbot auch gerichtlich durchzusetzen.“
Die Berichte über Planungen einer sogenannten Remigration seien erschreckend und hätten gezeigt, „wie schnell populistische Haltungen in rechtsextreme Aktivitäten umschlagen können“. Die Verfassungsschutzämter müssten weiterhin aufmerksam sein, um verfassungsfeindliche Aktivitäten rechter Netzwerke aufzudecken.
Für den kommenden Freitag hat ein breites Bündnis zu einer Demonstration gegen Rechtsextremismus aufgerufen. Um 15.30 Uhr wollen Gewerkschaften, Wirtschaftsverbände, Religionsgemeinschaften, Künstler – darunter die Ehrenbürger Udo Lindenberg und John Neumeier – und Parteien die Kundgebung unter dem Motto „Hamburg steht auf“ auf dem Rathausmarkt starten.
„Hamburg ist eine vielfältige und internationale Stadt. Unsere Wirtschaft, unsere Kulturszene und unsere Wissenschaft sind weltweit vernetzt. In unserer Stadt leben und arbeiten Menschen verschiedener Herkunft friedlich zusammen. Wir wollen, dass das so bleibt“, heißt es in dem Aufruf. Die AfD sei nach den Enthüllungen über das Treffen bei Potsdam „endgültig von einer rechtspopulistischen zu einer rechtsextremistischen Partei“ geworden.