Hamburg. „Olli“ ist der erste von mittlerweile 115 Spezialtalenten. Eine außergewöhnliche Fähigkeit unterscheidet ihn von seinen Kollegen.
Es war im Jahr 2016, als ihm bewusst wurde, dass er eine besondere Gabe hat. Damals wechselte „Olli“ zur zivilen Fahndungsgruppe der Bundespolizei in Hamburg. Er wurde der erste von mittlerweile 115 Super-Recognizern, die die Bundespolizei deutschlandweit hat.
Das sind Beamte, die so etwas wie ein fotografisches Personengedächtnis haben, und Menschen besonders sicher wiedererkennen können. Die Bundespolizei misst dieser Fähigkeit große Bedeutung zu. Mittlerweile läuft der zweite Aufruf innerhalb der Behörde, um weitere Super-Recognizer unter den Bundespolizisten zu finden.
Hamburger Polizist wird erster Super-Recognizer der Bundespolizei – dank einer Gabe
„Ich bin damals als Neuling in das Büro der zivilen Fahndungsgruppe gekommen. Da gab es eine Wand voller Bilder von 40 bis 50 Tätern“, erzählt „Olli“ von seinem Weg zum Super-Recognizern. Die Bilder hat er sich eingeprägt. Dass er irgendwie besonders ist, merkte er schnell. „Ich habe Gesuchte im Vorbeilaufen erkannt und konnte auch sagen, wo das Bild genau an der Wand hing“, sagt der 47-Jährige. Und: Er lag eigentlich immer richtig.
„Ich habe mich dann mit dem Thema beschäftigt und bin auf einen Test der Uni Kiel gestoßen. Den habe ich am Laptop bei einem Becher mit Kaffee gemacht.“ Sein Ergebnis lag bei 95 Prozent. „Ich bin dann nach Kiel eingeladen worden“, sagt „Olli“. Das sei dort eine anstrengende Testsituation gewesen.
Bundespolizei: Super-Recognizer erkennt Gesuchte im Vorbeigehen
„Die haben mit Zahlen richtig mein Gehirn gebruzzelt“, erinnert sich der Bundespolizist. Das war Anfang 2018. „Ich habe davon meinen Chefs erzählt“, sagt „Olli“. Die witterten die Chance und luden Lara Petersen von der Uni ein, um mehr über das Thema zu erfahren.
Und so kam die Veranstaltung, die den Durchbruch brachte. Es war so etwas wie eine hausinterne Messe der Bundespolizei bei der Direktion Hannover, bei der „Olli“ einen Stand hatte. Darauf wurde auch Dieter Romann, Präsident der Bundespolizei, aufmerksam. „Wir hatten ein 15-minütiges Gespräch, und ich hatte zwei Tage später Post aus dem Präsidium der Bundespolizei Potsdam. Danach habe ich dort das Thema in einer größeren Runde vorgestellt“, sagt „Olli“.
Auch Scotland Yard arbeitet mit Super-Recognizern
Was besonders beeindruckte. „Olli“ erkannte einen teilnehmenden Polizeioberrat wieder, über den er etwas gelesen hatte. „Ich konnte ihm die Anordnung der Bilder in dem Artikel sagen und auf welchen seine Frau und Tochter waren“, so „Olli“. Der Oberrat und der Rest der Runde waren platt. Der Artikel war drei Jahre alt.
Die Bundespolizei nahm Kontakt zur Uni Greenwich in England auf, die sich bereits länger mit dem Thema Super-Recognizer beschäftigt und auch für Scotland Yard arbeitet. Dann kam Corona, was die Sache etwas verzögerte. Es folgte ein Pilotprojekt in der Bundespolizeidirektion Pirna und ein Testverfahren für mögliche Super-Recognizer in Potsdam, an dem „Olli“ teilnahm, um sich gewissermaßen zertifizieren zu lassen. Jetzt ist er einer von zwei Super-Recognizern, die im Bereich Hamburg eingesetzt sind.
Hauptsächlich ist er am Hauptbahnhof unterwegs. Und das mit Erfolg. „Ich habe in diesem Jahr so etwa 250 Gesuchte wiedererkannt“, berichtet „Olli“. Sein Erfolg will er als Teamarbeit verstanden wissen. „Ich bin darauf angewiesen, dass mir entsprechendes Bildmaterial zur Verfügung gestellt wird“, sagt er. Meist sind es Prints oder Sequenzen aus Überwachungskameras. Die kommen nicht nur aus den Dienststellen der Bundespolizei. Auch an den Bahnhof angrenzende Dienststellen der Hamburger Polizei greifen schon mal auf seine Fähigkeit zurück.
„Olli“ erkennt Gesuchte sogar, wenn sie ihr Aussehen verändern
Dabei müssen die Bilder nicht einmal gestochen scharf sein. So erkannte er einen Dieb wieder, der einer schlafenden Frau in der S-Bahn eine Tasche gestohlen hatte. Der war völlig verwundert, dass er deswegen festgenommen wurde. Die Bilder waren drei Jahre alt und sein Aussehen hatte sich, zumindest für den Normalbetrachter, ziemlich verändert. „Er hat dann die Tat eingeräumt“, sagt der Beamte.
Mittlerweile sind Super-Recognizer auch gefragt beim Fußball. Kommt es zu Krawallen, gibt es oft Aufnahmen. Der Einsatz nach dem Spiel München gegen Bremen ist „Olli“ im Gedächtnis. Die Bundespolizei hatte die Busse der Fans auf dem Rückweg angehalten, die Insassen überprüft und Fotos von ihnen gemacht.
Einsatz bei Fußball-Krawallen: 33 Täter in vier Stunden identifiziert
„Es wurde dann eine Mappe mit etwa 100 Bildern zusammengestellt. Die haben wir dann auf dem Boden ausgebreitet und mit Aufnahmen von den Vorfällen im Stadion verglichen“, so „Olli“. Acht Super-Recognizer hatten so in vier Stunden 33 Täter identifiziert. Beim Rückspiel waren sie dann wieder am Stadion vor Ort. „Wir haben da noch einmal eine Menge weiterer Personen erkannt“, sagt „Olli“. Auch Prävention in anderen Bereichen ist denkbar. So kann man beispielsweise bei sensiblen Veranstaltungen Super-Recognizer einsetzen, um mögliche Gefährder abzufangen.
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Die Bundespolizei hat das Potenzial erkannt. In Potsdam kümmert sich der Erste Polizeihauptkommissar Kay Klindt um das Thema. „Wir hatten einen ersten Test angeboten, an dem sich auf freiwilliger Basis rund 8000 Kollegen beteiligt hatten“, sagt Klindt. So hat man den Großteil der 115 heutigen Super-Recognizer der Bundespolizei gefunden. Seit dem 11. September läuft ein zweiter Test. Daran haben bislang 4097 Bundespolizisten teilgenommen. Ein dritter Test ist geplant. Teilnehmen kann jeder Bewerber nur einmal.
Der Super-Recognizer: Namen kann er sich nicht merken
Bislang laufen die Tests zusammen mit der Uni Greenwich, mit der man bis 2025 einen Vertrag hat. Auch danach wird es weitergehen. Klindt sieht die jungen, angehenden Bundespolizisten als Zielgruppe. Sie sollen bereits in der Ausbildung die Möglichkeit bekommen, sich auf diese Fähigkeit testen zu lassen. Denn oft wissen viele Menschen nicht, dass sie potenzielle Super-Recognizer sind. „Einige ahnen es, andere halten diese Fähigkeit für völlig normal“, sagt Klindt.
Wie läuft so ein Erkennen eines Gesuchten ab? „Das geht durch einen wie ein Blitz“, sagt „Olli“. „Es ist auch immer noch ein Herzklopfmoment, wenn man jemanden erkennt.“ Die Bilder der Gesuchten hat er auch danach im Kopf. „Ich vergesse sie auch nicht wieder.“ Selbst schemenhafte Bilder reichen für „Olli“, um jemanden zu identifizieren. Auch einen Täter mit Maske kann er erkennen. „An seinem Bewegungsablauf“, sagt Olli. „Auch den Sachverhalt zu den einzelnen Personen behalte ich.“
Was für ein Super-Gedächtnis! „Nicht wirklich“, sagt „Olli“. „Namen kann ich mir überhaupt nicht merken.“