Hamburg. Unsere Solidarität mit Israel ist ausbaufähig. Wo bleibt der „Aufstand der Anständigen“ – oder gibt es zu viele Antisemiten?
Deutschlands Politik hat in beeindruckender Weise auf die Terrorattacken der Hamas reagiert. In seltener Einigkeit haben sich Landesparlamente und die Bundespolitik hinter das überfallene jüdische Volk gestellt. Es waren die richtigen Signale nach den verstörenden und empörenden Bildern und Berichten aus Israel.
Doch während in den deutschen Parlamenten die Solidarität einträchtig gelebt wird, kommen aus dem Land leider andere Signale. Als es um die Kritik an Katar bei der Fußball-Weltmeisterschaft ging, hisste die halbe Nation Regenbogenflaggen; als Putin die Ukraine überfiel, färbte sich das Land blau-gelb. Ob Wirtschaftsbosse, Medienmacher und Privatmenschen – alle waren gern dabei.
Es gibt zu viele Antisemiten im Land
Und heute? Heute reagieren große Teile der Öffentlichkeit seltsam indifferent. Der „Aufstand der Anständigen“ mit Solidaritätskonzerten, Statements und Symbolen gehört sonst fast schon zum Ritual – wo bleibt er jetzt? Es gibt die israelischen Fahnen, aber sie wehen selten. Und wo sie gehisst werden, kommen schnell die Antisemiten, um sie abzureißen und zu zerstören.
Spätestens jetzt ist nicht mehr zu leugnen, dass sich in diesem Land viel zu viele Antisemiten aufhalten. Und man muss auch Ross und Reiter benennen. Zu den alten Nazis, die ihr menschenverachtendes Weltbild ins 21. Jahrhundert übertragen haben und wie in Halle Juden sogar ermorden wollen, kommt der importierte Antisemitismus. Die Ethnologin Susanne Schröter bringt es auf den Punkt: „Wir haben ein riesiges Problem. Wir haben Hunderttausende Menschen mit antisemitischem Weltbild nach Deutschland reingelassen, die in ihren Herkunftsländern mit dieser menschenverachtenden Ideologie aufgewachsen sind.“
Viele wollen den zugewanderten Antisemitismus nicht sehen
In manchen muslimischen Milieus gehört der Hass auf Israel zum Alltag. Es wollte nur keiner hören, und deshalb wurden nie die Hintergründe der antisemitischen Angriffe erfasst. Ganz im Gegenteil: Wer die Probleme offen ansprach wie Schröter oder der Journalist Constantin Schreiber, wurde attackiert, beschimpft und mundtot gemacht. Dabei ist es nicht rechts, die frappierenden Integrationsprobleme einiger arabischer Milieus anzusprechen. Und es ist erst recht nicht links, sie kleinzureden oder gar totzuschweigen.
Aber der weit verbreitete Hass auf die Juden passte nicht ins Bild der Ideologen, die gerade an den Universitäten, aber auch in der Kultur und vielen Medien den Ton angeben. Unter dem Mantel des Postkolonialismus und der Identitätspolitik regiert die schlichte Denkweise, der Feind meines Feindes ist mein Freund – so wurde jeder Migrant zum besseren Menschen, zum Statement gegen Rechts.
Was auf der anderen Seite zu Recht als Hassrede gebrandmarkt wird, gilt in diesen Kreisen als Kunst. Der Documenta-Skandal um ein hetzerisches Kunstwerk beweist es. Natürlich kann, darf und muss man die israelischen Freunde für ihre Siedlungspolitik kritisieren, aber sachlich und solidarisch und nicht in „Stürmer“-Manier.
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Unser Antifaschismus hat längst einen blinden Fleck. So sensibel wir auf jede Grenzüberschreitung von Rechtsradikalen reagieren, so dickfellig tolerieren wir den Antisemitismus von links. Aber Hass ist keine Meinung, Mord kein Mittel der Politik. Wo junge Konzertbesucher erschossen, Kinder massakriert und Alte verschleppt werden, muss jeder Antifaschist aufmerksam werden.
Israel hat die schlimmsten Tage seit dem Holocaust erlebt. Da darf Deutschland nicht schweigen. Es wird Zeit, dass es lauter wird – in der Kulturszene, den Musikclubs, den Fußballstadien. Wir dürfen die Politiker damit nicht allein lassen.