Hamburg. Scharfe Sicherheitsmaßnahmen und Proteste beim deutsch-französischen Gipfel bei Airbus und im Hotel Louis C. Jacob. Der Newsblog.

Am Montagnachmittag begann in Hamburg ein Gipfel, wie es ihn noch nie gab. Und seit dem Terrorangriff der Hamas aus dem Gazastreifen auf Israel ist ein weiteres Thema auf die Tagesordnung der deutsch-französischen Kabinettsklausur gerückt: Seit dem Nachmittag treffen sich Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit allen Ministerinnen und Ministern ihrer Regierungen bei Airbus und im Hotel Louis C. Jacob zu Gesprächen. Beginn des zweitägigen Gipfels ist ein Besuch beim Flugzeughersteller auf Finkenwerder, dem wichtigsten wirtschaftlichen Projekt zwischen beiden Ländern seit Jahrzehnten.

Das Louis C. Jacob in Nienstedten, in dem fast alle Teilnehmer des Gipfels untergebracht sein sollen, wurde weiträumig abgesperrt. Vor allen Zugängen rund um das Hotel in großer Entfernung stehen Polizisten. Die Sicherheitsmaßnahmen sind scharf, die Polizei hat weitere Hubschrauber geordert. Die Verkehrssituation im Hamburger Westen und den Elbvororten dürfte Montag und Dienstag angespannt sein, auch wenn der Verkehr mit Präsident Macron, Kanzler Scholz und den Ministern vor allem in der Luft und auf dem Wasser stattfinden wird.

Lesen Sie hier im Newsblog des Hamburger Abendblatts die wichtigsten Nachrichten:

Scholz und Macron: Israel-Diplomatie aus Hamburg

Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron haben den Besuch bei Airbus in Hamburg genutzt, um auf die brenzlige Lage in Nahost aufmerksam zu machen. Scholz sagte unter anderem: „Hunderttausende bangen um Leib und Leben. Dieser Überfall der Hamas auf Israel ist furchtbar und er ist barbarisch. Deutschland und Frankreich stehen fest an der Seite Israels. Die Gewalt wird nicht triumphieren.“ Scholz erneuerte das Bekenntnis: „Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson auch und gerade in dieser Lage.“ Der Kanzler sagte, er und Macron würden noch am Abend mit US-Präsident Joe Biden und dem britischen Premier Rishi Sunak telefonieren.

Bundeskanzler Olaf Scholz und Staatspräsidenten Emmanuel Macron bei Airbus in Hamburg.
Bundeskanzler Olaf Scholz und Staatspräsidenten Emmanuel Macron bei Airbus in Hamburg. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Über die Azubis bei Airbus sagte Scholz nach einer kurzen Werkstour: „Sie tragen dazu bei, die deutsch-französische Freundschaft jeden Tag zu leben.“ Macron begann seine kurze Ansprache mit einem freundschaftlichen „Cher Olaf“ und begrüßte ebenso Britta Ernst. Auch Macron ging auf Israel ein, die jahrzehntelange erfolgreiche Kooperation bei Airbus und mahnte angesichts der Differenzen zwischen Berlin und Paris vor allem in der Energie- und Außenpolitik: „Wir müssen uns absprechen.“ Macron sprach von einem „Geist der Eintracht und des Pragmatismus“. Und er lobte das neue Hamburger Format: „Hier können wir uns austauschen ohne den Druck der täglichen Arbeit.“

Auf der Elbe: Lindner, Baerbock und Co. fahren Fähre

Wie ein Klassenausflug nach Hamburg: Ministerinnen und Minister aus der Ampel-Regierung fuhren mit der Fähre nach Finkenwerder. Christian Lindner (FDP), Annalena Baerbock (Grüne) und ihre Kabinettskolleginnen und -kollegen waren zu sehen, wie sie bei Nieselregen und verhangenem Himmel aus einem Bus auf den Anleger stapften. Trotz des Wetters (und der Wahlergebnisse in Hessen und Bayern) schienen sie aber überwiegend gut gelaunt. Diese Klausur mit den Franzosen ist die erste, die eine Übernachtung einschließt – im feinen Hotel Louis C. Jacob. Bei Airbus unterhielten sich Präsident, Kanzler und Minister auf Deutsch, Französisch und Englisch mit Azubis, die an Stehtischen warteten.

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Hamburg: Scholz im Airbus A350 – Macron-Delegation in zwei kleinen Jets plus A330

Staatspräsident Emmanuel Macron und die französischen Regierungsmitglieder sowie Bundeskanzler Olaf Scholz und die Ministerinnen und Minister des Ampel-Kabinetts sind kurz nach 16 Uhr zum großen Teil auf dem Airbus-Gelände auf Finkenwerder eingetroffen. Die deutsche Delegation landete im hochmodernen (und großen) Regierungs-Airbus A350, die Franzosen kamen zunächst in zwei kleinen Jets. Dann aber landete die ebenfalls für Langstrecken ausgerichtete A330 des französischen Präsidenten. Das Wetter zeigte sich von seiner „Hamburger Seite“: Nieselregen paarte sich mit kühlen Herbst-Temperaturen. Einige Minister hatten augenscheinlich bereits ihre dunklen Wintermäntel herausgeholt.

Ankunft am Airbus-Flughafen Finkenwerder.
Ankunft am Airbus-Flughafen Finkenwerder. © AFP | Ludovic Marin

Blankeneser Strandweg: Wo Scholz und Macron Fischbrötchen essen

Die Polizei hat rund um das Hotel Louis C. Jacob die Zugänge abgesperrt. Beamtinnen und Beamte stehen auf den Straßen und weisen auch Nienstedtener darauf hin, dass sie möglicherweise kleine Umwege gehen müssen. In der Nähe der Kirche parken Kleinbusse und Limousinen der Marke Extrabreit mit Berliner Kennzeichen. Wie eine Abendblatt-Reporterin erfuhr, sollen Scholz und Macron am Dienstag am Anleger in Blankenese (Fischbrötchen?) essen.

Hamburg-Gipfel mit Emmanuel Macron und Olaf Scholz: Hier am Anleger Blankenese sollen sie essen, im Imbiss Ponton op‘n Bulln.
Hamburg-Gipfel mit Emmanuel Macron und Olaf Scholz: Hier am Anleger Blankenese sollen sie essen, im Imbiss Ponton op‘n Bulln. © Janne Hensell

Am Ponton op‘n Bulln bereitet man sich bereits darauf vor. Es gibt auch Salate, Suppen, Ofenkartoffeln, aber ebenso Currywurst im Angebot – und einen Ausblick auf den neuen Leuchtturm und das Treppenviertel. Scholz und Macron sowie die Madames werden sich auf Holzbänke und Klappstühle setzen. Die breite Öffentlichkeit hat am Dienstagmorgen vermutlich bis Mittag keinen Zugang zum Anleger Blankenese.

Proteste gegen Schließung von Goethe-Instituten

Vor dem Macron-Scholz-Gipfel und dem deutsch-französischen Kabinettstreffen haben zahlreiche Institutionen und Persönlichkeiten gegen die geplante Schließung von drei Standorten des Goethe-Instituts in Frankreich protestiert. „Dass das Auswärtige Amt und der Verein der Goethe-Institute sich nun auch lange vernachlässigten Regionen zuwenden, ist richtig und geopolitisch gegeben. Die Neuausrichtung darf aber nicht auf dem Rücken der deutsch-französischen Partnerschaft ausgetragen werden“, heißt es in einem offenen Brief an die Bundesregierung.

Zu den Unterzeichnern zählen mehr als 45 Institutionen und Verbände, unter ihnen das Deutsch-Französische Jugendwerk und die Académie de Berlin, sowie das Historiker-Ehepaar Serge und Beate Klarsfeld (die sich um die Bewältigung der Nazi-Verbrechen verdient gemacht haben) und die Akademikerinnen Gesine Schwan und Bénédicte Savoy. Tatsächlich ist die Zahl der Deutsch Lernenden in Frankreich in den vergangenen Jahren massiv gesunken, deutlich mehr noch als die Zahl der Französisch Lernenden in Deutschland. Das Präsidium des Goethe-Instituts hatte angekündigt, bis Ende des Jahres die Institute in Bordeaux und Lille und die Außenstelle in Straßburg zu schließen.

Tschentscher will Scholz und Macron auf dem Airbus-Gelände begrüßen

Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) wird Kanzler Olaf Scholz und den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron nach ihrer Ankunft auf dem Airbus-Gelände in Finkenwerder begrüßen – gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Verwaltungsrats von Airbus, René Obermann, und dem Airbus-CEO Guillaume Faury. Tschentscher begleitet die deutschen und französischen Delegationen auch bei ihrer Besichtigungstour durch eine A320-Produktionshalle, wie es aus der Hamburger Senatskanzlei heißt.

Atomkraftgegner planen Protest an der Elbe bei Teufelsbrück

Atomkraftgegner aus Deutschland und Frankreich wollen in Hamburg anlässlich des Gipfels protestieren. Wie die Gruppierung „Ausgestrahlt“ und ihre Partnerorganisation Réseau „Sortir du Nucléaire“ erklärten, wolle man Macron und Scholz am Fähranleger Teufelsbrück um 17 Uhr „begrüßen“. Das Motto laute „Für ein Europa ohne Atomkraft“. Julian Bothe („Ausgestrahlt“) sagte laut Mitteilung vom Montag: „Die europäische Atomlobby versucht mit aller Kraft, eine gefährliche und teure Technologie künstlich am Leben zu erhalten. Auf allen Ebenen fordert die französische Regierung Begünstigungen für ihren atomaren Sonderweg. Die Bundesregierung darf diesen Erpressungsversuchen nicht nachgeben. Sie muss si-cherstellen, dass Europas Energieversorgung konsequent auf erneuerbare Energien umgebaut wird.“

Verkehr Hamburg: Noch keine Staus, Busse umgeleitet

Staus in den Elbvororten wegen des Gipfels? Die gab es am Mittag noch nicht, wie die Verkehrsleitzentrale dem Abendblatt bestätigte. Abgesehen von den ohnehin vorhandenen Baustellen an der Elbchaussee gebe es aktuell keine Beeinträchtigungen. Auf der Autobahn A7 herrsche der übliche starke Lkw-Verkehr. Mit dem Gipfel habe das aber nichts zu tun.

Hamburg-Gipfel mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz sowie ihren Ministerinnen und Ministern: Die Kirche in Nienstedten ist die Grenze, von hier an ist der Weg zum Hotel Louis C. Jacob gesperrt.
Hamburg-Gipfel mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz sowie ihren Ministerinnen und Ministern: Die Kirche in Nienstedten ist die Grenze, von hier an ist der Weg zum Hotel Louis C. Jacob gesperrt. © Funke Foto Service | C. Rybarczyk

Im Bereich der Elbchaussee wird aber unter anderem die Buslinie 392 umgeleitet, wie die Hochbahn auf ihrer Fahrplanauskunft schreibt. Bis Dienstag 15 Uhr können in Richtung Teufelsbrück die Haltestellen Sieberlingstraße und Elbschloss-straße (Seegerichtshof) nicht bedient werden. In Richtung Ohlsdorf fällt die Halte-stelle Sieberlingstraße weg. Die Haltestelle Nienstedter Marktplatz wurde in die Sophie-Rahel-Jansen-Straße verlegt. Nur am Montagnachmittag bis 20 Uhr fallen die Haltestellen vom „Knabeweg“ bis „Teufelsbrück (Fähre)“ weg.

Taucher in Teufelsbrück: Fähranleger Richtung Airbus gesperrt

In Teufelsbrück am Fähranleger haben Taucher der Polizei die Elbe und den Ponton nach möglichen Bomben abgesucht. Die Aktion war Teil der Sicherheitsmaßnahmen rund um den Macron-Scholz-Gipfel. Alle Gipfel-Gäste sollen zwischen dem Hotel Louis C. Jacob und Airbus mit der Fähre chauffiert werden. Autofahrten durch den Elbtunnel wären zu aufwendig und würden den ohnehin belasteten Hamburger Verkehr weiter einengen.

Nach Airbus-Besuch Hip-Hop und Klassik

Emmanuel Macron, Olaf Scholz sowie ihre Partnerinnen Brigitte Macron und Britta Ernst vor einem Beluga.
Emmanuel Macron, Olaf Scholz sowie ihre Partnerinnen Brigitte Macron und Britta Ernst vor einem Beluga. © AFP | Ludovic Marin

Brigitte Macron und Britta Ernst wollen am Dienstag ein Hip-Hop-Projekt besuchen und sich Musik der Philharmoniker anhören. Details zum Partnerinnen-Programm gibt es im Laufe des Montags. Britta Ernst war zuletzt Ministerin Brandenburg, hat sich zuletzt aber immer häufiger an der Seite ihres Mannes gezeigt.

„Deutschland und Frankreich sehr unambitioniert“

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD), hat Deutschland und Frankreich zu einer engagierteren Zusammenarbeit aufgeru-fen. „Derzeit geht es doch sehr unambitioniert zu“, sagte Roth dem Redaktions-netzwerk Deutschland (RND). Es sei dabei nicht unbedingt ein Problem, dass die deutsch-französischen Beziehungen unemotionaler und geschäftsmäßiger gewor-den sei. Beide Partner müssten sich aber „anstrengen, aus ihrer Führungsverant-wortung für Europa mehr zu machen“. Beide Länder müssten in der EU-Erweiterungspolitik endlich an einem Strang ziehen. „Frankreich darf nicht länger auf der Bremse stehen und muss sich ehrlich machen“, betonte der SPD-Politiker. Junge Demokratien müssten gestärkt werden.

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Weniger Bürokratie für Unternehmen

Bundesjustizminister Marco Buschmann will die deutsch-französische Kabinetts-klausur nutzen, um eine Initiative zur Reduzierung überflüssiger Bürokratie auf europäischer Ebene in Gang zu setzen. „Mehr als die Hälfte der bürokratischen Lasten kommen mittlerweile von der EU“, sagte der FDP-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Diese immer weiter wachsende „Brüsseler Bürokratie-Lawine“ drohe die Unternehmen unter sich zu begraben. Gemeinsam mit der französischen Regierung wolle man diese ungute Entwicklung nun umkehren, kündigte der Minister an. Ihm sei bei der Abstimmung mit Frankreich besonders die Entlastung der kleinen und mittleren Unternehmen wichtig, es gehe um die Reduzierung der Berichtspflichten. Als kleines und mittleres Unternehmen gilt in der Europäischen Union, wer weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigt und entweder einen Jahresum-satz von höchstens 50 Millionen Euro erzielt oder eine Jahresbilanzsumme von maximal 43 Millionen Euro aufweist.

Vor dem deutsch-französischen Gipfel mit Emmanuel Macron und Olaf Scholz sowie den Kabinetten beider Länder: Die Elbchaussee in Hamburg Höhe des Hotels Louis C Jacob am Donnerstag (20.07.2023) Foto: Roland Magunia
Vor dem deutsch-französischen Gipfel mit Emmanuel Macron und Olaf Scholz sowie den Kabinetten beider Länder: Die Elbchaussee in Hamburg Höhe des Hotels Louis C Jacob am Donnerstag (20.07.2023) Foto: Roland Magunia © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Strompreis: Darum dreht sich der Streit

Die französische Industrie profitiert seit Jahren von günstigen Strompreisen. Das Staatsunternehmen EDF, das die 56 Atomkraftwerke des Landes betreibt, ist gesetzlich verpflichtet, etwa ein Fünftel seiner Produktion unter dem Marktpreis ab-zugeben. Dieser Mechanismus läuft jedoch Ende 2025 aus. Die französische Regierung versucht daher, die bis Ende des Jahres anstehende Reform des europäischen Strommarktes zu nutzen, um die heimische Industrie weiter mit günstigem Strom zu versorgen. Ihr Argument: Frankreich hat vor Jahren massiv in seinen Atompark investiert. Es sei also nur gerecht, wenn die eigene Industrie nun von günstigen Strompreisen profitiere. Frankreich wirft Deutschland vor, sich von russischem Gas abhängig gemacht zu haben und wegen des Atomausstiegs die Produktion der Kohlekraftwerke wieder hochzufahren. Deutsche Versuche, französische Subventionen des Strompreises zu verhindern, werden in Frankreich teilweise als Angriff auf die französische Wirtschaft wahrgenommen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will energieintensive Unternehmen ähnlich wie in Frankreich mit einem subventionierten Industriestrompreis entlasten. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die FDP zeigen sich jedoch skeptisch.