Hamburg. Zahl der Abschnitte mit niedrigem Tempolimit stark gestiegen. Blitzereinnahmen auch. Und Senat plant mehr Kontrollen und mehr Tempo 30.
Im erweiterten Umland wurde früher gerne über Hamburger Autofahrer gelästert: In ihrer eigenen Stadt würden die Hanseaten meist 70 fahren, aber in der Lüneburger Heide tuckerten sie wegen der schönen Landschaft mit Tempo 25 über die Bundesstraßen und hielten alle auf. Diese Zeiten allerdings sind wohl vorbei. Die Zahl der Tempo-30-Strecken ist in Hamburg zuletzt massiv gestiegen und der Senat plant einen weiteren Ausbau. Zudem wird in Hamburg schon jetzt so viel geblitzt wie nie zuvor – und auch die Radarkontrollen werden weiter zunehmen. Das hat eine Abendblatt-Anfrage bei den zuständigen Behörden ergeben.
Demnach wurden seit 2018 bereits 200 neue Abschnitte mit Tempo 30 auch auf größeren Straßen eingerichtet. Hintergrund ist eine Änderung der Straßenverkehrsordnung von 2016, nach der ein solches Tempolimit von den Kommunen vor Kitas, Schulen, Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern angeordnet werden kann. Insgesamt gilt laut der zuständigen Innenbehörde mittlerweile vor mehr als 1400 solcher „schützenswerten Einrichtungen“ eine reduzierte Geschwindigkeit von 30 Kilometern pro Stunde – und zwar auch auf größeren Straßen und nicht nur in Wohngebieten.
Tempo 30: Hamburgs Innensenator sieht Geschwindigkeitsbegrenzung als Beitrag zur Sicherheit
„Wir haben Tempo 30 vor Kitas, Schulen und anderen besonders schützenswerten Einrichtungen in den vergangenen Jahren kontinuierlich ausgeweitet, sodass heute vor einem Großteil dieser Einrichtungen in Hamburg Tempo 30 gilt“, sagte Innensenator Andy Grote (SPD) dem Abendblatt. „Die Ausweitung ist ein wichtiger Schritt für ein Mehr an Verkehrssicherheit in diesen Bereichen.“
Und der Ausbau von Tempo 30 soll weitergehen. Die Bundesregierung hat nämlich bereits eine Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und der Straßenverkehrsordnung beschlossen, die den Kommunen noch mehr Möglichkeiten zur Gestaltung des Verkehrs geben soll. Derzeit befasst sich der Bundestag mit dem Entwurf. Künftig sollen demnach bei der Verkehrsplanung auch die Aspekte Klima, Umwelt und Gesundheit eine zentrale Rolle spielen.
Tempo 30 soll weiter ausgebaut werden. Bund ändert dafür die Vorschriften
So sollen örtliche Behörden künftig etwa probehalber Sonderfahrspuren für bestimmte klimafreundliche Mobilitätsformen anordnen können, zum Beispiel für elektrisch oder mit Wasserstoff betriebene Fahrzeuge. Außerdem werden den Kommunen mehr Rechte bei der Gestaltung von Bewohnerparken eingeräumt.
Zudem ist geplant, dass die Anordnung von Tempo 30 weiter erleichtert wird – etwa an Spielplätzen, hochfrequentierten Schulwegen, Fußgängerüberwegen oder Abschnitten bis zu 500 Metern zwischen zwei Tempo-30-Strecken. Damit solle auch für einen besseren Verkehrsfluss gesorgt werden, denn eine einheitliche Geschwindigkeit lässt den Verkehr in der Regel besser fließen als ein häufiger Wechsel.
Verkehrssenator Anjes Tjarks will neue Möglichkeiten ausschöpfen
Aus dem Senat heißt es, dass man die neuen Möglichkeiten in Hamburg weidlich nutzen wolle, sobald sie umgesetzt seien. Man begrüße die geplanten Änderungen „ausdrücklich“, weil sie der Stadt ermöglichten, „wirklich die für die örtlichen Gegebenheiten angemessene Höchstgeschwindigkeit anzuordnen“, sagte Dennis Heinert, der Sprecher von Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne), dem Abendblatt. „Der aktuell geltende Rechtsrahmen ist hierfür sehr eng.“
Aber Hamburg führt nicht nur immer mehr Tempo 30 ein, die Stadt geht auch immer energischer gegen Autofahrer vor, die sich nicht an die Vorgaben halten. Im vergangenen Jahr nahm Hamburg 43 Millionen Euro an Bußgeldern ein – fast doppelt so viel wie 2021. Zwar spielte dabei auch die Zunahme des Verkehrs nach Corona eine Rolle. Aber auch die Aufrüstung bei den mobilen Blitzern dürfte einen Einfluss gehabt haben. Laut der Auswertung einer Rechtsanwaltskanzlei gab es in Hamburg zuletzt von allen Städten die meisten Blitzer.
Blitzer Hamburg: Fast 34 Millionen Euro nur durch mobile Geräte eingenommen
Mittlerweile sind in der Stadt bereits 18 mobile Blitzeranhänger im Einsatz, im vergangenen und im laufenden Jahr waren jeweils zwei dazugekommen – und 2024 sollen zwei weitere angeschafft werden. Die mobilen Radargeräte spielen mittlerweile den größten Teil der Bußgelder in die städtischen Kassen. Insgesamt hat die Stadt laut Innenbehörden-Sprecher Daniel Schaefer im vergangenen Jahr nur durch mobile Radarmessungen 33.724.892 Euro eingenommen (bei 710.098 Anzeigen, also Verstößen). Dazu gehören neben den Blitzeranhängern auch Handlasermessungen und Videonachfahrsysteme der Polizei. Im Jahr 2023 wurden laut Innenbehörde bis August bereits 21.707.847 Euro durch diese mobilen Kontrollsysteme eingenommen – bei 416.017 Anzeigen.
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Die Innenbehörde weist bei alldem darauf hin, dass zwischen Tempo-30-Strecken und Tempo-30-Zonen unterschieden werden müsse. Eine Tempo 30-Zone sei „immer ein Element der Verkehrsberuhigung“, so Innenbehörden-Sprecher Schaefer. Sie könne „in Wohngebieten und Gebieten mit hoher Fußgänger- und Fahrradverkehrsdichte sowie hohem Querungsbedarf“ angeordnet werden. Hier gebe es keine Ampeln und es gelte rechts vor links. Tempo-30-Strecken dagegen könnten aus Sicherheitsgründen auch auf größeren Straßen außerhalb von Wohngebieten eingerichtet werden, wobei die gültigen Vorfahrtsregelungen bestehen blieben.
Tempo-30-Zonen und -Strecken in Hamburg müssen unterschieden werden
Eine exakte Auflistung, wie viele Tempo-30-Zonen es in Hamburg derzeit gibt, liegt dem Senat laut Verkehrsbehörden-Sprecher Heinert nicht vor, „da die finale Umsetzung durch die Bezirke erfolgt“. Klar sei aber, dass „anteilig mehr als 50 Prozent des gesamten Straßennetzes in Hamburg Tempo-30-Zone oder andere verkehrsberuhigte Bereiche“ ausmachten, während Tempo-30-Strecken wesentlich seltener seien. Klar ist aber: Mit den neuen Regelungen in der Straßenverkehrsordnung wird die Zahl der Straßen, an denen Tempo 30 gilt, auch in Hamburg schon bald weiter zügig steigen.