Hamburg. Der Wirt des Schlemmerecks war einer der letzten echten Seebären von St. Pauli. An seinen Lippen hing nicht nur die Turbojugend.

Auf die Frage eines Bekannten, warum er denn nicht zur Beerdigung kürzlich erschienen sei, antwortete er einmal nur trocken: "Warum sollte ich. Er kommt doch auch nicht mehr zu meiner Beerdigung."

Herbert Stender hatte einen für viele vielleicht manchmal eigenwilligen Humor. Seine charmante Hamburger Kodderschnauze, damit konnte nicht jeder umgehen. Doch die Gäste in seiner Kneipe, dem Schlemmereck auf dem Hamburger Berg auf St. Pauli, haben ihn genau dafür geliebt: Seine ehrliche, geradlinige und dadurch auch manchmal unbequeme Art.

Turbojugend widmete ihm eine Ehrenkutte

Auch wenn Herbert Stender nicht zu ihrer kommt – sie alle werden wohl zu seiner Beerdigung kommen wollen. Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Allein die sogenannte Turbojugend, die Anhänger der norwegischen Punk-Band Turbonegro, dürften jede Trauerkapelle sprengen. Die unzähligen Stammgäste, die das Schlemmereck wegen seiner familiären Atmosphäre, den leckeren Bratkartoffeln oder ganz einfach wegen "good old Herbert" zu schätzen wussten, sind da noch nicht mal einberechnet. Weltweit hat die Turbojugend mehrere Zehntausend Mitglieder – und nahezu überall auf der Welt kennen sie diesen Seemann aus Hamburg-St. Pauli. Herbert Stender war ihr "Godfather", wie sie ihn liebevoll getauft haben.

"Too old to die Young", stand in goldener Schrift auf seiner Ehrenkutte geschrieben, die nur ihm vorbehalten war. Alt erschien er einem jedoch bis zuletzt, mit immerhin 78 Jahren, nicht. Fünf Tage die Woche hütete er nach wie vor seine kleine Eckkneipe, die er vor 30 Jahren quasi über Nacht als Seemann gekauft hatte. An manchem Abend gedankenverloren schweigend, an manchen Abenden redselig wie ein offenes Buch. Wer etwas vom vergangenen St. Pauli der Seeleute erfahren wollte, musste nur genügend Zeit an seinem Tresen verbringen.

An jedes Mädchen schien er sich zu erinnern

Die Seefahrt war sein großes Abenteuer, von dem er schon als Junge nach dem frühen Tod seiner Eltern geträumt hatte. Bis zuletzt erkannte man ein Strahlen in seinem Blick, wenn er an jene vier Jahrzehnte zurückdachte und stolz die Fotos an den Wänden seiner Kneipe erklärte, von denen jedes eine eigene Geschichte zu haben schien. Vergessen hatte er nichts von dieser Zeit. An jedes Schiff, an jedes Mädchen und jeden Hafen schien er sich zu erinnern. Wenn sein Tod einen tröstenden Gedanken hat, so stelle ich mir vor, dass er nun noch einmal auf seine letzte große Fahrt geht. Und ich stehe an den Landungsbrücken und summe leise: "Der Hafen, die Lichter, die Sehnsucht begleiten dein Schiff in die Ferne hinaus." Gute Reise, Herbert.

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