Hamburg. Der Hamburger Komponist über aktuelle Kindermusik, ein Ritual, gendersensible Sprache und seine Meinung zu Helene Fischer.

Hunderte Lieder hat Rolf Zuckowski geschrieben, Songs für sich selbst und für andere Musiker. Auch den grünen Drachen „Tabaluga“, mit dem Rockstar Peter Maffay Erfolge feiert, hob er mit aus der Taufe. Wie ihn Maffays Rockerkluft zu einer Schildkröte führte und wie es um eigene Rockstar-Ambitionen bestellt war - darüber spricht der Hamburger Liedermacher im Interview mit dpa-Mitarbeiterin Dorit Koch. Auch über seinen Geburtstagshit "Wie schön, dass du geboren bist“ erzählt er: warum eine Zeile daraus ihn aktuell beschäftigt und wer ihm das Lied wohl am Freitag (12. Mai) vorsingt - wenn er 70 wird.

Diesen Ehrentag will der in Blankenese wohnhafte Musiker übrigens mit mehreren kleinen Feiern begehen, aber möglichst ohne Präsente. "Wenn man so gesund ist wie ich und so viel erleben durfte, ist das ja bereits ein großes Geschenk“, sagt Zuckowski. "Es gibt mehrere Mini-Geburtstagsfeiern“, erzählt er. Bei einer davon hole er den Verlag und die Schallplattenfirma an einen Tisch, um gemeinsam zu überlegen, wie mit seinen Liedern umgegangenen werde. "Das ist mir sehr wichtig, denn ich werde 70 und hoffe, ich werde 80 oder 90, aber ich weiß es ja nicht.“

In seiner Geburtstagswoche will er Fans etwas schenken, sagt der Liedermacher: Über seine Website zum kostenlosen Download aus seinem Archiv einen Song von 1977 sowie eine kleine Comedy-Serie. "Die Aktion beginnt bereits am 9. Mai, dem Europatag, mit einer Neuveröffentlichung: „Deutschland in Europa“, mein musikalisches Bekenntnis zu einer europäischen Zukunft für unsere Jugend“, sagt Zuckowski.

Frage: Seit fünf Jahren sind Sie im Ruhestandsalter und hatten kurz nach Ihrem 65. Geburtstag auch angekündigt, sich von der großen Bühne weitgehend zu verabschieden. Aber ruhig sieht es auf dem Terminkalender Ihrer Internetseite nicht gerade aus.

Rolf Zuckowski: Was heißt bei einem kreativen Menschen Ruhestand? Eigentlich habe ich den auch nie angestrebt. Ich habe eine Verlagerung gewollt und die ist auch eingetreten. Nicht mehr für einen ganzen Tourbetrieb verantwortlich zu sein, entlastet mich sehr. Seit fünf Jahren bin ich auf der Bühne nur als Gast, der auch singt - eine Art Grußwortsänger. Dabei lerne ich viel mehr Menschen kennen, weil ich nicht mehr einen ganzen Apparat um mich herum habe, sondern oft nur allein mit meiner Ukulele für ein kleines Ständchen anreise. Natürlich erwartet ein Großteil des Publikums, dass man ähnliche Dinge immer wieder machen sollte. Ich finde es aber schöner, wenn man ein bisschen spannend bleibt.

Auch Ihre aktuelle Tour "40 Jahre Rolfmusik" bestreiten hauptsächlich Kita-Kinder, Schüler oder Erwachsenenchöre, die Konzerte mit Ihren Liedern für Sie geben. Hatten Sie keine Lust mehr, immer wieder die "Weihnachtsbäckerei" selbst vorzusingen?

Vorsingen kann ich die "Weihnachtsbäckerei" ohnehin nicht mehr, weil immer alle mitsingen. Ich muss meine Lieder nicht mehr promoten, sie sind eigenständig geworden. Das läuft über die pädagogische und familiäre Ebene ebenso wie über andere Künstler, wenn etwa Helene Fischer meine "Weihnachtsbäckerei" singt. Wenn sie so etwas macht, ist das für mich auch wie ein Ritterschlag. Ich schätze sie sehr, sie ist in vielerlei Hinsicht großartig. Man muss ihre Musik nicht mögen, ich mag auch nicht jeden Schlager von ihr, aber ich finde ihre Persönlichkeit beeindruckend. Und solche Las-Vegas-Dimensionen in Deutschland aufzumachen - das hat vor ihr noch keiner geschafft.

Gemeinsam mit anderen Kollegen, mit Rockstar Peter Maffay und dem Texter Gregor Rottschalk, haben Sie vor mehr als 30 Jahren den Drachen "Tabaluga" erfunden. Maffay füllte mit neuen Shows dazu gerade wieder große Hallen. Haben Sie es je bereut, nicht dabeigeblieben zu sein?

Was er aus "Tabaluga" gemacht hat, hätte ich nie gemacht, das sind einfach ganz andere Ausmaße. Das sind die Dimensionen eines Rockstars - die hatte ich nicht und habe ich auch heute nicht. Außerdem ist Peter eine Persönlichkeit, die einen zu hundert Prozent einbezieht, da kann man nicht nur mal ein bisschen mitmachen. Vor allem wollte ich aber zu der Zeit mein eigenes Projekt mit Musik für Kinder weiterentwickeln. Er hat ja auch seine ganz eigene Gangart entwickelt, mit riesigem Erfolg. Zu den Shows lädt er mich jedes Mal ein und ich schaue sie mir immer gern an. Seit "Tabaluga" bin ich mit Peter in einem sehr guten freundschaftlichen Verhältnis.

Gab es Momente in Ihrer Laufbahn als Liedermacher, in der Sie auch lieber in Rockerkluft auf der Bühne gestanden hätten?

In meiner engsten Maffay-Phase habe ich eine Lederhose getragen, das war wohl ein bisschen Assimilation und das Rockigste an mir. Ich bin immer ein Beat-Musiker gewesen. Als ich Anfang der 60er Jahre anfing, war Rock für uns altmodisch, Beat war das Neue. Als Peter und ich zu „Tabaluga“ ins Gespräch kamen, war er noch mehr als heute in der Phase, Rocker sein zu müssen und sich vom Schlager zu emanzipieren. Er spielte mir die Melodie vor, zu der ich dann "Ich wollte nie erwachsen sein" textete. Diesen Kontrast zu seinem Rockerauftritt fand ich spannend: Der Kerl muss einen so weichen Kern haben, sonst käme er nicht auf solche Melodien. Das führte mich zur "Tabaluga"-Schildkröte Nessaja, die sich mit ihrem Panzer dagegen schützt, dass ihr weicher Kern verletzt wird - sie will sich das innere Kind bewahren.

Viele Kinder sind mit Ihren Liedern aufgewachsen. Haben Sie sich als Liedermacher, der vor allem für die Kleinsten und deren Eltern arbeitet, manchmal belächelt gefühlt?

Nicht belächelt haben mich von Anfang an Eltern, Erzieher, Lehrer, Rundfunkleute, weil sie gemerkt haben: Da meint es einer ernst. Er benutzt die Kinder nicht, sondern er will für die Kinder etwas bewegen. Ich war ja relativ bald auch recht erfolgreich. Das Belächeln reduzierte sich auf die Jugendlichen, die keine Kinder mehr sein wollten. Am ehesten aber gab es in der Presse einige, die mich zwischen Spott und Belächeln beschrieben haben, aber auch das waren wenige. Heute kommen Bären von Männern auf mich zu und bedanken sich für die Lieder ihrer Kindheit. Öfter höre ich aber immer noch liebevollen Dank von Frauen.

Musik für Kinder - wie schätzen Sie ein, was aktuell in diesem Bereich geboten wird?

Es gibt tolle Kollegen wie das Duo Sternschnuppe oder Donikkl, ein origineller Rocker für Kinder. Volker Rosin schätze ich sehr, auch Beate Lambert mag ich gerne. Für das erfolgreiche Trio Deine Freunde habe ich extra ein eigenes Label gegründet. Es gibt inzwischen eine riesengroße Szene, aber auch neue Wege der Plattenfirmen: dass Popmusiker, die sonst nichts für Kinder machen, auch in diesem Bereich mal aktiv werden. Oftmals nur ein Ausflug, aber im Moment ein Trend mit Erfolg. Mal schauen, wie nachhaltig er ist. In der Kindergartenphase wird es aber wohl immer so bleiben: Richtig singen, musizieren, Kostümchen basteln und aufführen - das geht nicht mit Popsongs, sondern nur mit Kinderliedern. Daher bin ich zuversichtlich, dass mein Repertoire lebendig bleibt.

Welche Themen beschäftigen Sie nach Jahrzehnten in der Branche?

Was mich als Liedermacher sehr beschäftigt: ob man die gendersensible Sprache jemals singen kann. Wenn es so weit führen würde, dass Frauen mich bei Zeilen wie "alle deine Freunde freuen sich mit mir" fragen, warum die Mädchen nicht dabei sind, ginge mir das tief ins Herz hinein. Es gibt gerade im pädagogischen Bereich immer stärkere Ambitionen, so etwas auf allen Ebenen durchzusetzen. Nur wie soll man als Songwriter damit umgehen? Ich habe schon mal versucht, einige meiner Texte umzudichten und gendergerecht zu machen - allerdings nicht veröffentlicht, weil ich nicht zynisch sein möchte, sondern konstruktiv. Wenn die Grünen mal ein Lied schreiben, in dem die Sternchenschreibweise auch singbar ist, dann sind wir sehr weit gekommen.

Ihr Lied „Wie schön, dass du geboren bist“, aus dem diese Zeilen stammen, ist ein echter Geburtstagsklassiker geworden. Von wem werden Sie es wohl an Ihrem 70. Geburtstag hören?

Auf jeden Fall als erstes von meiner Frau, gleich morgens beim Aufwachen. Das hat noch nie gefehlt und passiert auch umgekehrt. Und so leise klingt es für mich auch am schönsten, weil dann die Botschaft des Liedes richtig spürbar ist. Es hat ja nicht so etwas Deftiges wie "Happy Birthday". Wenn die eigene Familie es singt, finde ich es sowieso besonders schön. Bei meinen vier Enkelkindern halten sich die Großen (16 und 12) natürlich etwas zurück, aber die Kleinen (6 und 3) sind voll dabei. Das Lied habe ich Ende der 70er Jahre zu einem Geburtstag meines Sohnes Alexander geschrieben und wollte von da an eigentlich jedes Jahr ein neues Geburtstagsstück liefern, damit nicht immer "Happy Birthday" gesungen wird. Aber ich habe nie ein Zweites geschrieben, weil ich gemerkt habe: Das ist es.

Zur Person: Vor rund fünf Jahrzehnten begann die Musikerlaufbahn für Rolf Zuckowski - angefangen hat er in einer Hamburger Schülerband. Große Erfolge feierte er als Komponist, Autor und Sänger von Liedern für Kinder, darunter Klassiker wie „In der Weihnachtsbäckerei“ oder „Wie schön, dass du geboren bist“.