Hamburg. Sie ist dreifache Mutter, Chefin einer Firma und Sängerin in einem ungewöhnlichen Chor. Ein Porträt einer heiter Gelassenen.

So ganz versteht sie es nicht, warum ausgerechnet sie jetzt den roten Faden bekommen hat. „Da gibt es doch ganz andere in Hamburg.“ Aber Marianne Bruhn (57) hat auch kein Problem damit, über sich zu erzählen. Über ihre Familie, ihre Firma und ihre Musik. Über ihr Leben, in dem sie oft den Ton angibt. Freundlich und unaufdringlich, harmonisch und mit Nachhall.

Marianne Bruhn, das wird schnell klar bei der Tasse Kaffee mit ihr und ihrem Schäferhund Tapsi auf der überdachten Terrasse mit Blick in den großen Garten, ist einer von den Menschen, die in sich ruhen, sich selbst nicht so besonders wichtig nehmen und eine heitere Gelassenheit ausstrahlen. Dazu passt ihr Lebensmotto, wenn sie schon danach gefragt wird: „Na ja – es wird schon.“ Ihr Partner, sagt sie, meine dann oft: „Du immer mit deinem ,Es wird schon‘ ...“

Aber so ist es ja, das Leben. Marianne Bruhn sagt, sie sei ein gläubiger Mensch und habe eine positive Grundeinstellung. Der Glaube habe ihr auch Kraft gegeben in Zeiten, in denen es nicht so toll gelaufen ist. Zum Beispiel? Als sie sich vor 13 Jahren von dem Vater ihrer drei Kinder getrennt hat.

„Das war nicht leicht, aber mein Anspruch war damals: Du kriegst das selbst auf die Reihe.“ Die jüngste Tochter war sieben Jahre alt. Sie wohnt heute noch bei der Mutter und hat sie zu einer begeisterten Mitreiterin ihres Pferdes gemacht. „Das Reiten ist für mich als Sport und Ausgleich zu den kopfgesteuerten Tätigkeiten in den letzten Jahren immer wichtiger geworden“, sagt Marianne Bruhn. Die älteren Söhne sind inzwischen ausgezogen, kommen aber alle paar Tage vorbei. „Alle drei Kinder sind wirklich toll geraten.“ Sie kann zu Recht stolz sein.

Die Kinder seien quasi „im Laufstall im Büro“ groß geworden, sagt sie. „Sonst hätte ich es auch zusammen mit meinen Eltern nicht hingekriegt.“ Als alleinerziehende Geschäftsfrau, die nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre in die Firma ihres Vaters eingestiegen ist. Vor 20 Jahren hat sie dann als Geschäftsführerin den Großhandel für Dekoration und Floristenbedarf übernommen. Dort hatte sie schon als Jugendliche mitgearbeitet. „Ich weiß noch, dass mein Vater davon erzählt hat, wie er mit der Schottschen Karre über die Gärtnerstraße gelaufen ist und versucht hat, schneller als die Straßenbahn zu sein.“

Was ist das Wichtigste, um eine Firma mit 25 Mitarbeitern zu führen? „Drei Dinge“, sagt sie. Man müsse vor allem ein Gefühl für Menschen haben. Und dann natürlich „frische Ideen, auch wenn die Industrie viele Dinge vorgibt“. Und schließlich ein kaufmännisches Verständnis, vor allem auch für die Trends, die der Markt bereithält.

Als junge Mutter ist sie selbst noch nach China, Vietnam und Italien gefahren, um das Sortiment aus Terrakotta und Keramik-Artikeln, Seidenblumen und Kerzen einzukaufen. Ihr Großhandel bietet heute vom Teelicht bis zur Altarkerze, vom traditionellen Pflanztopf in allen erdenklichen Größen und Formen bis zur Designervase in Keramik und Glas, von kleinen Geschenken und Mitbringseln bis zu Möbeln, Stoffen, Metallwaren und Deko-Artikeln für jeden Geschmack etwas. Wie viele Artikel hat die Firma im Angebot? „5000 bis 6000 dürften es sein“, sagt Marianne Bruhn. Kennt sie alle? „Ja, doch.“

Ihre Firma, die ihr Vater bereits im Jahr 1932 gegründet hat, beliefert Blumenhändler und Dekorateure, Event-Ausstatter und „auch ein bisschen“ die Baumärkte.

Sieht man sich auf der Terrasse um, verwundert es nicht, wenn sie auf die Frage nach ihren Lieblingsartikeln „Laternen und Kerzen“ antwortet.

Eigentlich wollte Marianne Bruhn Lehrerin werden. Aber ihre Eltern hätten sie schon dazu gedrängt, das Geschäft zu übernehmen. „Das war früher eben so.“ Sie selbst würde heute nicht auf die Idee kommen, ihren Kindern eine Berufsrichtung vorzuschreiben. „Sie haben auch alle ganz andere Interessen.“

Gehadert hat sie damit aber auch nicht. Sie liebt ihren Job. Und außerdem haben ihre Eltern ihre zweite Liebe, die Musik, von Anfang an tatkräftig unterstützt. „Ich hatte Klavierunterricht, habe schon als Kind im Kirchenchor gesungen und konnte mit 16 Jahren Gesangsunterricht nehmen.“

Die Musik also. Ein Leben ohne Gesang ist für Marianne Bruhn nicht vorstellbar. „Die Musik ist ein so guter Ausgleich und hilft in problematischen Lebenssituationen. Für mich ist Musik im Leben immer auch die große Sehnsucht.“ Was ist das Schöne am Singen? „Hinterher ist man immer gut drauf.“

Sie mag die Nähe zum Publikum

Marianne Bruhn singt Sopran. Sie tritt als Solistin auf und in Chören. Sie singt im renommierten Hamburger Monteverdi-Chor, einem der bekanntesten deutschen Konzertchöre. Und im Ensemble Vocal, einem mehrfach preisgekrönten gemischten Kammerchor aus Hamburg. Und seit zwölf Jahren bei vOkabile. Als dieser ungewöhnliche Chor, der bei seinen Auftritten neben der Musik immer noch eine Besonderheit für die Zuschauer parat hält, im Februar 30-jähriges Bestehen feierte, schrieb das Abendblatt: „Es gibt tatsächlich noch Entdeckungen zu machen im Hamburger Musikleben. Dem Kammerchor vOkabile etwa ist es bislang gelungen, unterhalb der medialen Aufmerksamkeitsschwelle zu bleiben. Dabei haben die 16 Choristen wirklich originelle Projekte zu bieten.“

Ja, das stimme schon, sagt Marianne Bruhn. Bei vOkabile-Konzerten tritt nämlich regelmäßig noch ein externer Künstler – mal ein Schauspieler, mal eine Malerin oder ein Komponist – mit dem Chor auf. Es kann aber auch passieren, dass die 16 Chormitglieder als verkleidete Bauarbeiter auf die Bühne kommen und dann von den Zuhörern gefragt werden, ob sie wüssten, wann das Konzert beginnen werde.

In ihrem Unternehmen ist Marianne Bruhn schon länger auch „die singende Chefin“. Da lag es einfach nahe, dass sie eines Tages auf die Idee kam, auch in ihrer Firma Konzerte zu veranstalten. Im Januar dieses Jahres gab es das erste Firmenkonzert mit hochkarätiger Besetzung in den Lagerräumen, mitten zwischen Paletten und Regalen. „Wir hatten 150 Besucher, es war richtig schön“, sagt sie.

Wäre sie gerne Berufsmusikerin geworden? „Ich bewundere Leute, die mit der Musik ihr Geld verdienen“, sagt sie. „Aber ich trauere dem überhaupt nicht hinterher. Für mich ist es genauso richtig, wie es jetzt ist.“

Schon jetzt liegen ihr ja bereits wieder Anfragen für Weihnachtskonzerte vor. Was sie am Singen außerdem besonders mag, ist die Nähe zum Publikum. „Man hat bei unseren Konzerten immer den direkten Kontakt zu den Zuhörern.“

Antje Holst, Friedensaktivistin
und
Schul-Erbauerin
im
Kongo, übernimmt
den roten Faden
Antje Holst, Friedensaktivistin und Schul-Erbauerin im Kongo, übernimmt den roten Faden © HA | Marcelo Hernandez

An diesem Sonnabend ist es auch wieder so weit. Bei der Nacht der Kirchen, wenn in Hamburg und Umgebung 106 Kirchen von 19 Uhr bis Mitternacht zum gemeinsamen Kulturfest mit Hunderten von Veranstaltungen einladen. Das Motto lautet in diesem Jahr: „Lebe, Liebe, Lache“, und es bezieht sich auf die Bibelstelle, Johannes 16,22: „Euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen.“ Geboten wird Jazz und Klassik, Literatur und Comedy, Theater und Meditation, Gespräche und Gebete. Die Veranstalter laden alle Hamburger ein, „das Leben zu genießen, sich der Liebe bewusst zu werden und herzhaft zu lachen“.

Es könnte auch das Leitmotiv für das Leben von Marianne Bruhn sein.

In der St.-Martinus-Gemeinde in Eppendorf wird es am heutigen Sonnabend ab 18 Uhr bunt und fröhlich. Mit Posaunen und Musik aus Äthiopien. Es wird auch Orgelmusik geben. Dazu kommen zwei Blockflöten. Und Marianne Bruhn als Solistin. Sie wird für einen schönen Moment wieder den Ton angeben.