Hamburg. Kristina Sassenscheidt ist neue Vorsitzende des Denkmalvereins und engagiert sich für die Viktoria-Kaserne.
„Lebendigkeit hat für mich einen hohen Stellenwert“, sagt Kristina Sassenscheidt. Das setzt die 38-Jährige, die ein Faible für historische Bausubstanz und selbst verwaltete Projekte hat, mit Kreativität und Dynamik um. Sowohl in den sieben Jahren, in denen sie sich als Sprecherin des Denkmalschutzamts für Erhalt und Nutzung von Denkmälern eingesetzt hat, aber ebenso außerhalb ihrer beruflichen Tätigkeit. Sie hat sich von Anfang an für die Belebung des Gängeviertels engagiert und im Hintergrund auch viel um gegenseitiges Vertrauen zwischen Initiative und Stadt geworben. Hat 2010 den Leerstandsmelder mitgegründet, der im Internet einen Überblick über derzeit mehr als 1000 leer stehende Hamburger Gebäude gibt. Und als ihre Mutter beklagte, dass die ältere Generation nirgends mehr tanzen gehen kann, rief sie 2011 die regelmäßig stattfindende 60+-Party „Faltenrock“ ins Leben.
Nach einer eineinhalbjährigen Babypause startet die Architektin jetzt mit einem Ehrenamt und einer Halbtagsstelle wieder durch: Seit Mitte April ist sie die neue Vorsitzende des Hamburger Denkmalvereins. Und seit Mitte März kümmert sie sich im Auftrag der Genossenschaft Fux eG um die Öffentlichkeitsarbeit und die Spendenakquise für die Sanierung und den Umbau der ehemaligen Viktoria-Kaserne.
Auch dort werde etwas sehr Vitales geschaffen, sagt Kristina Sassenscheidt. „Wir füllen die alte Kaserne mit Leben, und das in einer ungeheuren Nutzungsvielfalt, aus der auch zukünftig viel Neues entstehen wird.“ Die Genossenschaft ist ein Zusammenschluss der Künstler des Frappant-Vereins, die durch den Bau von Ikea Altona aus dem Frappant-Haus an der Großen Bergstraße ausziehen mussten, sowie des Kollektivs Lux & Konsorten, einem Zusammenschluss von Handwerkern, Kultur- und Bildungsarbeitern, die gemeinsam einen Gewerbehof bewirtschaften wollten.
„Es wird immer schwerer, erschwingliche Gewerberäume zu finden, da die Mieten steigen und immer mehr Hinterhöfe bebaut werden. Insofern ist das Genossenschaftsmodell ein wichtiges Gegengewicht zur Gentrifizierung“, sagt Kristina Sassenscheidt. Sie wird auf ihre Weise dazu beitragen, die 1880 erbaute Kaserne zu einem lebendigen Ort der Bildung, Kultur und Produktion umzugestalten, mit Veranstaltungsräumen, einem Gästehaus und einer Cantina, die auch dem Stadtteil zur Verfügung stehen.
„Ich werbe finanzielle und ideelle Unterstützung ein“, sagt Kristina Sassenscheidt. Dafür stehen ihr fast 2000 Kontakte zur Verfügung, die in ihrem Smartphone gespeichert sind, Menschen aus den Bereichen Denkmalpflege, Kultur, Stadtentwicklung, Politik und Wirtschaft, die sie in der Vergangenheit kennengelernt hat. Insgesamt werden die Umbau- und Sanierungskosten auf fünf bis sechs Millionen Euro geschätzt, ein Genossenschaftsanteil liegt bei 500 Euro. „Die kann man in beliebiger Höhe erwerben und so beispielsweise auch Kapital als Alterssicherung anlegen“, sagt Kristina Sassenscheidt. Im Gegensatz zu einer Risikokapitalanlage sei das Geld bei einer Genossenschaft sehr gut abgesichert. „Das Finanzierungskonzept wird sorgfältig und regelmäßig vom Genossenschaftsverband überprüft.“ Und über die Mieten gebe es verlässliche Einnahmen.“
Sassenscheidt möchte neue Mitglieder werben
Sie hat sich in ihr neues Metier schon gut eingearbeitet. Das wird ihr auch als Denkmalvereinsvorsitzende nicht schwerfallen, denn sie hat sich schon während des Studiums in Berlin viel mit historischen Bauwerken beschäftigt. „Ich wollte nie neue Gebäude entwerfen, sondern Altbauten und ihre Geschichte besser verstehen“, sagt sie. Ihr Interesse an ihnen sei von jeher eher geisteswissenschaftlicher als technischer Natur gewesen. „Es geht mir um die geschichtliche Aussage von Denkmälern, also eher um den jeweiligen gesellschaftlichen Kontext als um bauphysikalische Zusammenhänge.“
Als Vereinsvorsitzende will sie den Denkmalschutz gerne etwas mehr aus seiner „fachlichen Nische zerren“ und neue Mitglieder werben. „Das Thema emotionalisiert viele Menschen, schließlich geht es um den Erhalt ihrer Heimat“, sagt Kristina Sassenscheidt.
„Sie möchten, dass sich die Stadt nicht so schnell verändert, wie sie es derzeit tut.“ Außerdem will sie die Augen der Öffentlichkeit verstärkt auf das Thema Nachhaltigkeit und Nachkriegsmoderne lenken. „Es ist aus ökologischer Sicht immer besser, einen Altbau zu erhalten und weiter zu nutzen.“ Für das Allianz-Hochhaus am Großen Burstah und die Postpyramide in der City Nord, die beide zum Abriss freigegeben sind, gelte das auch aus anderen Gründen: „Mit ihnen werden wieder zwei Originale aus den 70er-Jahren ausgetauscht. Für meine Generation ist das bitter. Wir haben einen anderen Blick darauf, denn wir sind mit dieser Architektur aufgewachsen. Und ich würde mir wünschen, dass auch mein Sohn noch die Möglichkeit hat, die Baukultur dieser Zeit kennenzulernen.“