Hamburg. Die 50-Jährige steht an der Spitze des Hotel- und Gaststättenverbands. Bis dahin war es für die Hanseatin ein langer Weg.

So wie Ulrike von Albedyll (50) da am Bootsanleger steht, den Blick in die Ferne gerichtet, der silbrig-blonde Pagenkopf trotz Windböen perfekt frisiert, die schlanken, gebräunten Beine lässig gekreuzt, könnte man meinen, sie machte das öfter – posieren für die Kamera. Dabei ist das Gegenteil der Fall.

Dass Ulrike von Albedyll zum Fototermin an die Alster kommt, einfach nur, um über sich zu sprechen, gleicht einer kleinen Sensation. Denn die Juristin gibt zwar stets bereitwillig Auskunft über die Bettensteuer oder klärt über Dumpinglöhne für Zimmermädchen auf. Aber wenn es um ihre eigene Person geht, ist die Hanseatin hanseatisch zurückhaltend. So war ihre erste Reaktion auf die Interview-Anfrage am Telefon auch „O Schreck!“ und nicht „O ja!“ Sich in den Mittelpunkt zu drängen ist ganz sicher nicht die Sache von Ulrike von Albedyll.

Zum Kaffee im Cliff am Fährdamm kommt sie in Begleitung ihrer ständigen Begleiterin, Mischlingsdame Maxime. Als ein Ruderer vorbeizieht, seufzt sie sehnsüchtig: „Ach, rudern würde ich auch gern mal wieder!“ Das kam in den vergangenen Monaten etwas zu kurz. In ihrem Büro an der Hallerstraße mussten Aktenberge gewälzt, Verträge gesichtet, Unterlagen sortiert werden.

Ulrike von Albedyll ist nicht nur passionierte Hundehalterin und Ruderin, sie ist seit dem 1. März Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Hamburg und damit zuständig für rund 2000 Mitglieder. Am kommenden Montag wird sie die Gäste erstmals in neuer Funktion beim 15. Sommerempfang im Anglo German Club begrüßen.

„Ich verstehe den Verband ganz klar als Dienstleister. Wir beraten und informieren Hotel- und Gaststätten­betreiber und versuchen ihnen in gesetzlichen Dingen den Alltag zu erleichtern.“ Besonders in der Gastronomie habe man es mit vielen Quereinsteigern zu tun, das mache die Branche „abwechslungsreich, bunt und kreativ. Man hat es mit vielen tollen, zugewandten Menschen zu tun“, sagt Ulrike von Albedyll, die trotz geschlossenen Mundes breit lächeln kann. „Wegen meiner auffälligen Zahnlücke mochte ich lange Zeit gar nicht auf Fotos lachen“, erzählt sie.

Das ist kokettiert: Die Frau hat ein schönes Lachen, und sie lacht gern. Man kann auch sagen: Ulrike von Albedyll hat ihr Lachen wiedergefunden. Dass sie heute – mit 50 Jahren – an der Spitze des Verbands steht, hätte sie vor einigen Jahren nicht gedacht. Querelen innerhalb des Dehoga, aber auch in der Hamburger Hotellerie machten ihr das Leben schwer. „Ich hatte schon überlegt zu gehen, aber dann bin ich doch geblieben.“ Nunmehr seit 21 Jahren. Und sie weiß seitdem auch, dass Krisen wichtig sind, weil man an ihnen wächst.

In einer Stellenanzeige im Hamburger Abendblatt hatte der damalige Gastgewerbeverband Hamburg eine Assistentin mit der Option, in die Geschäftsleitung aufzusteigen, gesucht. „Ich hatte mein zweites Staatsexamen in der Tasche und wusste, dass ich weder Richterin noch Staatsanwältin sein möchte.“ Ulrike von Albedyll bewarb sich und wurde einen Tag später eingestellt.

Dabei sei sie völlig branchenfremd gewesen. „Ich habe als Studentin nicht einmal gekellnert.“ Stattdessen verkaufte sie Schuhe für Görtz und Klamotten für Peek & Cloppenburg und saß bei Toom an der Kasse. „Meinen allerersten Job hatte ich als 14-Jährige auf dem Tontaubenschießplatz am Höltigbaum, den mein Vater betrieb. Dort schoss ich die Tontauben in die Luft und sammelte anschließend wieder die Scherben ein.“ Für die schüchterne Schülerin des Gymnasiums Hochrad in Othmarschen eine gute Erfahrung: „Dadurch, dass ich dort immer mit vielen Leuten zusammen war, habe ich meine Schüchternheit abgelegt.“ Schüchtern? „Ja, ich habe mich ganz schön entwickelt“, sagt sie lachend.

Durch ihren Vater, der Jäger war, machte auch sie mit 17 Jahren ihren Jagdschein. „Bei uns zu Hause hingen ständig tote Tiere von der Decke, mal ein Rehbock, mal eine Ente. Die mussten gefiedert und ausgenommen werden. Das habe ich selbstverständlich mitgemacht. So richtig zur Jagd bin ich nicht gegangen, da war ein Disco-Abend im Traxx dann doch verlockender, als morgens in der Früh aufzustehen. Aber ich bin seitdem sehr naturverbunden und kenne mich, glaube ich, auch ganz gut aus.“

So gerne sie über die Alster rudert – eigentlich sei sie ja ein Elbe-Typ, wohnhaft in Groß Flottbek. Mit Hündin Maxime geht sie gern im Jenischpark spazieren oder an der Elbe joggen. „Wenn dann ein Containerschiff den Fluss entlangkommt, könnte ich jedes Mal weinen, so schön ist es.“

Ulrike von Albedyll macht Yoga, hat einen Kletterkurs belegt. Statt ihren 50. Geburtstag groß zu feiern, wanderte sie auf der Via Baltica von Lübeck nach Hamburg. Nach vielen Urlauben in luxuriösen Hotels träumt sie nun von einer Hüttenwanderung – „nur mit Rucksack, ganz spartanisch“.

So viele Ideen – diese Frau sprüht nur so vor Energie. „Ist es nicht spannend, wie man sein Leben immer wieder neu erfinden kann?“