Hamburg. Die jüngste Senatorin in der Hamburger Regirung: Was hat Fegebank sich vorgenommen? Und welche Herausforderungen warten auf sie?

Andreas Dey

Ihre Aufgabe ist nicht ganz leicht: Die neue Senatorin für Wissenschaft und Gleichstellung, Katharina Fegebank (Grüne), muss ein Politikfeld befrieden, das zuletzt sehr umstritten war und es mit teils sehr machtbewussten Hochschulpräsidenten aufnehmen. Bange ist der 38-Jährigen dennoch nicht. In ihrem ersten Interview als Senatorin kündigt sie an, einen durchgehenden Masterstudiengang für Lehramtsstudenten zu schaffen, die Hochschule per Gesetz vor einer Klageflut von Studierwilligen zu bewahren und alle Kräfte für die Wissenschaft zu bündeln.

Hamburger Abendblatt: Frau Fegebank, wie sehr haben Sie sich schon an das Amt gewöhnt und daran, mit „Frau Senatorin“ oder „Frau Bürgermeisterin“ begrüßt zu werden?

Katharina Fegebank: Das kommt so langsam bei mir an. Inhaltlich fühle ich mich gut vorbereitet – durch meine sieben Jahre als Landesvorsitzende der Grünen, meine Zeit als Bürgerschaftsabgeordnete und als Mitarbeiterin der Universität Lüneburg kenne ich die Abläufe und viele Menschen, mit denen ich jetzt zu tun habe. Aber der Rollenwechsel ist schon gewöhnungsbedürftig. Allein durch die Anrede „Senatorin“ oder „Bürgermeisterin“ wird mir jeden Tag bewusst, welche Aufgabe da auf mich wartet. Der begegne ich mit viel Respekt, aber auch mit Neugier und Tatendrang.

Es gibt hohe Erwartungen an Sie, aber auch Kritik. Der Asta der Uni befürchtet „die Fortsetzung der handelskammer-freundlichen Politik, die Hochschulen in den Dienst internationaler, profitorientierter Konkurrenz stellen zu wollen“. Zu Recht?

Fegebank: Ich habe auch hohe Erwartungen – an mich selbst, aber auch an die Hochschulen, weil ich fest davon überzeugt bin, dass das Feld der Hochschul- und Wissenschaftspolitik ein ganz entscheidender Faktor für die ­Zukunftsfähigkeit der Stadt ist.

Und was ist an dem Vorwurf des Asta dran, der ja immerhin von der Grünen Hochschulgruppe dominiert wird, dass die Wissenschaftspolitik in Hamburg zu wirtschaftsfreundlich ist?

Fegebank: Ich sehe das überhaupt nicht als Widerspruch. Hochschulbildung hat für mich drei Kernaspekte: Persönlichkeitsentwicklung, Wissensvermittlung und Berufsvorbereitung. Aber wenn ich an die Entwicklung der Stadt denke, an die Frage von Zukunftsfähigkeit und an Lösungsorientierung, brauchen wir eine viel stärkere Öffnung der Universitäten in alle Bereiche der Gesellschaft hinein, auch und vor allem in die Wirtschaft. Wenn etwa Studierende schon während des Studiums in Start-up-Ausgründungen Praxiserfahrungen sammeln und eine berufliche Perspektive entwickeln, ist das für mich nichts Negatives. Im Gegenteil: Ich sehe das als Standortvorteil in Hamburg.

Welche Schwerpunkte wollen Sie setzen?

Fegebank: Erstens wollen wir eine gute, ehrliche und offene Kommunikations- und Dialogstruktur mit den Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen pflegen. Zweitens: Wir wollen den Forschungsstandort stärken und gehen in die nächste Runde der Exzellenzinitiative für die Zeit ab 2017. Da wollen wir nach den Erfolgen in der Klima- und der Strukturforschung weitere Exzellenzcluster etablieren. Drittens ist uns die angesprochene Öffnung der Universitäten in die Gesellschaft ein wichtiges Anliegen. Und natürlich wollen wir eine qualitativ hochwertige Lehre. Die Abbrecher­quoten sollen niedriger werden, und auch im Bereich Studieren ohne Abitur und bei der Aufnahme von Studenten aus dem Ausland – Stichwort Internationalisierung – ist noch einiges möglich. Auch der Hochschulbau, in den wir bis zum Ende des Jahrzehnts als Stadt eine Milliarde Euro investieren wollen, wird eine zentrale Aufgabe.

Ihre Vorgängerin Dorothee Stapelfeldt hatte ein Strategiepapier zur Zukunft des Wissenschaftsstandorts vorgelegt, das auf viel Kritik gestoßen war. Es lag dann vor der Wahl erst einmal auf Eis. Wie geht es jetzt weiter?

Fegebank: Das gucken wir uns jetzt in Ruhe an. Ich bin ja erst seit einer Woche im Amt und muss mich erst einmal mit allen angeschobenen Prozessen vertraut machen.

Reden wir über Geld: Rot-Grün hat sich verständigt, dass Sie innerhalb von fünf Jahren 40 Millionen Euro mehr aus­geben dürfen – wofür wollen Sie das Geld einsetzen? Die Hochschulen erwarten, dass diese acht Millionen pro Jahr unter ihnen aufgeteilt werden. Wird es so ­kommen?

Fegebank: Meistens kommt es ja anders als man denkt... (lacht). Im Ernst: Wir werden jetzt sorgfältig überlegen, wie wir damit umgehen. Einfach nur das Portemonnaie aufzumachen und mit der Gießkanne über die Hochschulen zu schütten, wäre aus meiner Sicht nicht der richtige Weg.

Also sind die umstrittenen Hochschulvereinbarungen tabu, die den finanziellen Zuwachs für die Universitäten auf 0,88 Prozent pro Jahr begrenzen?

Fegebank: Wir haben verabredet, dass wir uns die Vereinbarungen nach dem Tarifabschluss im Frühjahr noch einmal angucken. Das werden wir auch machen.

Ist denn schon klar, dass diese acht Millionen Euro pro Jahr den Hochschulen zugute kommen? Oder könnte das auch in die Forschung fließen?

Fegebank: Hochschulen und Forschung sind ja kein Gegensatz.

Zum baulichen Zustand der Hoch­schulen: Wie fanden Sie es, dass Präsident Dieter Lenzen seine Universität als Ruine bezeichnet hat?

Fegebank: Solche drastischen Sätze werden oftmals bewusst genutzt, um Druck aufzubauen. Damit muss man umgehen. Wir wissen ja, dass beim Bau weiterhin etwas passieren muss. Ich würde mir aber wünschen, dass man im Umgang mit Problemen zunächst das Gespräch sucht.

Befürchten Sie, als relativ junge Senatorin von den alten Hasen in die Mangel genommen zu werden?

Fegebank: Das wird der eine oder andere vielleicht versuchen. Aber wenn ich davor Angst hätte, dürfte ich den Job nicht machen.

Vor Ihrem Amtsantritt hat die Situation im Studiengang Gesundheitswissenschaften für Schlagzeilen gesorgt, weil den Studenten kurz vor Semesterbeginn mitgeteilt wurde, dass sie ihr Studium wegen Personalmangel eventuell nicht fortsetzen können. Wie haben Sie den Fall wahrgenommen?

Fegebank:Uns muss es gelingen, einen Blick dafür zu entwickeln, wo sich ­womöglich etwas zusammenbraut. Bei der Hochschule für Musik und Theater haben wir es jetzt geschafft, innerhalb weniger Tage eine unbürokratische ­Lösung zu finden und übergangsweise Räume für die Theaterakademie in der Gaußstraße zur Verfügung zu stellen. In allererster Linie sind die Hochschulen selbst zuständig, deren Autonomie ist mir sehr wichtig. Aber wenn irgendwo Schwierigkeiten entstehen, in der Lehre, der Forschung oder für die Studierenden, würde ich mir wünschen, frühzeitig einen Hinweis zu bekommen, um an einer Lösung mitzuwirken.

Auch die Situation der Lehramts­studenten, die vielfach in Hamburg nach dem Bachelor-Abschluss keinen Master-Studienplatz bekommen, obwohl sie erst damit an die Schulen gehen können, dürfte Sie nicht zufriedenstellen.

Fegebank: Nein. Wir wollen versuchen, in Hamburg einen durchgehenden ­Masterstudiengang Lehramt einschließlich einer Bachelor-Prüfung zu entwickeln. Das könnte eine bundesweite Initiative Hamburgs sein, würde aber auch wegen des erforderlichen Akkreditierungsverfahrens in jedem Fall eine Zeitlang dauern. Bis dahin müssen wir den Übergang so gestalten, dass erfolgreiche Hamburger Bachelorabsolventen im Lehramt einen Masterstudienplatz bekommen.

Wie kann das gehen?

Fegebank: Der Weg an andere Universitäten ist Lehramtsstudenten oftmals versperrt, weil sehr viele Hochschulen in den anderen Bundesländern faktische Sonderzugangsvoraussetzungen haben. Das wäre so, als ob wir hier in Hamburg den Nachweis über zwei Semesterveranstaltungen in Plattdeutsch verlangen würden, so dass die meisten Nicht-Hamburger gar keine Chance hätten. Diesen Weg geht die Universität – in der Sache richtigerweise – bisher nicht. Aber es kann nicht sein, dass die Bachelor-Absolventen hier in Hamburg mit Studierenden aus allen anderen Ländern konkurrieren müssen, umgekehrt dort aber von vornherein keine Aussicht auf einen Studienplatz haben.

Die Hochschulen sind in großer Sorge wegen des Kapazitätsrechts, das das Oberverwaltungsgericht in Teilen für verfassungswidrig erklärt hat. Sie befürchten eine Welle von Studierenden, die sich an den Hochschulen einklagen. Wie lösen Sie das Problem?

Fegebank: Es ist tatsächlich zu befürchten, dass die Hochschulen in den nächsten beiden Semestern besonders vielen Klagen ausgesetzt sind, über Gebühr Studierende aufnehmen müssen und dann kein qualitativ hochwertiges Studium mehr gewährleisten können. Deshalb haben wir in den Koalitionsverhandlungen an einer Lösung gefeilt.

Wie sieht die aus?

Fegebank: Wir wollen jetzt zunächst sehr schnell eine erste Zwischenlösung im Interesse der Hochschulen schaffen. Das alte Kapazitätsrecht wird recht­zeitig vor Anmeldeschluss Mitte Juli wieder in Kraft gesetzt für das kommende Wintersemester und das darauffolgende Sommersemester. Das soll einer Klagewelle die Grundlage ent­ziehen, und uns die Zeit geben zu entscheiden, welchen Weg Hamburg gehen will. Wir wollen uns die verschiedenen ­Modelle ansehen, beispielsweise größere Bandbreiten, um Schwerpunkte ­setzen zu können.

Die drei Altpolitiker Klaus von Dohnanyi, Wolfgang Peiner und Ihr Parteifreund Willfried Maier haben sich ­„in Sorge um Hamburg“ gezeigt und eine ­gemeinsame Anstrengung für eine stärkere Wissenschaft in der Hansestadt ­gefordert. Was halten Sie davon?

Fegebank: Es hat ja auch weitere Initiativen in die Richtung gegeben. Als ­Oppositionspolitikerin habe ich mir einen Teil dieser Forderungen zu Eigen gemacht. Natürlich wollen wir alle, dass Hamburg nicht nur für Hafen, Michel und Musicals bekannt ist, sondern auch als Wissenschaftsmetropole. Vielleicht ist das Momentum jetzt da, diesen positiven Grundansatz aufzunehmen und alle Kräfte zu bündeln.

Die Drei haben aber nicht nur Befürchtungen geäußert, sondern ganz konkret gefordert, dass es eine Initiative unter Einbeziehung aller Bürgerschaftsfraktionen und der Wirtschaft für eine deutliche Stärkung des Wissenschaftsstand­ortes geben muss, einen Masterplan, der ehrgeiziger als bisher konkrete Ziele und Cluster benennt. Schließen Sie sich dieser Forderung an?

Fegebank: Die Wissenschaft hat große Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit der Stadt und ich bin eine große Anhängerin davon, Dinge in großen Linien zu denken. Dieser Prozess muss aber mit den Hochschulen und nicht gegen sie gestaltet werden. Es darf ihnen kein Masterplan übergestülpt werden, der nicht zu dem passt, was sie tatsächlich leisten. Bei der Bestandsaufnahme ist jede ernsthafte Analyse willkommen. Deshalb stehe ich einer solchen Idee sehr aufgeschlossen gegenüber.

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