Rocko Schamoni ist Musiker, Komponist, Autor, Filmemacher. Gründer der legendären Humorvereinigung Studio Braun. Und noch so einiges mehr. Vor Kurzem ist sein neuer Roman erschienen.
Sternschanze. Jeden Morgen verlässt er seine Wohnung, macht sich auf den drei Kilometer langen Weg in die Schanze. Setzt sich dort an seinen Schreibtisch oder an die Hammond-Orgel. Manchmal gönnt er sich eine Mittagspause in der Kneipe an der Ecke. Das eine oder andere Arbeitstreffen mit Kollegen steht an. Am Abend geht es zurück. Im Winter zu Fuß, im Sommer mit dem Rad. Klingt alles nach dem ganz normalen Tag eines ganz normalen Arbeiters. Ist es aber nicht.
Denn Rocko Schamoni ist Musiker, Komponist, Autor, Filmemacher. Gründer der legendären Humorvereinigung Studio Braun. Und noch so einiges mehr. Beginnen wir aber mit seinem aktuellen Projekt, seinem neuen Roman. Vor Kurzem ist „Fünf Löcher im Himmel“ im Piper Verlag (16,99 Euro) erschienen. Mit dieser eher nachdenklichen, wenn nicht sogar traurigen Geschichte, ist der Hamburger derzeit auf Lesungen in der ganzen Republik unterwegs. Sein Roman erzählt die Geschichte des Herumtreibers Paul, der sich am Ende seines Lebens noch einmal auf eine kleine Abenteuerreise macht, auf die Suche nach dem Sinn des Lebens. Im Gepäck hat er nichts außer seinem alten Tagebuch aus Schulzeiten.
„Bücher sind mein Medium, in dem ich mich wirklich ausdrücken kann“, sagt Schamoni über seine Werke. So könne er Stoffe verarbeiten, für die kurze Formate wie Gedichte oder Songtexte nicht ausreichten. Hier finden sich Themen wieder, die den 48-Jährigen bewegen. Und das Konzept geht auf, sein erfolgreichstes Werk „Dorfpunks“ ging rund 200.000-mal über den Ladentisch. Dabei interessieren ihnen Verkaufszahlen herzlich wenig.
„Mich stresst es, nachzuschauen, wo das aktuelle Buch gerade steht“, sagt er, und man glaubt ihm diese Gelassenheit. „Einmal im Jahr erfahre ich von den Verlagen die Details, das reicht.“ Dabei ist die Autorenschaft seine wichtigste Einnahmequelle. Wohl auch deshalb sitzt er bereits an seinem nächsten Werk. Die ersten Seiten sind geschrieben. „Ich habe eine Idee, aber ob die nachher wirklich so gedruckt wird, ist jetzt noch nicht klar“, sagt Rocko Schamoni. Nicht selten würden viele der frühen Versuche wieder im Papierkorb landen, bis endlich der fertige Roman stehe. Rund eineinhalb Jahre beschäftige ihn daher ein Buchprojekt im Durchschnitt.
Seine „Herzensangelegenheit“, wie er es nennt, ist derzeit aber eine ganz andere Idee. Schamoni ist gerade mit einem Orchester zusammen. Vergessene deutsche Popsongs nimmt er – neu arrangiert – auf. Mit dabei sind Stücke von Hildegard Knef oder Manfred Krug. Im Mai 2015 erscheint das Album, kurz danach soll es eine kleine Tournee geben. „Das ist allerdings wirklich nur eine Leidenschaft. Der Aufwand dafür ist zu groß, als dass am Ende wirklich etwas übrig bleiben würde“, sagt der 48-Jährige.
Und auch alle Fans von Studio Braun und der Band Fraktus dürfen sich freuen. Gemeinsam mit seinen alten Kollegen aus dem Komikensemble, mit Heinz Strunk und Jaques Palminger, werden derzeit neue Pläne erarbeitet. Die Idee: ein weiterer Kinofilm oder sogar eine Fernsehserie über die verrückte, aber vollkommen fiktive Band Fraktus, die vermeintlichen Erfinder des Techno. Und so finden sich die drei Freunde auch regelmäßig zu Autorentreffen ein, um an dem Manuskript zu arbeiten. „Parallel dazu entsteht eine neue Platte, die im Herbst 2015 in die Läden kommen soll“, so Rocko Schamoni. Auch eine große Tour dazu ist bereits geplant. Und damit nicht genug: Ein neues Studio-Braun-Theaterstück ist ebenfalls in Arbeit.
Bei all diesen Projekten darf eins nicht vergessen werden: Der freundliche Mann mit den mittlerweile etwas angegrauten Haaren ist ein Autodidakt. Als Teenager ging er ohne Abschluss von der Schule. Wurde in ein Jugendaufbauwerk der Heilsarmee Plön entsandt, wo er immerhin eine Ausbildung zum Töpfer beendete. Eine „echte Qual“, wie er noch heute über die drei Jahre sagt. Wohl auch um sich die langweilige Zeit ein bisschen zu versüßen, begann der junge Mann damit, Musik zu machen. Gründete eine erste Band, schrieb Songs und Texte.
„Ich habe mir das Gitarrespielen erschlossen, in dem ich die Songs im Radio gehört und sie mir dann selbst beigebracht habe“, sagt er über diese Zeit. Heute könne er mit stolz auf die Jahre zurückblicken, sagt der Vater einer erwachsenen Tochter.
Denn auch diese Zeit habe ihn zu dem gemacht, was er heute sei – unter anderem „irgendwie geschäftstüchtig“. Das zeigen zumindest zwei weitere Schamoni-Projekte, die derzeit allerdings eher nebenherlaufen. Der Hamburger ist nämlich auch Clubbesitzer und Schmuckdesigner. Da gibt es zum einen den Golden Pudel Club. Schamoni zählte zu den Gründern des im Jahr 1989 eröffneten Clubs, der heute am St.Pauli Fischmarkt zu finden ist. Übernahm ihn 2004 sogar als Erbpacht komplett. Mittlerweile ist Schamoni hier nur noch stiller Inhaber. „Das Tagesgeschäft machen andere“, sagt er.
Vor rund einem Jahr brachte er – ebenfalls eher nebenbei – eine eigene kleine, aber feine Schmuckkollektion heraus. „Scheiße by Schamoni“, entstanden in Kooperation mit dem Schmuckdesigner Jonathan Johnson, ist etwas für Fans der außergewöhnlichen Kreationen. So hat der Künstler eine Halskette entworfen mit dem eher unfeinen Wort „Scheiße“. Dazu gibt es passende Fingerringe, aber auch Ohrringe, die einen entsprechenden Haufen symbolisieren. „Ich finde das einfach lustig. Eine Art Gegenstück zu den Nora-Ketten dieser Welt“, sagt er – in Anspielung auf Thomas Anders’ berühmte Kette – über die Idee, die übrigens ebenfalls durchaus erfolgreich ist. Gerade die Ketten verkaufen sich gut, so der Künstler. Und weiter: „Aus Gold Scheiße zu machen, das ist nicht nur ein künstlerisches, sondern auch ein politisches Statement zum Stand der Dinge.“
Bei einer solchen Fülle an Projekten und Ideen muss der Tag genau durchgeplant sein. Im Hintergrund blinkt der Computer auf, ein neuer Termin wird angesagt. Ein Blick auf die Uhr, dann geht es weiter im eng durchgetakteten Tag. Bis zum Abend, wenn Schamoni sich aus seiner Künstler- oder besser Arbeitswohnung wieder auf den Weg macht zu seiner Lebensgefährtin in das gemeinsame Heim in der Innenstadt. Irgendwie ist es eben doch ein ganz normaler Arbeitstag eines ganz normalen Arbeitnehmers.