Neben seinem Restaurant leitet der Gastronom jetzt auch die kleinste Feinschmecker-Fabrik Deutschlands. Auf 38 Quadratmetern rührt und füllt die Maschine feinsten Vanillequark und cremige Salatsoßen.
Poppenbüttel. Sein Traum ist gerademal 38 Quadratmeter klein. In einem ehemaligen Lager gleich neben seinem Restaurant steht eine vollautomatische Abfüllmaschine, die bis zu 1500 Flaschen in der Stunde füllt. Heiko Stock präsentiert sie so stolz wie Jungs ihre Carrerabahn zeigen oder Mädchen ihre neueste Barbie. „Voila! Deutschlands kleinste Fabrik! Toll, oder?“
Schon mehrere Jahre lang hatte der 45-Jährige darüber nachgedacht, seine Salatsoßen und seinen Vanillequark in den Handel zu bringen. Allein, bei 70 Stunden Arbeit in der Woche fehlte die Zeit. Doch mithilfe seiner großen Patchwork-Familie schaffte Heiko Stock es nun doch, Delikatessen in Serie zu erzeugen.
Die beiden Kinder seiner Lebensgefährtin Katrin Pagelsdorf und seine eigenen packen mit an, stellen Flaschen aufs Band, packen Kartons. „Jetzt macht es richtig Spaß“, sagt Stock. Anders als in der Testphase, in der noch alles per Hand gemixt und abgefüllt wurde.
22 Edeka-Supermärkte in Hamburg bieten den „Salat Traum“ und den „Topfen-Traum“ bereits an. Enthalten sind nur frische Zutaten, was die Produkte von den industriell hergestellten unterscheidet. Dementsprechend höher fallen die Preise aus; aber Stock ist auch nicht irgendein Produzent.
„Deutschlands jüngster selbstständiger Sternekoch“
Er hat nach einer Ausbildung im Hotel Atlantic bei Eckart Witzigmann gearbeitet, war Küchenchef in Michael Wollenbergs „Marina“ und konnte sich mit 28 Jahren bereits „Deutschlands jüngster selbstständiger Sternekoch“ nennen.
Doch es war nicht alles Gold was glänzte. Ein Stern des Guide Michelin hängt zwar hübsch an der Wand, manchmal aber auch bleischwer auf den Schultern seines Trägers. Heiko Stock stemmt lieber drei Mal die Woche Gewichte im Fitnessstudio und geht weitere drei Mal zum EMS-Training, einer Stimulation mit Elektroimpulsen, als weiter dem Druck in der Sternegastronomie standzuhalten: „Früher hatte mein Restaurant einen Stern, aber es war auch etwas spießig.“
Spießigkeit im gastronomischen Sinne darf attestiert werden, wenn der Kellner einen viel teureren Anzug trägt als der Gast, die Suppe kaum wärmt und über jedem Tisch die Gedankenblase schwebt: „Kann nicht mal jemand die Musik laut aufdrehen?“ Heute ist Stock’s Fischrestaurant immer noch kein Hardrock-Café, aber seit dem Umzug von Ellerbek nach Poppenbüttel spielt der Geschmack die erste Geige und nicht mehr die Attitüde.
Vor drei Jahren ist unter dem Reetdach auch noch eine schicke Tiroler Almhütte entstanden. 100 Jahre altes Holz aus österreichischen Kuhställen wurde verbaut, echte Schaf- und Kuhfelle liegen herum. Gams-Geweihe und Kristalllüster hängen von der Decke, ein Kamin lodert. Wahrscheinlich handelt es sich um die schickste Almhütte außerhalb der Alpen, die sich Skifan Heiko Stock („Seitdem ich fünf Jahre alt bin, fahre ich jeden Winter!“) hier gegönnt hat.
Hier treffen sich HSV-Spieler
In dieser „Kaminstube“ spielen nun Männer aus dem Lech-Tal in Lederhosen und mit Quetschkommoden auf, treffen sich HSV-Spieler und werden zünftige Hochzeiten gefeiert. Klingt schon fast trendy, doch Heiko Stocks Laden ist weder in – noch Innenstadt. Das reetgedeckte Fachwerkhaus liegt so weit im Norden Hamburgs, dass eine Speisekarte in Dänisch fast sinnvoll wäre.
Aber der Weg lohnt sich. „Wie seit alten Zeiten soll dieses Haus dir Glück bereiten“ steht draußen an den Giebelbalken, und man kann sich gut vorstellen, wie Heiko Stock 2001 zum ersten Mal davorstand und diese Versprechung nach zu viel Zeit in der Küche und zu wenig für seine Familie unbedingt glauben wollte. „Ich musste etwas ändern. Als ich dieses Haus entdeckte, hatte ich Tränen vor Glück in den Augen.“ Also her mit den Taschentüchern und weg mit dem Stern, um den er sich seitdem nicht mehr bemühte.
Sitzen zwischen Goldknöpfen und Jakobsmuscheln
Im Gastraum leuchten die Goldknöpfe an Jacketts von Herren, die ihren Frauen selbstverständlich den Stuhl zurechtrücken. Daneben sitzen Golfpartner und kluge Mädchen, die ihren Eltern hier den neuen Freund vorstellen. Wer gerade gebratene Jakobsmuscheln mit Morchelsoße genießt, kann viel besser schlucken, dass der neue Lover wieder kein Arzt oder Anwalt ist. Unbedingt probieren muss man auch das California Sushi, das ohne jede Sojasoße auskommt, so geschmackvoll ist es, und das Steak zergeht auf der Zunge wie Buttermakrele.
An Stocks Handgelenk glänzt eine Rolex Daytona, die er seit 1997 Tag und Nacht trägt. Sie scheint fast etwas locker zu sitzen. 16 Kilo hat er innerhalb von drei Monaten abgenommen, indem er auf Kohlenhydrate und Laktose verzichtete. Nur für seinen Quark macht er ab und an eine Ausnahme. Derart fit kann Heiko Stock schon bald seinen zweiten großen Traum angehen beziehungsweise laufen: einen Marathon in New York.