Christian Rach löst an der Heinrich-Hertz-Schule seinen „Wetten, dass ..?“-Einsatz ein: eine Stunde Mathematik unterrichten. Beim Klassenlehrer und bei den Schülern hinterlässt Rachs Mathestunde Eindruck.
Hamburg. Es ist zehn Uhr morgens, pünktlich betritt der Lehrer die Klasse 7c der Heinrich-Hertz-Stadtteilschule am Grasweg. 90 Minuten Mathematikunterricht stehen auf dem Stundenplan. „Guuuteeen Mooooorgeeen, Heeerr Raaaach“, sagen 24 Schüler in synchroner Stimme. „Guten Morgen, mein Name ist Rach, und ich habe eine Wette verloren“, sagt der Mann, der zum ersten Mal in seinem Leben vor einer Klasse steht. „Ich gebe zu, ich bin sehr aufgeregt.“ Der Mathelehrer, der da leicht angespannt vor den Schülern steht, heißt Christian Rach und ist Fernsehkoch.
Vor vier Wochen ist der 56-Jährige in der ZDF-Show „Wetten, dass ..?“ eine Wette eingegangen. Hätte es der Kandidat Nikolai Konrad geschafft, sich 20 Zauberwürfel einzuprägen und anschließend einen zufällig ausgewählten Würfel blind zu lösen, hätte Rach die Wette gewonnen. Der Kandidat schaffte es nicht, und so löst Rach nun an der Stadtteilschule in seiner Heimat Hamburg seine Wettschuld ein: eine Mathematikstunde als Lehrer zu leiten. Rach ist ein Medienprofi. Jahrelang arbeitete er für RTL als Restauranttester. Seit Februar ist er in der ZDF-Sendung „Rach tischt auf“ zu sehen.
Nach anfänglicher Nervosität führt Rach souverän durch den Unterricht
Mit Mathematik kennt er sich aus, schließlich studierte er das Fach sechs Jahre lang an der Universität Hamburg. Beste Voraussetzungen also für zwei Schulstunden Mathe mit einer Schulklasse. Doch für Rach ist es das erste Mal, seine Nervosität ist sichtbar. Dann geht es los. „Was heißt eigentlich Mathematik?“, ist seine erste Frage an die Schüler. Schweigen. Mathelehrer Hauke Röhrs, der den Unterricht begleitet, versucht es mit der Antwort „Die Lehre der Zahlen“. Falsch. „Mathematik ist die Kunst des Lernens“, sagt Rach. Was das bedeutet, versucht der Fernsehkoch in der Folge zu demonstrieren. Rach rechnet mit den Schülern verschiedene Aufgaben. Immer mit demselben Ergebnis: acht. Die Schüler sind beeindruckt. „Sind Sie ein Zauberer?“, will ein Junge wissen. „Mathematik ist Zauberei. Sie ist magisch, sie ist schön“, sagt Rach. Diesen Satz wiederholt er immer wieder. Rach hat mehrere Rechenbeispiele mitgebracht, mit denen er die Schüler fasziniert. Kleine Tricks, die auf einfachen Formeln beruhen. „In der Mathematik kann man alles beweisen“, sagt Rach. Er fühlt sich in seiner Rolle nun sichtlich wohl. Souverän leitet er den Unterricht, als hätte er jahrelang nichts anderes gemacht. Die Schüler sind erstaunlich ruhig. „So leise ist es bei mir nie“, sagt Hauke Röhrs. Der 31-jährige Klassenlehrer lobt den Koch. „Man merkt, dass er mit Menschen umgehen kann. Zudem ist es gut, dass ein Prominenter den Schülern vermittelt, wie wichtig Mathematik ist. Das hat ein anderes Gewicht“, sagt Röhrs.
Auch bei den Schülern hinterlässt Rachs Mathestunde Eindruck. Ben und Berkay, beide 13, sitzen in der ersten Reihe der Klasse und folgen Rachs Ausführungen aufmerksam. „Er macht das cool. Das ist mal etwas anderes als der normale Matheunterricht“, sagt Ben. „Er hat uns viele Freiheiten gelassen“, sagt Berkay. In der zweiten Reihe sitzen Lara und May. Die beiden Mädchen sind selbst erstaunt, wie ruhig es in der Klasse ist. „Das ist schon aufregend“, sagt May. Ihre Freundin Lara ist überrascht, dass „ein Fernsehkoch so guten Matheunterricht machen kann“.
Das Zeugnis für Rach fällt rundum gut aus. Wenngleich er sich nicht ganz an den Lehrplan hält. Denn erst nach 60 Minuten beginnt er mit dem eigentlichen Thema: Dreisatz. Hierzu hat Klassenlehrer Röhrs eine Textaufgabe vorbereitet: Christian Rach soll ein Knuspermüsli für seine sechsköpfige Familie zubereiten. Die Zutaten werden aufgelistet. Welche Menge der Zutaten benötigt er, wenn er das Müsli für die gesamte Klasse zubereiten soll? Die Aufgabe bereitet den Schülern keine Probleme. Vielmehr interessieren sie sich nun für den Fernsehkoch Rach und verwickeln ihn in ein Gespräch. Ob er Tipps habe für ein richtig gutes Essen? Was sein Lieblingsgericht sei? Und warum er sein Mathestudium abgebrochen habe?
Die Schüler erfahren, dass Rach gerade zum ersten Mal Döner gegessen hat
Rach beantwortet geduldig jede Frage. Während seines Nebenjobs zu Unizeiten habe er gemerkt, dass „Kochen meine Erfüllung ist, nicht die Mathematik“. Und dann bekommen die Schüler noch die Information, dass Christian Rach, seit 30 Jahren Koch, am vergangenen Sonnabend zum ersten Mal in seinem Leben einen Döner gegessen hat – auf einer Geburtstagsparty.
Nach 90 Minuten verabschiedet sich Rach von den Schülern. Er bedankt sich für den Unterricht, der ihm „nicht leichtgefallen sei“. Reue, dass er sein Mathestudium nicht beendet hat und stattdessen Koch geworden ist, verspüre er nicht. „Es hat Spaß gemacht, aber ich bin eben doch lieber Koch.“