Der “NDR Talk Show“-Moderator über seine Fernsehpartnerin, Schäferhunde vor der Kamera und TV-Skandale, die keiner bemerkt.
Lokstedt. Ein Doppelinterview mit den Gastgebern der "NDR Talk Show", Barbara Schöneberger und Hubertus Meyer-Burckhardt, - das war zumindest der Plan. Barbara Schöneberger, 38, die zum zweiten Mal schwanger ist, konnte dann leider doch nicht dabei sein. Und so spricht Meyer-Burckhardt, 56, allein über die Schwangerschaftsvertretung für seine Kollegin und über Talkgäste, die er eigentlich nicht mag.
Hamburger Abendblatt: Barbara Schöneberger ist nicht da. Das wird schwangerschaftsbedingt in Zukunft länger so sein. Wie gehen Sie denn damit um?
Hubertus Meyer-Burckhardt: Ich trainiere ja jetzt schon bei diesem Interview mein einsames Leben ohne Frau Schöneberger. Das Interview war geplant zu zweit. So wie wir natürlich auch bis zum Ende unserer Leben - bis zum letzten Atemzug - gemeinsam moderieren wollten. Aber jetzt ist sie eben in dieser Schwangerschaft, und ich muss einfach - das sage ich nicht frei von Ironie - ohne sie überleben.
Wer wird Frau Schöneberger vertreten?
Meyer-Burckhardt: Ich hörte, dass man drauf vorbereitet ist. Aber ich darf es nicht sagen. Ich hatte einen Wunsch. Ich verrate aber natürlich nicht, wer der Wunsch war und warum.
Was muss die Person, die für die Komoderation der "NDR Talk Show" infrage kommt, mitbringen?
Meyer-Burckhardt: Es gibt drei Kriterien. Erstens muss man die Gäste ernst nehmen, sich selbst aber nicht wichtig. Zweitens darf man nicht vergessen, dass das eine Freitagabend-Sendung ist. Das heißt, es ist eine Sendung, die ins Wochenende führt und die nicht investigativen Journalismus zum Thema hat. Und drittens ist es wichtig, dass sich die beiden Gastgeber verstehen, damit man als Gast gerne hinkommt. Wenn Sie privat an einem Abend eingeladen sind, wollen Sie auch nicht, dass sich das Gastgeber-Ehepaar streitet.
Älterer Mann, jüngere Frau ist beim Talken oftmals eine gute Kombination.
Meyer-Burckhardt: Im privaten Leben nicht. (lacht)
Können Sie sich auch eine andere Kombination vorstellen?
Meyer-Burckhardt: Es gab alle Ideen. Wenn die drei Kriterien erfüllt sind, kann es ein Mann, eine Frau oder ein Schäferhund sein. Dann sind Geschlecht und Alter zweitrangig.
Hat Frau Schöneberger Sie in den vergangenen fünf Jahren schon oft warten lassen?
Meyer-Burckhardt: Gegenfrage: Welche Frau lässt einen nicht hin und wieder warten? Ab einem bestimmten Alter hat man ja ein paar geschlechtsspezifische Eigenschaften, und ich glaube, Pünktlichkeit ist nicht die erste Assoziation, die man hat, wenn man an Frauen denkt. Und Barbara ist in allen menschlichen Dingen sehr, sehr zuverlässig. Beim Thema Pünktlichkeit ist allerdings noch Luft nach oben.
Wozu brauchen Sie Frau Schöneberger in der Sendung denn?
Meyer-Burckhardt: Barbara Schöneberger ist der Gottschalk der neuen Generation. Extrem, extrem schlagfertig - wo die teilweise ihre Witze herholt, da knie ich vor. Und sie ist eine sehr kluge Frau. Wenn wir beide da rausgehen, bin auch ich in einer ziemlich gelösten und heiteren Stimmung. Es ist mit einer Frau wie ihr ab einem bestimmten Moment gar keine Arbeit mehr, da draußen zu sein.
Die "NDR Talk Show" gilt als Flaggschiff des NDR. Wo geht der Kurs hin?
Meyer-Burckhardt: Der Kurs geht nach wie vor dahin, ein möglichst großes Publikum freitagabends um den Fernseher zu versammeln. Und das in einer sich radikal verändernden Medienlandschaft, in der YouTube, Google und digitales Fernsehen dem Publikum unheimlich viele Alternativen bieten. Und wir müssen diese Mischung beibehalten, nach der jeder Sehnsucht hat, aber die man im privaten Kreis kaum hat: Nämlich dass man in einer Runde den Schlagersänger und den Physiker, den Politiker und den Zauberkünstler als Gäste hat.
Sie haben es bereits angesprochen: Die Medienwelt wandelt sich. Wo bleibt denn da der Wandel der Talkshow?
Meyer-Burckhardt: Also das Konzept ist, zwei Menschen fragen mehrere andere Menschen, und die antworten. Was wollen Sie daran ändern? Aber natürlich hat sich die Sendung verändert, dadurch dass sich das Klima in der Gesellschaft verändert hat. Ein ganz einfaches Beispiel: Vor 15 bis 20 Jahren waren Provokationen aus dem sexuellen Bereich auch immer gleich Skandale. Heute kann Charlotte Roche aus ihrem Buch "Feuchtgebiete" - was sie bei uns gemacht hat - auch noch die provozierendsten Stellen vorlesen, es interessiert keinen Menschen mehr. Hin und wieder sagt einer mit dem Ausdruck des Bedauerns, es gebe bei uns gar keine Skandale mehr. Doch die gibt es. Es merkt sie nur keiner.
Bedauern Sie das auch?
Meyer-Burckhardt: Es ist ambivalent. Ich begrüße es, dass die Gesellschaft nicht mehr so skandalorientiert ist. Denn das bedeutet ja auch, dass das gesellschaftliche Klima so liberal ist wie nie zuvor. Und ich bedaure es auch, weil für einen Programmmacher ein Skandal oft ganz gut ist, da sich an ihm Meinungen entzünden.
Ihr Publikum ist im Durchschnitt eher älter. Muss sich das ändern?
Meyer-Burckhardt: Die Überalterung trifft nicht nur das Fernsehen, sondern auch die Zeitungen. Wir haben in allen traditionellen Medien ein eher älteres Publikum, weil die jüngeren Leute im digitalen Bouquet rumsurfen. Ich glaube nicht, dass wir die jetzt bekommen, indem wir anfangen, uns in einer albernen Weise jugendlich darzustellen. Ich glaube aber, durch andere Verbreitungswege - zum Beispiel das Internet - werden Programme auch von jüngeren Leuten geguckt, die sich abends nicht vor den Fernseher setzen. Sie rufen die Sendungen, wann sie wollen, in der Mediathek ab.
Können Sie noch mit der neuen Medienwelt mithalten?
Meyer-Burckhardt: Absolut. Ich liebe das Internet, aber ich kaufe auch noch Bücher. Ich glaube, die große Herausforderung wird sein, den Leuten etwas beizubringen, das man Medienkompetenz nennt. Natürlich gibt es Missbrauch des Mediums Internet, aber es gab immer Missbrauch. Es gab auch früher so Leute, die 24 Stunden vor dem Fernseher saßen. Ich befürchte, dass Georg Kofler recht hatte, der vor 15 Jahren gesagt hat: "Die Medien der Zukunft machen die Klugen klüger und die Doofen doofer."
Haben Sie bei manchen Gästen das Gefühl "Ach nee, der schon wieder"?
Meyer-Burckhardt: Nein, denn es gibt eine professionelle Haltung, die Sie als Talker einnehmen müssen. Das heißt, ich freue mich auch dann auf jemanden, wenn ich mich nicht auf ihn freue. Es gibt keine schlechten Gäste. Es gibt nur schlechte Fragen und schlechte Gastgeber. Antipathie darf man Ihnen nicht anmerken - und das merkt man Ihnen dann nicht an, wenn Sie sich selber auf eine Schiene bringen, die da heißt: Ich will mich freuen.
Mal angenommen, Sie könnten eine reine Hamburger Runde machen. Wen würden Sie einladen?
Meyer-Burckhardt: Da würde ich erst mal meinen Lieblingsitaliener Sandro Convertino holen, der ein Restaurant in Winterhude hat - das La Bruschetta. Und dann sicherlich Peter Heinrich Brix, ganz zuvorderst Jil Sander, Uwe Seeler immer - ein wunderbarer Typ -, Jan Fedder, weil er so wunderbar provokativ ist, Ina Müller und Olli Dittrich. Leider ist Marius Müller-Westernhagen weggezogen, sonst würde ich ihn auch fragen. Aber ich finde, ein Italiener in der Mitte gehört rein. Und zwar einer, der Nudeln machen kann, Wein ausschenkt und dabei gute Anekdoten erzählt. Und das ist Sandro Convertino.
Gibt es so Typen, mit denen Sie besonders gut können?
Meyer-Burckhardt: Ich kann gut mit alten Damen. Männer werden im Alter bedeutungsschwanger; Frauen werden im Alter anarchisch. Wir hatten vor Jahren mal Lotti Huber - ein wunderbares Beispiel für eine solche Frau. Da könnte ich Ihnen 20 Frauen nennen, die alle über 70 und zum Totlachen unterhaltsam sind. Die wollen nicht mehr beeindrucken.
Was macht Sie zu einem Talkshow-Moderator?
Meyer-Burckhardt: So etwas können Sie nur machen, wenn Sie Menschen mögen. Ich mag Menschen bis zum Beweis des Gegenteils. Und ich finde es spannend, Menschen zu treffen. Ich will eines Tages von diesem Planeten abtreten und sagen "Es war ein gutes Leben mit weitestgehend anständigen, netten Begegnungen und einem weitestgehend anständigen Verhalten gegenüber diesen Menschen." Das wäre schon mal ein kleiner Erfolg.
"NDR Talk Show" heute um 22 Uhr im NDR Fernsehen. Die Gäste: Iris Berben, Matze Knop, Ulrich Tukur, Schlaf-Mediziner Dr. Michael Feld, Elke Heidenreich, Lena und die Kürbisbäuerin Sylvia Adolf
"Blaubeerblau", 21. November, 20.15 Uhr, ARD, ein Spiefilm von Produzent Hubertus Meyer-Burckhardt