Gerade ist die Inhaberin des traditionsreichen Geschäfts, Sabine Falkenhagen, mit mehr als 10.000 Hüten in die Schauenburger Straße umgezogen. Zu ihren Kunden gehören Roger Cicero und Udo Lindenberg.

Bürgermeister Olaf Scholz würde sie einen Elbsegler empfehlen, wenn er in ihr Geschäft käme und sich beraten ließe. „Der ist der Marinemütze ähnlich, die Helmut Schmidt trägt“, sagt Sabine Falkenhagen. Sie glaubt, dann würde Hamburgs Erster Bürgermeister „etwas kantiger“ wirken.

Doch Olaf Scholz war noch nie in dem Laden von Sabine Falkenhagen, weder im früheren in der Großen Johannisstraße noch in dem neuen in der Schauenburger Straße. Und das, obwohl das Rathaus nur einen Katzensprung entfernt liegt.

Mehr als 10.000 Hüte – vom klassischen Borsalino über den modischen Brixton bis hin zum Panamahut – stapeln sich in den Eichenregalen, die Urgroßmutter Anna Falkenhagen bei der Gründung des Geschäfts vor 98 Jahren angeschafft hatte. Sabine Falkenhagen kommt mit leichten Schritten aus dem zweiten Geschoss die Treppe heruntergelaufen, locker in T-Shirt und Jeans gekleidet.

Sabine Falkenhagen ist eine Frau, die immer siegen will

Die 50-Jährige lächelt unbefangen und schaut ihrem Gegenüber geradewegs in die Augen. Dahinter steckt ein gesundes Maß an Selbstbewusstsein, das aber zu keinem Zeitpunkt unangenehm wird. Stattdessen demonstriert die Unternehmerin eine ausgewogene Mischung aus der Fähigkeit, zuzuhören, und Meinungsfreude.

„Es ist der Erfolg, der mich antreibt“, sagt sie und fügt hinzu: „Ich bin Widder, ich muss immer gewinnen.“ Manchmal sei das lästig, räumt sie ein, aber es liege nun einmal in ihrer Natur. „Wenn ich morgens auf dem Weg zur Arbeit auf dem Rad von jemand anderem überholt werde, dann stört mich das.“

Das klingt kompromisslos, doch Sabine Falkenhagen meint es gar nicht so. Dass es ihr in ihrem Leben ausschließlich ums Geschäft gehen könnte, diese Vermutung weist sie zurück. „Meine Lust am Gewinnen hat nichts damit zu tun, jemand anderen niederzumachen“, sagt sie. „Vielmehr ist es der innere Antrieb, eine Aufgabe gut und in bester Qualität zu erledigen.“

Das erinnert an den Werbespruch des Dortmunder Fußballtrainers Jürgen Klopp, der sagte: „Ich glaube nicht daran, dass die Angst vorm Verlieren dich eher zum Sieger macht als die Lust aufs Gewinnen.“ Letztlich sei es diese Lust aufs Gewinnen, die einen Menschen stark mache.

Traditionsgeschäft in vierter Generation

Wenn sie von dem „immer gewinnen wollen“ spreche, sagt Sabine Falkenhagen, dann bedeute das in mancher Situation mehr Fluch als Segen. „Ich brauche ständig neue Herausforderungen, neue Projekte.“ Es steckt da ein „Machen wollen“ in ihr. Darüber jammern, dass eigene Wünsche nicht in Erfüllung gehen, davon hält sie wenig.

17 Jahre ist es jetzt her, dass die gelernte Kauffrau das Geschäft von ihrem Vater übernommen hat. In vierter Generation führt sie das Unternehmen mit ihrem Cousin Jens Falkenhagen. Ihre Urgroßmutter hatte den Laden 1916, in den Jahren des Ersten Weltkrieges, gegründet; seinerzeit an der Schanzenstraße.

Ein klein wenig sieht sich Sabine Falkenhagen in der Tradition ihrer Urgroßmutter, die sich nicht hat unterkriegen lassen, trotz Weltkriegs, Nachkriegsarmut und Inflation. „Ich bin in St. Pauli auf dem Kiez aufgewachsen, und meine Mutter sagte mir immer: ‚Sieh zu, dass du dein eigenes Geld verdienst.‘“ Diese Botschaft wurde zum Leitmotiv in ihrem Leben. „Ich will ich selbst sein, ohne mich in irgendeine Abhängigkeit zu begeben“, sagt Sabine Falkenhagen. Auch deshalb schlug sie zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn mehrere lukrative Jobangebote in größeren Unternehmen aus. „Da wäre ich angestellt gewesen und hätte mir was sagen lassen müssen.“

37 Jahre war Falkenhagen in der Großen Johannisstraße

Natürlich bedeutet ihre Selbstständigkeit als Unternehmerin nicht, frei von äußeren Zwängen zu sein. Da sind die Bedürfnisse der Kunden, auf die sie eingehen muss. Da ist das Kalkulieren mit Kosten und Einnahmen. Und da sind ihre vier Mitarbeiterinnen, für die sie Verantwortung trägt, auch wenn sie sagt: „Bei uns im Laden geht es eher familiär zu.“

Der Freiheitsdrang steckt tief in ihr, und Sabine Falkenhagen leidet, wenn plötzlich etwas „mit mir gemacht wird, das ich nicht beeinflussen kann“. Vor gut einem Jahr passierte genau so etwas, als ihr die Geschäftsräume in der Großen Johannisstraße gekündigt wurden. Das Haus soll abgerissen werden. „Ich fragte mich, wie es sein kann, dass andere Menschen derart massiv mein Leben bestimmen können.“

Zu der „Machtlosigkeit“ gesellte sich die Sorge, was aus ihrem Geschäft werden würde. „37 Jahre gab es unseren Laden in der Großen Johannisstraße. Das zieht man nicht weg.“ Zumal neben den Stammkunden „viele Touristen beim Schlendern durch die Innenstadt auf uns aufmerksam werden“. Und einen Hut erstehen. Knapp 10.000 Mützen, Hüte und Kappen verkauft ihr Betrieb im Jahr und macht damit einen Umsatz im sechsstelligen Bereich.

Angebot des Hutschäfts wird erweitert

Dass sie einen neuen Laden nur ein paar Hundert Meter entfernt hat finden können, beschreibt die 50-Jährige als glücklichen Umstand. Zumal der unfreiwillige Ortswechsel sich inzwischen positiv auf das Geschäft auswirkt. Statt 200 stehen der Inhaberin und ihrem Team jetzt 400 Quadratmeter zur Verfügung. Trotzdem sei es anfangs eine schwierige Situation gewesen, sagt Sabine Falkenhagen. „Ich habe selten in meinen Leben gespürt, wie eng Freiheit und Verantwortung miteinander verbunden sind – und wie sehr mich diese Einheit in der Spur hält.“

Sie hätte sich zurückziehen, jammern und anderen die Schuld geben können. „Ja, ich bin frei zu entscheiden, das war ich Ende vergangenen Jahres auch“, sagt sie. „Aber ich war mir eben auch meiner Verantwortung bewusst.“ Es half ihr, dass sie sich schon früher in schwierigen Momenten „neu auf das fokussieren konnte, was mir aus dem Schlamassel hilft“.

Konkret bedeutet das: Sie setzt konsequent ihre Pläne um, das Angebot des Hutgeschäfts zu erweitern. „Wir bauen eine Handelsvertretung weiter aus, verkaufen also noch mehr Hüte anderer Hersteller.“ Hinzu kommt die Entwicklung eines Internetshops, um ihre Hüte über Hamburg hinaus anbieten und verkaufen zu können. Das klingt heute einfacher als in mancher „schlaflosen Nacht“ vor einem Jahr.

Sabine Falkenhagen ist ihren Eltern äußerst dankbar, weil die ihr dieses Selbstvertrauen mit auf den Weg gegeben haben. „Meine Eltern waren keineswegs mit all meinen Entscheidungen einverstanden, aber sie haben mir stets signalisiert, dass ich wisse, was ich tue.“ Als sie der Liebe wegen nach Frankfurt zog, war es so. Und auch, als sie es sich in den Kopf gesetzt hatte, allein durch Venezuela zu reisen.

In Deutschland gibt es noch knapp 600 Hutläden

„Wenn die Eltern die Entscheidungen ihrer Kinder mittragen, dann gibt dir das Vertrauen in dich selbst“, sagt Sabine Falkenhagen. „Und zwar in schwierigen Situationen nicht nur Entscheidungen zu treffen, sondern diese auch umzusetzen.“ Ohne dieses elterliche „Erbe“, da ist die 50-Jährige sich sicher, wäre sie heute nicht so zufrieden – und erfolgreich.

Der am Ende wohl erfolgreiche Umzug ihres Geschäfts bestätigte Sabine Falkenhagen in ihrer Haltung, „keine Angst“ zu haben. „Die Zukunft ist nur bedingt bestimmbar, also: Warum sollte ich davor Angst haben?“ Nicht alles, was neu sei, müsse schlecht sein. „Manchmal öffnen sich dadurch neue Türen.“ Das klingt wie ein Kalenderspruch, doch Sabine Falkenhagen sagt es mit erfrischender Authentizität, sodass man es ihr abnimmt.

Zumal Angst in der Hutmacherbranche ein schlechter Begleiter wäre. Bis weit in die 60er-Jahre ging kaum ein Mann ohne Hut aus dem Haus. Dann, mit der Studentenbewegung, galt das Huttragen plötzlich als verstaubt, ja sogar als reaktionär. Deutschlandweit gibt es lediglich noch 500 bis 600 Fachgeschäfte. Zwar hat sich die Situation etwas normalisiert, doch ein Massengut wie früher ist ein Hut nicht mehr. „Die Kinder jener Leute, die Hüte als spießig ablehnten, sehen das deutlich lockerer“, sagt Sabine Falkenhagen. Zumal viele von ihnen mit Kopfbedeckungen wie Strickmütze oder Basecaps aufgewachsen seien.

Ein Hut gilt heute daher eher als exklusives Kleidungsstück, dessen Träger sich von der Masse abhebt. Vor allem unter Männern. „Wer heute einen Hut trägt, der hat den Mut, angeschaut zu werden, und ist extrovertiert“, sagt die Unternehmerin. „Er widersetzt sich bewusst dem Mainstream.“

Es verwundert daher nicht, dass es oft Künstler sind, die „Mut zum Hut“ beweisen. US-amerikanische Schauspieler wie Johnny Depp, Brad Pitt oder Robert Redford fallen einem da ein. Bei Sabine Falkenhagen lassen deutsche Künstler wie Udo Lindenberg und Roger Cicero ihre Hüte fertigen.

Ladenchefin mahct dreimal in der Woche Yoga

Die Unternehmerin erzählt das eher beiläufig. Natürlich sind prominente Kunden wichtig für das Image des Geschäfts. Dennoch bleibt es etwas Geschäftliches, das mit der eigenen Person wenig zu tun hat. Bodenständigkeit sei ihr wichtig, sagt sie, weil diese ihr helfe, „die eigene Mitte zu halten“.

Genau wie die Nähe zu ihrer Familie. Ihr Vater ist inzwischen 81 Jahre alt, ihre Mutter vor 15 Jahren gestorben. „Das kam damals ganz überraschend“, erzählt Sabine Falkenhagen. „Es hat mir gezeigt, dass ich mich schwer von Menschen verabschieden kann.“ Es habe ihr aber auch deutlich gemacht: „Man kann im Leben nichts festhalten.“

In ihrer Freizeit betreibt Sabine Falkenhagen dreimal die Woche Yoga. Dort erfuhr sie, „sich nicht mit anderen zu vergleichen“. Die 50-Jährige spricht von „Sanftmut gegenüber ihrem Selbst und gegenüber anderen“, die sie dabei gelernt habe. „Und den eigenen Frieden finden.“

Der rote Faden zieht sich durch die Stadt: Er verbindet Menschen, die einander schätzen, bewundern, überraschend finden. Sie entscheiden, an wen sie ihn weiterreichen: an andere, die hier arbeiten, Besonderes für die Stadt leisten, als Vorbild gelten. Sabine Falkenhagen bekam den Faden von Jürgen Hogeforster und gibt ihn an Klaus Neumann weiter.