Eiche, Buche, Birke: Was man vor der Kettensäge schützen muss und was man ihr opfern darf, ist zum Glaubensstreit geworden. Alexander Schuller reichert ihn mit Fakten an. Und Hamburger berichten, was ihnen mit Behörden widerfahren ist
Alle Jahre wieder Anfang März lädt der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) die Medien der Stadt zu einer besonderen Pressekonferenz zusammen: Dort wird dann von den Auswirkungen der Kettensägenmassaker berichtet, die während der offiziellen Fällsaison zwischen dem 1. Oktober und 28. Februar auf öffentlichem und privaten Grund veranstaltet wurden.
In diesem Jahr sprach der Landesgeschäftsführer des BUND, Manfred Braasch, angesichts eines „Nettoverlustes von rund 6000 Bäumen selbst bei dieser extrem konservativen Schätzung“ von einer „verheerenden Tendenz für unsere Stadt, die sich eben noch Umwelthauptstadt nannte“.
6000 Bäume – einfach weg. Das ist schlagzeilentauglich, weil zunächst eine schockierende Zahl. Und so mancher Bürger dürfte sich besorgt fragen, ob eine Versteppung der Elbmetropole droht. Die Antwort lautet: „Sicherlich nicht“, denn in Hamburg stehen zurzeit 1,853 Millionen Bäume an Straßen und Wegen, Parks sowie in Privatgärten. Und alles, was abgeholzt wird, muss nach der Hamburger Baumschutzverordnung – im Amtsdeutsch HmbBL I 791-i genannt – im Verhältnis eins zu eins nachgepflanzt respektive aufgeforstet werden. Unterstützt wird die Verordnung von diversen Landschafts- Harald Harms, Bergedorf schutzverordnungen sowie einem Hamburgischen Gesetz zur Ausführung des Bundesnaturschutzgesetzes, von dem sich vor allem Privatleute gegängelt fühlen.
Die Verordnung stammt aus dem Jahr 1948. Sie wurde kurz nach den Hungerwintern ersonnen, als die frierenden Menschen so gut wie alles Brennbare in ihre Kanonenöfen gestopft hatten. Sogar der Stadtpark war gerodet worden. Erstaunlicherweise waren jedoch viele uralte Eichen, Buchen und Kastanien stehen geblieben, vermutlich aus Gründen der Pietät, denn die Deutschen und ihre Bäume verbindet traditionsgemäß ein unzertrennbares Band.
Die Baumschutzverordnung gilt bis heute als besonders streng. Sie legt haarklein fest, was ein Baum ist, was nicht, was wann gefällt und was nicht gefällt werden darf. So gelten in Hamburg (und mittlerweile in fast allen deutschen Städten und Gemeinden) Obstbäume sowie Bäume mit weniger als 25 Zentimeter Stammdurchmesser als gar keine richtigen Bäume. Sie dürfen auch ohne besonderen Grund umgelegt werden.
Alle anderen Bäume dagegen sind geschützt, ihre Fällung muss stets beantragt und genehmigt werden. Kein privater Gartenbesitzer darf im eigenen Garten absägen, was er will, selbst, wenn ihm die Eiche eigentlich gehört oder wenn er nachträglich bauliche Veränderungen an seinem Haus vornehmen müsste, um etwa dem Wurzelwerk einer Birke mehr Platz zum Gedeihen zu schaffen. Das wäre Baumfrevel und kann im Extremfall bis zu 50.000 Euro Strafe kosten. Solche Ordnungsgelder werden angeblich von den besser verdienenden Grundstücks- und Hauskäufern entlang der Elbchaussee prophylaktisch in den Kaufpreis eingerechnet. Für ein paar Millionen Euro will man ja schließlich vom Esstisch aus runter auf die Elbe gucken und nicht auf eine grüne Wand.
Wächst ein Baum jedoch im öffentlichen Raum, genehmige sich die Behörde das Fällen selbst, heißt es unisono – unter Privatleuten, die mit der Baumschutzverordnung hadern sowie unter besorgten Bürgern, die in jedem gefällten Stadtbaum den Beginn eines apokalyptischen Kahlschlags sehen.
Spätestens jetzt befindet man sich in einem Minenfeld, aus dem es kein Entkommen gibt: Nirgendwo geraten private Interessen und das Allgemeinwohl häufiger und heftiger in einen Konflikt. Eine „Verschattung“ durch eine stolze Eiche in Nachbars Garten oder bloß grundstücksgrenzenüberragende Äste dienen nicht selten als Motiv für Auseinandersetzungen, die erst verbal, mitunter dann sogar handgreiflich und schließlich vorm Strafgericht ausgetragen werden.
Private Gartenbesitzer treten jedoch nicht nur gegeneinander an, sondern führen noch häufiger Krieg mit den Naturschutzreferaten in den Bezirksverwaltungen. Die sind als erster und zentraler Ansprechpartner für die Bürger vorgesehen, damit die übergeordneten Fachbehörden sich stärker auf „gesamtstädtische Aufgaben“ konzentrieren.
Gerhard Doobe, 59, Diplombiologe, ist „Stadtbaum-Manager“ in der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU). Sein Job ist es, die Probleme zu lösen, die den Bestand der Hamburger Straßenbäume gefährden. Er könnte sicherlich eine Menge zum Dauerbrenner „Baumschutzverordnung vs. Gartenund Hausbesitzer“ beitragen, aber das möchte er nicht. Zum einen, weil es sich nicht um seinen Zuständigkeitsbereich handelt, zum anderen, weil er es einfach nicht beurteilen kann, warum zum Beispiel der Bezirk Eimsbüttel nur zwei Prozent der privaten Fällanträge ablehnt, während es in Bergedorf 14 Prozent sind. Und zum Dritten, weil sowieso nur vage Zahlen über privaten Fällungen und Nachpflanzungen aus den Bezirken existieren. Einige Bezirke machen inzwischen überhaupt keine Angaben mehr, weil die Erfassung zu teuer und zu aufwendig sei.
Gerhard Doobe macht jedoch von vornherein klar, dass er nicht nur ein großes Verständnis für seine grünen Schützlinge, sondern auch für diejenigen Menschen habe, die im Sommer in ihren Eimsbütteler Altbauwohnungen auch tagsüber das Licht anknipsen müssen. Oder für diejenigen Autofahrer, die im Sommer eigentlich zweimal täglich in die Waschanlage fahren müssten, weil die Läuse auf den Linden ununterbrochen Honigtau auf den Lack pinkeln. „Andererseits halte ich es für unvertretbar, aufgrund von Einzelinteressen eine komplette Lindenallee abzuholzen“, sagt Doobe. Er weiß, dass ihn viele für einen Baummörder halten, andere wiederum für einen Menschenverachter. „Das hält sich die Waage.“
Er bestreitet nicht die vom BUND genannten 6000 Bäume Nettoverlust fürs vergangene Jahr. „Auf unsere 230.000 erfassten Straßenbäume bezogen entspricht die Fällquote von rund 3000 Bäumen einem Wert von unter 1,5 Prozent“, sagt Doobe, „das liegt sogar noch unter der natürlichen Abgangsquote in Wäldern. Insofern sind wir gut aufgestellt. Den Bürgern fällt es jedoch sofort ins Auge, wenn ein Baum gefällt wird. Dann rufen sie an und schimpfen.“
Doch er freue sich über so viel öffentliches Engagement. „Es zeigt mir, dass ihnen ihre grüne Stadt am Herzen liegt – mehr oder weniger“, sagt er und blickt aus seinem Bürofenster im dritten Stock der BSU hinüber zum Wilhelmsburger Inselpark, wo im Jahr zuvor die igs ihr Gastspiel gegeben hatte. „Wenn Manfred Braasch nun aber behauptet, wir hätten für die igs 5000 Bäume abgeholzt und bisher keinen Nachweis für eine Nachpflanzung in gleicher Zahl erbracht, so stimmt das nicht: Wir haben 3300 Bäume, mehr als sechs Kilometer neue Hecken und weit über 10.000 Sträucher gepflanzt, also den Verlust biologisch gut eineinhalb Mal ausgeglichen.“
Doch hier scheint das System tatsächlich unvollständig zu sein. Anders ist die von Bürgern häufig vermisste Transparenz jedenfalls nicht zu erklären. „Wenn wir 5000 Bäume aus biologischen Gründen abholzen, erscheinen sie auf Fälllisten“, erklärt Doobe, „doch die Standorte Zehntausender Bäume, die zurzeit in öffentlichen Parkanlagen nachwachsen, können wir aus Kostengründen ebenfalls zahlenmäßig nicht erfassen.“ Von einem 6000-Bäume-Defizit zu sprechen sei in diesem Fall absurd: „Denn es handelt sich um ein Mehr an Bäumen.“
Überhaupt führten seiner Meinung nach all diese Zahlenspielereien im Grunde zu nichts. „Mir wäre es lieber, wenn wir die Diskussion von der quantitativen auf die qualitative Ebene verschieben könnten“, sagt Doobe, den sie hausintern ehrfurchtsvoll „den Baumpapst“ nennen. Vermutlich weil er ständig versucht zu schlichten, zu vermitteln und bürgernah zu erklären, um Dampf aus dem Diskussionskessel zu nehmen. In der BSU ist es bekannt, dass Doobe sich – Beschimpfungen hin, Beschimpfungen her – häufig viel Zeit dafür nimmt, erregten Anrufern geduldig aufzudröseln, warum ein Baum fallen musste. Der meistgehörte Vorwurf, so Doobe, laute: „Der Stamm sah doch total gesund aus!“ Aber die Bürger sähen eben nicht die zerstörte Hauptwurzel unter der Erde, die vom Riesenporling zerfressen worden sei, einer der vielen aggressiven Pilze, die neben dem Klimawandel und den mechanischen Verletzungen, etwa durch parkende Autos, zu den schlimmsten Baumfeinden gezählt werden müssten.
„Wir versuchen grundsätzlich immer, einen Baum so lange zu erhalten, wie es geht. Nur wenn das Urteil von einem unserer knapp 30 staatlichen Baumkontrolleure irgendwann einmal ‚nicht mehr bruch- oder standsicher‘ lautet, fällen wir.“ Mitarbeiter erzählen, wie nah ihrem Chef die Schicksale mancher Bäume gehen: zum Beispiel das der wunderschönen Rosskastanie am Ferdinandstor, um deren Überleben 17 Jahre lang gerungen wurde. „Die Nachricht, dass sie gefällt wurde, ereilte mich auf einer Konferenz in München. Mir war der ganze Tag verhagelt“, sagt Doobe, „vor allem, weil mir irgendjemand überflüssigerweise dann auch noch ein Foto von der Hinrichtung geschickt hat.“
Die Kontrolleure stehen bei ihrer Tätigkeit mit einem Bein im Gefängnis. „Wenn wie vor ein paar Jahren in der Erikastraße eine 100-jährige Kastanie in einer lauen Sommernacht einfach mal so umfällt, ist es ein Glücksfall, wenn niemand zu Schaden kommt. Andernfalls wäre das kein Versicherungsfall. Und wird jemand verletzt, ermittelt sofort der Staatsanwalt wegen Fahrlässigkeit.“ Die instabile Kastanie habe aber viele Jahre durch alle Kontrollen schlüpfen können, weil sie so gesund und vital aussah.
Doobe wirkt in diesem Moment ehrlich betroffen. Und malt plötzlich ein düsteres Bild: „Solche alten Bäume sind die letzten ihrer Art, denn ein heute gepflanzter Straßenbaum besitzt eine durchschnittliche Lebenserwartung von nur noch 40, vielleicht 60 Jahren. Wenn wir wie neulich in der Herbert- Weichmann-Straße eine 200-jährige Eiche fällen, dann ist das ein unwiederbringlicher Verlust.“ Deshalb stecke man den Löwenanteil des Geldes auch strikt in die Baumpflege, was auch die Differenz zwischen Fällungen und Nachpflanzungen erklärt. Knapp 20 Euro lässt der Finanzsenator für die Baumpflege pro Baum pro Jahr springen, das ist unterm Bundesdurchschnitt, aber Doobes Ansicht nach gerade noch ausreichend.
Außerdem seien Nachpflanzungen in der „baumfeindlichen Umgebung Straße“ höchst diffizil: „Ohne hoch entwickelte Substrate wächst da nichts an“, sagt der Baumpapst. „Eine Pflanzung fängt je nach Baum bei 800 Euro an und endet bei 2500 Euro.“ Dabei würden grundsätzlich nur Bäume mit Stammdurchmessern von 18 bis 25 Zentimetern gepflanzt, die dann zwischen zehn und 15 Jahre alt seien. „Man muss auch den Vandalismus bedenken. Was nützt ein frisch gepflanztes Bäumchen, wenn man es mit einem gezielten Fußtritt zerstören kann?“ Der Jahresetat für Nachpflanzungen beträgt eine halbe Million Euro. „Aber je mehr Bäume, desto mehr Personal wird auch wieder benötigt“, sagt Doobe. Ja, ja, die Kosten. Es seien immer die Kosten.
Auch wenn die Kettensägen in städtischen Wäldern und Parks gewütet haben, klingelt sein Telefon stets besonders schrill. Dann ist das Entsetzen vieler selbst ernannter Oberförster groß. Aber die städtischen Baumexperten haben inzwischen dazugelernt: Weil jahrzehntelang versucht wurde, in den Waldparks alle Bäume zu erhalten, konnte nichts Vernünftiges nachwachsen. Unter den Bäumen herrschte eine erbitterte Kronen- und Wurzelkonkurrenz. Darüber hinaus wären sie irgendwann auf einmal verschwunden, wenn sie ihr Endalter erreicht hätten oder von einem Pilz oder Schädling befallen und krank geworden wären. „Das Ziel muss immer der Aufbau einer natürlichen Waldgesellschaft sein“, sagt Doobe, „eine Mischung aus jungen und alten Bäumen, die Schaffung von Lichtinseln, auf denen wieder Kräuter wachsen und das Bodenleben in Gang kommt.“
Doch das vielleicht gravierendste Problem für eine grüne Stadt steht bereits vor den Stadttoren: Es ist die dramatische Zunahme von bisher zum Teil unbekannten Baumkrankheiten, die sich explosionsartig ausbreiten. Wie schon in den 1920er- und 1970er-Jahren, als auf der nördlichen Halbkugel mehrere 100 Millionen Ulmen an der Holländischen Ulmenkrankheit eingegangen waren. Ursache war ein Pilz, der in seiner asiatischen Heimat ein selbstverständlicher Bestandteil des Ökosystems ist.
Heute ist die Esche von solch einer Epidemie betroffen. Auf unabsehbare Zeit werden sie im norddeutschen Raum wohl nicht mehr gepflanzt, denn auch ihre Bestände werden durch einen Pilz dahingerafft. Und Rosskastanien sehen sich neben den Malaisen mit der Miniermotte neuerdings einer extrem aggressiven Bakteriose ausgesetzt. „Die Globalisierung verhindert eine langsame biologische Anpassung“, sagt Doobe, „auch der Eichenprozessionsspinner wird uns über kurz oder lang eine siebenstellige Summe kosten, wenn er erst mal richtig loslegt.“ Die Eiche sei schließlich eine Hauptbaumart an Hamburger Straßenrändern, liege etwa gleichauf mit der Linde.
Zurzeit läuft ein deutschlandweites Versuchsprojekt, an dem neben Hamburg unter anderem auch Rostock, München, Köln, Dresden, aber auch Basel und Wien teilnehmen. Dabei werden verschiedene neue, zukunftsfähige Baumsorten für Städte getestet – unter Berücksichtigung der sich verändernden klimatischen Verhältnisse. Die Lage sei ernst, aber nicht hoffnungslos. „Und Hamburg besitzt insgesamt gesehen sowieso einen kleinen Vorteil“, sagt Gerhard Doobe, „denn hier hat man von Anfang an auf ein extrem großes Artenspektrum gesetzt. Hätte man sich dagegen auf nur drei oder vier Baumarten eingelassen, dann wäre die baumfreie Stadt vermutlich keine reine Utopie.“
Harald Vieth, Eimsbüttel
„Durch die personelle Ausdünnung in der Behörde werden die meisten Fällanträge nicht mehr genau geprüft und schlicht durchgewinkt, und die Kontrollen sind lax: Wie viele Privatleute pflanzen wirklich nach? Werden grundsätzlich alle neu gepflanzten Bäume auf öffentlichem und privatem Grund nach einigen Jahren kontrolliert? Eine Stadt ist so reich, wie ihre Bäume zahlreich sind, heißt eine alte Volksweisheit. Demnach wird Hamburg von Jahr zu Jahr deutlich ärmer!“
Harald Harms, Bergedorf
„Die genehmigungspflichtigen 25 Zentimeter Stammdurchmesser beziehen sich offenbar nur auf Einzelbäume. Ich wurde vom Naturschutzreferat angezeigt, weil ich beim ordnungsgemäßen Fällen einer Pappel den Fehler gemacht habe, drei Wurzelschößlinge dieses Baumes von 15, 17 und 18 Zentimeter Durchmesser ebenfalls zu entfernen. Schließlich musste ich vor Gericht erscheinen, weil ich eine Baumgruppe gefällt hatte. Eine Baumgruppe besteht bereits, wenn die Äste sich berühren. Das Verfahren zog sich über zwei Jahre hin – es wurde schließlich wegen eines Verfahrensfehlers eingestellt.“
Jens Sendel, Sasel
„Wir haben in den 90er-Jahren auf einer von 14 Parzellen eines ehemaligen Hamburger Liegenschaftsgrundstücks gebaut. Darauf hatte ein Obstbauer eine Gärtnerei betrieben. Unter Aufsicht des Naturschutzamtes wurden vor Baubeginn alte und kranke Bäume, vorrangig Obstbäume, Tannen und Birken gefällt. Die riesigen Amerikanischen Eichen durften nicht gefällt werden. Eine steht auf unserem Grundstück. Sie neigt sich zum Nachbarn hinüber und schwankt in der Sturmsaison bedrohlich.
Als vor zwölf Jahren in Volksdorf zwei Frauen von einem umstürzenden Baum erschlagen wurden, haben viele Leute aus dem Stadtteil Fällgenehmigungen beantragt und auch bekommen, denn das Naturschutzamt war damals sensibilisiert. Nach den letzten beiden großen Stürmen wollen auch wir ,unsere’ Eiche fällen lassen. Es geht uns dabei jedoch nicht um die Verschattung oder den Dreck, den so eine Eiche macht, sondern wir sehen eine Gefährdung – unsere Nachbarn haben sechs Kinder. Doch unser Antrag wurde abgelehnt. Der Baum sei gesund, vital und damit schutzwürdig. Gleichzeitig aber erhielten wir den Hinweis: Wir könnten selbstverständlich einen Gutachter damit beauftragen, wenn wir Zweifel an der Standfestigkeit unserer Eiche hätten. Denn wenn etwas passiert, dann seien wir als Eigentümer dafür natürlich verantwortlich. Zwei Wochen später kam dann der Gebührenbescheid über 100 Euro.
Als man die von den Stürmen umgestürzten Bäume auf öffentlichem Grund beseitigte, wurden übrigens auch gleich ein paar der Amerikanischen Eichen gefällt. Vielleicht, weil dort Blitze eingeschlagen waren, die bei unseren Nachbarn und bei uns zahlreiche elektrische und elektronische Anlagen zerstörten? Aber unsere Eiche steht noch. Bei starkem Wind wankt und schwankt sie hin und her. Wir freuen uns an ihr, aber wir sind auch froh darüber, dass noch nichts passiert ist.“
Peter Anschütz, Sasel
„Meine Oma hat schon immer gesagt, in Hamburg gebe es ein ungeschriebenes Gesetz: Wenn du einen Baum fällst, muss du zwei neue Bäume pflanzen. Was ist bloß aus diesem Gesetz geworden?“
Niels Imbeck, Wedel
„Im waldreichen Hamburger Umland sind die Baumschutzverordnungen genauso restriktiv wie in Hamburg. Auch bei uns in Wedel wird den Bürgern die Freiheit der Verfügungsgewalt von rechtmäßig erworbenem (Baum-)Eigentum per Satzung entzogen. Das hat inzwischen zu einer Zunahme von nicht stadtgerechten Bäumen geführt, die ein enormes Gefahrenpotenzial darstellen. Diese Eiche hier wird nur noch von Stahlseilen zusammengehalten – gefällt werden darf sie nicht.“
Günter Alfke, Hohenfelde
„Auf unserem Grundstück haben wir eine inzwischen riesige Linde, die Schatten wirft, das Haus verdunkelt und aufgrund ihrer Sommerbewohner – der Läuse – alles schwärzt und verklebt, was unter ihr steht oder liegt. Zweimal haben wir eine Kronenpflege bewilligt bekommen und auch durchführen lassen, und dabei gewann ich den Eindruck, dass der Baumpfleger vor jedem Ästchen, das er abschnitt, fragte, ob er denn auch der Baumschutzverordnung gehorsam wäre. Trotzdem wächst der Baum gewaltig weiter – wir würden ihn gern durch einen kleineren ersetzen. Ich frage mich, dieser behördliche Eingriff in mein Eigentum mit Artikel 14 (3) des Grundgesetzes in Einklang bringen ist oder ob mir eine Entschädigung zusteht. Zwar steht das Wohl der Allgemeinheit im Vordergrund, doch ist wuchernder Wald im Garten eines Reihenhauses wohl kaum im Interesse dieser Allgemeinheit. Hamburg ist eine Stadt und kein Flächenstaat. Bäume in einer Stadt sollten Ausnahme bleiben, große Bäume gehören nicht in Gärten, sondern in den Wald.“
Frauke Willhöft, Nienstedten
„Wir wollten im November vergangenen Jahres bauen. Dazu stellte die Baugesellschaft einen Fällantrag für eine große Zeder – die zufällig vom Sturmtief ,Christian’ umgelegt wurde. Doch das zuständige Naturschutzreferat wollte überprüfen, ob wir nicht vielleicht nachgeholfen hätten. Während dieser Besichtigung – alles klar mit der Zeder! – fiel den Herren jedoch eine Birke auf dem Nachbargrundstück auf, die grenznah wächst und durch unser Bauvorhaben gefährdet werden könnte. Die Folge: Wir mussten einen Wurzelgraben ausheben lassen (870 Euro), um zu überprüfen, ob die Wurzeln der Birke an der Stelle, wo sie unser Haus berühren würden, dicker als 1,5 cm seien (jeder große Kohlrabi hat schon eine dickere Wurzel). Natürlich waren die Birkenwurzeln dicker. Jetzt mussten wir einen neuen Bauantrag stellen (995 Euro), das Haus musste ,gedreht’ und der Balkon verkleinert werden. Hinzu kommt eine Mehrbelastung von mehreren Tausend Euro, da unser jetziges Haus bereits zum April verkauft ist, wir aber erst im Juni einziehen können und daher eine Wohnung, die wir vermieten wollten, selber nutzen müssen. Unsere Möbel müssen eingelagert werden, es sind zwei Umzüge. Mein 90-jähriger Vater hatte vorgeschlagen, die Zeder einfach umzuhauen, er hätte die eventuelle Strafe bezahlt. Wir hätten auf ihn hören sollen.“
Katharina Urbanek, Sasel
„Eine meiner Kundinnen baute 1995 ein Haus im südlichen Sasel. Sie wollte damals gerne eine Eiche fällen, um mehr Licht und mehr Sonne auf ihrem Grundstück zu haben. Dies wurde ihr verwehrt, was sie akzeptierte. Etwa sieben Jahre später zog ein neuer Nachbar ein, der im Naturschutzreferat arbeitete. Auch er fühlte sich durch die Eiche gestört. Meine Kundin bekam daraufhin die Aufforderung, den Baum zu fällen. Dies ist nur ein Beispiel aus meiner langjährigen Tätigkeit als Immobilienmaklerin. Ich bin inzwischen davon überzeugt, dass die Fällgenehmigungspraxis sehr häufig nur von Willkür der zuständigen Beamten und von anderen unberechenbaren Dingen bestimmt ist, vielleicht sogar von persönlicher Vorteilsnahme durch große Bauträger.“
Kristina Meissner, Neustadt
„Überall in der Stadt wird gebaut. Dabei wird abgeholzt, dass einem nur übel werden kann. Die zuständigen Behörden aber verhalten sich scheinheilig gegenüber den Bürgern. Warum werden Tausende von Bäumen jährlich gefällt? Wird tatsächlich nachgepflanzt? In welchem Verhältnis? Ich würde mir wirklich mehr Transparenz wünschen.“