Vor zehn Jahren wurde der Berliner Bogen als “schönstes Bürogebäude der Welt“ausgezeichnet. Er galt als Monument des Zeitgeistes, doch der Standort bleibt bis heute problematisch. Von Oliver Schirg

Wer die unscheinbare Eingangstür durchschritten hat, steht in einem futuristisch anmutenden Flur. Dieser lässt den Besucher eher an ein Raumschiff als an ein Bürogebäude denken. Der Berliner Bogen, der vor zehn Jahren auf der größten Immobilienmesse der Welt den ersten Preis für Bürogebäude - den sogenannten Immobilien-Oscar - errang, ist ein faszinierendes Gebäude.

Die ungewöhnliche Bogenform stellt eine umgekehrte Parabel dar. Drei bis zum Dach reichende Wintergärten auf jeder Seite sorgen für eine kammartige Struktur. Die Büroetagen "hängen" an 22 mächtigen Stahlbögen, die das Skelett des Gebäudes bilden und einem gläsernen Bogendach Halt bieten. Rund 30.000 Quadratmeter Bürofläche kommen zusammen - Raum für bis zu 1200 Arbeitsplätze in Büros, die an Bienenwaben erinnern.

Für den Hamburger Architekturkritiker Claas Gefroi spiegelt der Berliner Bogen den Zeitgeist um die Jahrtausendwende sehr gut wider. Die großen Glasflächen haben keine richtigen Einfassungen, sondern werden punktuell gehalten. Somit unterscheidet sich das Gebäude von der Architektur, die im Rückgriff auf Backstein an die Geschichte des Kontorhausbaus anknüpft.

Das Architekturbüro Bothe Richter Teherani (BRT), das den gegenüber dem Berliner Tor gelegenen Berliner Bogen entworfen hatte, machte große Stahl-Glas-Konstruktionen sehr früh zu seinem Thema. Das erste Gebäude mit großflächigen Glasfassaden war ein Anfang der 90er-Jahre errichtetes Autohaus am Friedrich-Ebert-Damm. "Das war wirklich etwas Neues", sagt Gefroi. Der Berliner Bogen habe diese Entwicklung weitergetrieben. Der Architekt Hadi Teherani sagte 2009 in einem Abendblatt-Interview, wir lebten heute in einer offenen Gesellschaft. "Wir müssen uns nicht hinter dunklen Fassaden aus Backstein und kleinformatigen Fenstern verstecken, denn wir wollen kommunizieren", so der Architekt.

Der Hamburger Bauhistoriker Gert Kähler sieht das Besondere des Berliner Bogens nicht nur in seiner Architektur. "Am Ende eines Kanals wurde ein Grundstück erdacht, auf dem man in dieser Bogenkonstruktion ein Bürohaus errichtete." Bevor im Jahr 1998 die Bauarbeiten für das 140 Meter lange, 70 Meter breite und 36 Meter hohe Gebäude begannen, endete dort ein Kanalbecken, das Wasser von Sturmfluten und Regenfällen aufnahm.

Jetzt befindet sich unter dem gesamten Gebäude ein Mischwasserrückhaltebecken, in dem Regen- und Schmutzwasser gesammelt wird. Wenn die Kanalisation nach kräftigem Niederschlag stark beansprucht ist, kann das "Mischwasser" in dem Becken zwischengelagert werden. Damit wird das durch den Bau verloren gegangene Speichervolumen des Kanalbeckens ausgeglichen.

Als im Jahr 2002 der Preis des Deutschen Stahlbaus an das Architekturbüro BRT ging, würdigte die Jury die städtebauliche Einbindung des Gebäudes. "Es gehörte durchaus Mut dazu, sich auf dieses Projekt einzulassen - nicht nur wegen der unwirtlichen Nachbarschaft, sondern auch, weil es eigentlich kein Baugrundstück gab", hieß es seinerzeit in der Laudatio. "Dass die Realisierung gelang, ist der besonderen Suggestivkraft schon des Entwurfs zu danken, der mit seiner solitären, klaren Bogenform an dieser Stelle so plausibel zu überzeugen wusste."

So faszinierend und technisch einzigartig der Berliner Bogen ist, als öffentliches Gebäude leidet es unter seiner Lage. Das Gebäude ist von einer Schienentrasse, die einem Bollwerk gleicht, und von mehreren mehrspurigen Straßen eingekesselt. Direkt vor dem Berliner Bogen kreuzen sich der Heidenkampsweg, die Nordkanal- und die Eiffestraße. Für Laufkundschaft ist das Gebäude nur schwer zu erreichen, und zufällig kommt man daran schon gar nicht vorbei.

Dadurch aber lässt sich das Potenzial der Wintergärten als öffentlicher Raum mit Cafés und Restaurants nicht wirklich nutzen. Stattdessen sieht es in den "Grünräumen" aus, als würden Pflanzen in mannshohen Blumentöpfen zwischengelagert. In einem Wintergarten ist achtlos ein überdimensionierter Hubwagen abgestellt. Schön wird es am Ende des Gebäudes, zum Wasser hin. Von der Terrasse aus gesehen liegt der Kanal ruhig da. Hier und da treiben Reste von Eisschollen. Im Sommer dürfte dies ein beliebter Pausenort sein.

Seit einem Jahr ist der Berliner Bogen im Besitz des Competo Bestandsfonds Plus und nach offiziell veröffentlichten Angaben zu 98 Prozent langfristig vermietet. Aktuell werden im Internet Büros zu Quadratmetermietpreisen zwischen zwölf und 13 Euro zuzüglich Nebenkosten und Steuer angeboten. Als Bürogebäude funktioniert der Berliner Bogen offenbar.

Die Chance, ein viel besuchter öffentlicher Ort zu werden, liegt in der veränderten Stadtplanung. Auf der Suche nach Grundstücken für den Bau von Wohnungen hat die Politik Hammerbrook zwar als lebenswerten Wohnstandort wiederentdeckt. Bislang werde der Stadtteil aber weiterhin als Büro- und Gewerbestandort betrachtet, sagt Gefroi. "Für ein wirklich gemischtes Quartier reichen die wenigen neuen Wohninseln nicht aus."