Hamburg. 30 Bühnen feiern den 20. Geburtstag des beliebten Events. Andreas Hofmeir lästert gegen Musikinstrumente, Harald Schmidt auf dem Kiez.

Fallen im September die ersten Blätter, öffnen am zweiten Sonnabend des Monats (fast) alle bekannten und weniger bekannten Bühnen zur Theaternacht Hamburg. Dort wird Jubiläum gefeiert, kurz darauf bläst ein Tuba-Spieler im Lustspielhaus zur Attacke, im Nochtspeicher herrscht Songwriterkunst und Country vor, beim Mendelssohn-Festival macht der Gastgeber selbst Kammermusik, in Ottensen inspiriert der Henry Purcell Chor zum Tanz, im Kunstverein steht eine Gruppenausstellung an, in St. Georg wandelt ein Hamburger Reiseschriftsteller auf Putins Spuren, und auf St. Pauli kann Alt-Zyniker Harald Schmidt im Gespräch er selbst sein.

Rund 30 Bühnen locken zum Jubiläum der Hamburger Theaternacht

Wie schnell doch zwei Jahrzehnte vergehen. Seit 2004 öffnen, bis auf die Corona-Jahre 2020 (nur digital) und 2021 (gar nicht), die großen, mittleren und kleinen hanseatischen Bühnen jeweils am zweiten September-Sonnabend ihre Türen, um die neue Spielzeit einzuläuten. Zu Hoch-Zeiten waren es bei der Theaternacht Hamburg rund 40 Bühnen. Doch auch die diesmal rund 30 beteiligten Häuser (von Allee Theater bis Theaterschiff) bieten bei der Jubiläumsauflage an diesem Sonnabend, 14. September, mehr als 200 Programmpunkte, meist im Halbstundentakt. Ob staatliche oder private – die Theater locken mit Premierenvorschauen, Aus- und Einblicken in neue Stücke und hinter die Kulissen, Führungen, Mitmachaktionen und Künstlergesprächen. Elf Theater (u. a. Fundus und Hoheluftschiff) zeigen bereits am Nachmittag ein Familienprogramm. Im normalen Eintrittspreis enthalten ist die Nutzung der vier Shuttle-Bus-Linien und der Besuch der Aftershowparty im Schauspielhaus. str

20 Jahre Theaternacht Hamburg Sa 14.9. Familienprogramm 15.00–19.00 auf elf Bühnen, Abendprogramm 19.00–1.00 in rund 30 Bühnen, Aftershowparty ab 23.30, Deutsches Schauspielhaus (U/S Hbf.), Karten zu 18,- bzw. 20,- (Ak.)/ erm. 13,- (U 30 J.), Familienticket (1 Erw. + bis zu 4 Kinder) 10,- gültig nur von 15.00-19.00; www.theaternacht-hamburg.org

Craig Finn gründete vor 20 Jahren die Indie-Lieblinge The Hold Steady, veröffentlichte aber auch fünf Solo-Alben.
Craig Finn gründete vor 20 Jahren die Indie-Lieblinge The Hold Steady, veröffentlichte aber auch fünf Solo-Alben. © Craig Finn | Craig Finn

Großartige Nordamerikanische Songwriterkunst im Nochtspeicher

Kurz vor Beginn des Reeperbahn Festivals füllen manche Clubs noch die Kühlschränke auf, prüfen das Putzlicht oder löten an Kabelbäumen. Im Nochtspeicher allerdings ist man am 16. September im Routinemodus, wenn auch mit deutlicher Begeisterung für alternative wie klassische US-amerikanische Songwriterkunst. Zu Gast auf dem Kiez ist Craig Finn von The Hold Steady mit seinem aktuellen fünften Solo-Album „A Legacy Of Rentals“ (2022). Begleitet wird er von der in ihrer Heimat Kanada (und nicht nur dort) heftig verehrten Alternative-Country-Künstlerin Kathleen Edwards. So geht Montag. tl

Craig Finn, Kathleen Edwards Mo 16.9., 20.00, Nochtspeicher (S Reeperbahn, Bus 111), Bernhard-Nocht-Straße 69a, Karten zu 32,80 im Vorverkauf; www.nochtspeicher.de

Andreas Hofmeir und Barbara Schmelz präsentieren im Lustspielhaus eine „hundsgemeine Instrumentenkunde“.
Andreas Hofmeir und Barbara Schmelz präsentieren im Lustspielhaus eine „hundsgemeine Instrumentenkunde“. © Andreas Hofmeir & Barbara Schmelz | Andreas Hofmeir & Barbara Schmelz

Andreas Hofmeir bläst auf der Tuba zur Attacke gegen andere Instrumente

Bassisten sind es gewohnt, von anderen Musikern (Schlagzeuger, Gitarristen) veralbert zu werden. Tuba-Spieler sind da empfindlicher, sie haben halt schwer an ihrem Schicksal zu tragen. Deswegen hat Andreas Hofmeir, bis 2014 an der Tuba bei den bayerischen Blasmusik-Punkern LaBrassBanda, im Gedichtband „Hundsgemeine Instrumentenkunde“ 38 andere Instrumente von der Geige bis zur Pauke ins Schmähvisier genommen. Am 16. September spielt und rezitiert er begleitet von Pianistin Barbara Schmelz im Lustspielhaus gegen den Rest des Orchesters. Versprochen wird eine „konzertante Aneignung, eine musikalische Frechheit“. tl

Andreas Hofmeir und Barbara Schmelz Mo 16.9., 20.00, Alma Hoppes Lustspielhaus (U Hudtwalckerstraße), Ludolfstraße 53, Karten ab 36,75 im Vorverkauf; www.almahoppe.de

Früher Kabarettist und Fernsehzyniker, heute ein altgedienter Unterhalter: Harald Schmidt (67) gastiert im St. Pauli Theater.
Früher Kabarettist und Fernsehzyniker, heute ein altgedienter Unterhalter: Harald Schmidt (67) gastiert im St. Pauli Theater. © picture alliance / Geisler-Fotopress | Sebastian Gabsch/Geisler-Fotopre

Schmidt is back: Landgang für den Kreuzfahrtdirektor

Einst bezeichnete sich Harald Schmidt gern selbst als „Dirty Harry“, in dieser Woche hat der frühere Kabarettist und Fernsehmoderator, der zuletzt auf dem ZDF-„Traumschiff“ als Kreuzfahrtdirektor Oskar Schifferle um die halbe Welt schipperte, Landgang auf dem Kiez. Was hat der TV-Rentner (67), den die Hamburger Lästerzunge Henning Venske Ende der 90er als „Leo Kirchs rassistischen Pointen-Kellner“ verspottete, als er in seiner Sat.1-„Harald-Schmidt Show“ reihenweise Polenwitze riss, heute noch zu sagen? Antworten gibt es vom Mann aus dem schwäbischen Nürtingen am 17. September im St. Pauli Theater, wenn er dort mit der Ex-ARD-Moderatorin und Buchautorin Bernadette Schoog gastiert. Ein Talk-Abend, der von ernsthaft-analytisch bis zu politisch unkorrekt reichen könnte. str

„Schmidt, Schoog, Schampus“ Di 17.9., 19.30, St. Pauli Theater (S Reeperbahn), Spielbudenplatz 29/30, Karten zu 34,- bis 44,- unter T. 040/47 11 06 66; www.st-pauli-theater.de

Das Mendelssohn-Festival bindet einen Blumenstrauß an Kammermusik

Die Geigerin Joanna Kamenarska spielt mit dem Moses Mendelssohn Kammerorchester das Violinkonzert von Ferdinand David.
Die Geigerin Joanna Kamenarska spielt mit dem Moses Mendelssohn Kammerorchester das Violinkonzert von Ferdinand David. © Evelina Kislych | Evelina Kislych

Jeden September führt das International Mendelssohn Festival vor, dass Kammermusik viel mehr zu bieten hat als „nur“ die Königsdisziplin Streichquartett. Unter der Überschrift „Canzonetta“ ist am Mittwoch (18.9.) in St. Johannis-Harvestehude außer einem reinrassigen Streichquartett – das Talich Quartett führt Mendelssohns Jugendwerk Es-Dur op. 12 auf – ein weiteres Quartett zu erleben: Gastgeber Niklas Schmidt spielt mit drei Kollegen die „Sonata a quattro Violoncelli“ von Aulis Sallinen aus dem Jahr 2019. Außerdem dirigiert Clemens Malich das Moses Mendelssohn Kammerorchester. Denn was sollte ein Kammerorchester spielen, wenn nicht Kammermusik? vfz

„Canzonetta“ Mi 18.9., 19.30, St. Johannis-Harvestehude (U Hallerstraße, Bus 15, 19), Heimhuder Str. 92, Karten zu 11,- bis 39,- unter T. 040/35 76 66 66 oder www.endelssohn-festival.com

Ausstellung: Land und Böden als Ressource und Kulturträger in der Kunst

Die neunte documenta sei eine „documenta der Orte, ihre Topografie ist das alles tragende Gerüst“, schrieb ihr künstlerischer Leiter Jan Hoet 1992 in der Einleitung zum Katalog. Die Ausstellung gilt bis heute als die populärste; zum ersten Mal waren die Künstler direkt beteiligt am Entstehen. Vor allem die Verortung der jeweiligen Kunstwerke und der sich dabei entspinnende Dialog von Standort und Werk wurden in dieser unhierarchischen Zusammenarbeit diskutiert. Der Kunstverein in Hamburg greift diesen Fokus erneut auf: Vor dem Hintergrund der Wiedervereinigung, einer beschleunigten Informationsökonomie und aufkommender Multiperspektivität versucht die Gruppenausstellung „In and Out of Place. Land after Information 1992–2024“ historische und gegenwärtige Positionen aus dem sich auflösenden Verhältnis von Peripherie und Zentrum in Dialog zu setzen. vfe

„In and Out of Place. Land after Information 1992–2024“ Di–Fr 12.00–18.00, jeder 1. Do im Monat 12.00–21.00, Sa/So 11.00–18.00, bis 12.1.2025, Kunstverein in Hamburg (U Steinstraße), Klosterwall 23, Eintritt 5,-/3,- (erm.); www.kunstverein.de

Henry Purcell mal anders: Festliches Barockkonzert mit Tänzerin

Er bekam den Ehrentitel „Orpheus britannicus“ und galt schon zu Lebzeiten Ende des 17. Jahrhunderts als der bedeutendste englische Komponist des Barock: Henry Purcell. An diesem Sonnabend (14.9.) widmet sich der rund 40 Stimmen starke Henry Purcell Chor Hamburg (Leitung: Steffen Wolf) nach zuvor Werken wie „Dido“ und „King Arthur“ in der Kreuzkirche Ottensen dem „Gloria“ von Vivaldi in Kombination mit Werken von Rameau und natürlich Purcell. Das Besondere: Das Alte-Musik-Orchester Concerto Hamburg spielt dazu auf Originalinstrumenten, und Tänzerin Lara Hahnel hat eigens eine Choreografie entwickelt. str

Henry Purcell Chor Hamburg mit Werken von Vivaldi, Rameau und Purcell Sa 14.9., 19.00, Kreuzkirche Ottensen (Bus 15), Hohenzollernring 78a, Eintritt frei, Spenden erbeten

Wenn der Gastmann weiter reist, wird‘s auch gefährlich

Vor gut 20 Jahren machte Dennis Gastmann, geboren 1978 in Osnabrück, nach seinem Volontariat beim NDR zunächst pfiffige Reportagen für die Magazine „extra 3“ und „Zapp“. Seit der Wahlhamburger seine mehrjährige interaktive Dokumentar-Fernsehreihe „Mit 80.000 Fragen um die Welt“ 2011 auch als Reportage-Band veröffentlicht hat, hat sich Gastmann der Schriftstellerei verschrieben, meist mit Reisen und Abenteuern, gern emotionalisiert und bewusst übertrieben, zuletzt in seinem Romandebüt „Dalee“. Sein neues literarisches Reisebuch „Der blaue Lampion – Stories von unterwegs“, das er diesen Sonntag im Centralkomitee vorstellt, führte den Bestsellerautor bis zu Putins ehemaliger Grundschule nach Sankt Petersburg, an der Kinder beim „patriotischen Unterricht“ lernen (müssen), Kalaschnikows zu bedienen. Dort geriet Gastmann in die Fänge des russischen Geheimdienstes. str

Dennis Gastmann: „Der blaue Lampion. Stories von unterwegs“ So 15.9., 20.00, Centralkomitee (U Lohmühlenstraße), Steindamm 45, Karten zu 22,- unter www.centralkomitee.de