Hamburg. In den Hamburger Kammerspielen feiert ein Beziehungsmusical Premiere. Ein Zweipersonen-Stück mit Carolin Fortenbacher und Tim Grobe.

  • „Die letzten fünf Jahre“ erzählt die Geschichte eines Paares in 14 Liedern
  • Carolin Fortenbacher und Tim Grobe singen und spielen die beiden Rollen
  • Manch antiquiertes Rollenbild ist etwas befremdlich

Ein Musical der eher ungewöhnlichen Art, eine Beziehungsgeschichte, die man so erzählt selten sieht. Denn: Am Anfang ist diese Liebe bereits am Ende. Er geht durch die Tür, sie, noch im Nachthemd, findet seinen auf Manuskript-Papier gekritzelten Abschiedsbrief. Und noch denkt man: Ach, musste das denn sein? Doch bald dämmert es, dass diesem Paar keine weitere Zukunft beschieden ist – und vielleicht ist das sogar ganz gut so.

Regisseur Dominique Schnizer konzentriert sich anlässlich der Premiere des Kammermusicals „Die letzten fünf Jahre“ von Jason Robert Brown an den Hamburger Kammerspielen auf das Wesentliche. Einige etwas wild arrangierte Stühle, eine Leiter, ein Tisch, eine Diskokugel für Lichteffekte (Bühne und Kostüme: Christin Treunert). Hin und wieder kommt ein Blätterwald oder ein Fluss per Video hinzu. Ohnehin dominieren der Flügel und das später bespielte Klavier, dem der musikalische Leiter Markus Syperek lebensfrohe, aber auch intime, zartbittere Melodien entlockt.

Kammerspiele: Mühsames Durchkneten von Gefühlswelten, aber stark gespielt

Jason Robert Brown gilt mit seinem Stück „Die letzten fünf Jahre“ – 2001 in Chicago uraufgeführt, ein Jahr später zog es an den Off-Broadway – als Vertreter einer neuen Musical-Schule. Das liegt vor allem daran, dass er sich hier eines ungewöhnlichen Kunstgriffs bedient: Das Stück erzählt mit nur wenigen Dialogen die Geschichte dieses Paares als eine Folge von 14 Liedern.

Wobei Tim Grobes James „Jamie“ Wellersteen beim Kennenlernen beginnt, bei den großen Gefühlen, die eine und Einzige – er nennt sie „Meine Göttin“ – wirklich gefunden zu haben. Während Carolin Fortenbachers Catherine „Cathy“ Hiatt die Jahre im Geiste noch einmal rückwärtsgeht, von den ersten Rissen bis zur Verliebtheit. In der Mitte begegnen sie einander anlässlich der Hochzeit im größten Glück einmal kurz auf Augenhöhe.

Doch die meiste Zeit bleibt jeder mit seinen Gedanken für sich, und dieses Prinzip setzt sich in der Inszenierung fort. Tim Grobe gibt den jüdischen Erfolgsschriftsteller Jamie: Hüfte schwenkend, selbstbewusst, risikofreudig, auch unangenehm eitel, ein Mann immer „Volldampf voraus“. Die Konflikte nehmen zu, als Cathys Karriere am Theater stockt und sie sich von einem trostlosen Vorsprechen in der Provinz zum nächsten hangelt. Entfremdung stellt sich ein, die Raum für Misstrauen und Verrat schafft. Fortenbacher verleiht Cathy einen wohltuenden erdverbundenen Humor, auch wenn sie demütigende Gespräche mit potenziellen Regisseuren führen muss.

„Die letzten fünf Jahre“: Manch romantisch-kitschiges Lied ist verzichtbar

Bald gerät nicht nur die Ehe, sondern auch das Stück in eine Schieflage. Musical-Lieder müssen nicht allzu tiefschürfend sein, dieses Kammermusical will jedoch mehr, es möchte ein Beziehungsende berührend erzählen. Allerdings wirkt es wenig glaubhaft, wenn Catherine in „Ich bin Teil davon“ singt „Und er erschafft/Die Welt, die uns umgibt“ und sich in der Beziehung mit dem Erfolgsautor scheinbar erst als Ganzheit empfindet. Damit einher geht manch verzichtbares romantisch-kitschiges Lied.

Mehr Hamburg-Kultur

Zum Glück gibt es aber auch die anderen, lebhaften, mal dem Swing mal dem Soul huldigenden Songs wie „Das Lied von Schmuel“ oder „Ich komme voran“. Fortenbacher trifft zielsicher alle Zwischentöne ihrer Figur und singt die komplex komponierten, souverän arrangierten Lieder virtuos. Auch Tim Grobe macht seine Sache gut und gewinnt vor allem den Spielszenen starke Momente ab. Es sind am Ende die Performenden und die Songs, die den Abend tragen, weniger das etwas mühsame Durchkneten der Gefühlswelten und die befremdlichen Rollenbilder.

„Die letzten fünf Jahre“ weitere Vorstellungen bis 21. September, Hamburger Kammerspiele, Hartungstraße 9-11, Karten unter T. 413 34 40; www.hamburger-kammerspiele.de