Hamburg. Der Berliner Sänger und 3000 Fans genossen beste Sommerstimmung und halbierte Brezelpreise. Das Fazit passt auf eine Urlaubspostkarte.
Keine Ahnung, was Álvaro Soler da am Dienstag in der Park Arena auf der Bahrenfelder Trabrennbahn singt. „Las cuatro paredes de nuestro hogar. No eran suficientes para aguantar” oder so ähnlich. Irgendwas mit den vier Wänden daheim, in denen es nicht auszuhalten ist. Man muss aber auch kein Spanisch sprechen können bei den Konzerten des in Barcelona geborenen Wahlberliners. „Hallo Hamburg, vamonos!“
Denn das versteht sich alles von selbst bei seiner Show: Alles muss raus bei für Hamburger Verhältnisse bei mediterranem Wetter, Orange-Spritz an der Bar und Solers Liedern. „¡Ay-ay-ay-ay!“ Auf geht‘s. „Ja, wir feiern zusammen, hier sind wir alle unter derselben Sonne“, spuckt der Google-Translator für den Song „El mismo sol“ aus.
Álvaro Soler wurde in einer spanischen Castingshow entdeckt
Da ist schon was dran an dem Text seiner Debütsingle von 2015, die der anwesende Hit-Produzent Alexander „Ali“ Zuckowski ihm mit Juli-Gitarrist Simon Triebel auf den Leib schrieb. Ob die Sonne in Deutschland, Italien, Spanien oder Polen scheint, der in einer spanischen Castingshow entdeckte Sänger lässt die Menschen europaweit feiern. Hierzulande schaffte er es mit allen drei Alben, „Eterno Agosto“ (2015), „Mar De Colores“ (2018) und „Magia“ (2021) in die Top Ten. Natürlich auch mithilfe des Karriere-Katapults „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert“.
Viele Fernsehabend-Familien („Ich sehe viele Kids heute in Hamburg. Jetzt singt nur ihr!“) sind zum Neu-Vater gekommen, aber man hat trotzdem viel Platz zum Tanzen in der Park Arena. Das ist ein nur für die Konzerte von Nina Chuba am vergangenen Sonntag und für Álvaro Soler aufgebautes Areal neben der eigentlichen großen „Kultursommer“-Bühne, auf der Jan Delay, Deichkind und SDP spielen. Statt 25.000 haben nur 5000 Fans in der Park Arena Platz.
Álvaro Soler hätte auch im Stadtpark auftreten können
Bei Soler sind noch weniger da, die 3000 hätten auch im Stadtpark reingepasst, mit schöner Hecke und festen WCs statt Bauzäunen, „Winterzauber“-Zelten (kicher) und Plumpsklos. Aber: Die Brezelpreise fallen von 6 Euro bei Nina Chuba auf die Hälfte. Wirklich alles muss raus. Und fairerweise muss man auch erwähnen, dass Soler für Fat Freddy’s Drop, die in den Dezember ins Docks verlegt wurden, in das „Kultursommer“-Programm nachrückte.
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Aber der Joker trifft. Álvaro an Gitarre und Keyboard und seine siebenköpfige Band legen sich von „Candela“ und „La Libertad“ über „Te Imaginaba“ bis „Alma De Luz“ ins Zeug wie vor 30.000 und breiten ihren Teppich aus Ibero-Pop, Reggae, Ska und Italo-Disco mit englischsprachigen Surfrock-Anleihen („Manila“) über dem mitgenommenen Rasen aus. Akustik-Set, Mitsingspiele, dick aufgetragene Ansagen („Hamburg ist wie Barcelona“), Armgymnastik - all inclusive.
„Habt ihr Bock auf Party?“, fragt Soler unter abhebenden Urlaubsfliegern und kennt die Antwort. Hinsetzen und Aufspringen bei „Agosto“, Alvaros Bruder Greg als Gast bei „Diferente“, ein rockendes „Para Vivirla“ und die Salsa-Sause „Déjala Que Baile“ lockern die Gelenke für das Finale nach 100 Minuten mit „Sofia“. Das Fazit passt auf eine typisch deutsche Urlaubspostkarte: Wetter super, Show und Sänger sehr nett. Bitte Blumen gießen und das Abendblatt aufbewahren. Liebe Grüße aus Bahrenfeld.