Hamburg. Die ewige Wunderkerzen-Band spielte das erste von zwei Stadtparkkonzerten und machte die Leute happy. Besonders einer ließ sich feiern.

Die da vorne auf der Bühne, die haben in den vergangenen Jahrzehnten Bands kommen und gehen sehen. „Wir sind immer noch da“, sang Hartmut Engler mit Pur am Sonnabend im Stadtpark gleich zu Anfang des Konzerts – das nennt man ein Statement.

In Hamburg ist Engler, Bietigheim-Bissingens berühmtester Popexport, gern gesehen. Zwei Pur-Konzerte waren terminiert, das zweite am Sonntag: auch noch an den goldenen Wochenendterminen. Pur-Fan müsste man sein. Dann würde man auch die neueren Stücke der einst massiv erfolgreichen süddeutschen Band kennen, die früher auf dem Zeitgeist vorneweg surfte und Kult, Kitsch und Coolness vereinte. Okay, guter Stabreim, aber eine der drei Zuschreibungen ist glatt gelogen.

Pur in Hamburg: Cool waren sie nie, die Menschen lieben sie auch deswegen

Cool wollten Engler und Co. nämlich nie sein, Ironie war ihnen auch eher fremd. Auch dafür liebte man sie in den dauerironischen 90ern. Zu ihrer größten Tournee kam damals eine Million Menschen. Das war ein Maß an Popularität, das auch seither kaum ein deutscher Interpret erreicht hat.

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Im Stadtpark versammelte sich eine freundliche, längst nicht nur (auch 30-Jährige lieben Pur), aber zumeist mit der Band gealterte Zuhörerschaft, die auch den neuen Stücken („Persönlich“) schunkelbereit begegnete. Pur-Fans, das sind die, die in den 90ern nicht auf die Loveparade gingen, sondern zu Open-Air-Konzerten einer Band, die das Herz immer am rechten Fleck hatte. Engler appellierte in Hamburg und in einer Zeit, die auch anderes kennt, an Mitmenschlichkeit und Solidarität. Danach spielte die Band „Bitte lieber Gott“, Worte zum Sonntag waren es vielleicht, aber oft genug sagen kann man sie nie.

Pur in Hamburg: Die Wunderkerzenband für alle

In jenen 90ern liefen die Pur-Hits vor allem beim  SWR, SDR und SWF  in schwerer Rotation, es gab kein Entkommen. So schlimm war‘s im Nachhinein natürlich gar nicht. Pur war die Wunderkerzen-Band für alle.

„Seiltänzertraum“, „Drachen sollen fliegen“, „Prinzessin“: Nahbarkeit und Poesiekalendererbauung waren immer die Grundpfeiler der Pur-Programms, und dass diese Oldies aus der guten Zeit immer noch sehr gerne gehört werden, offenbarte sich nun mal wieder im Stadtpark. Textsicher waren die meisten. Da brauchte es die entschiedene Ermunterung von Engler meist gar nicht. Dessen Bühnengesten waren in besten Zeiten an ein richtig großes Publikum adressiert. Das kleine im Stadtpark feierte den 62-Jährigen derweil auch ziemlich engagiert.

Pur und Harmut Engler im Stadtpark: Bombast und Gitarrensoli

Die Band, die halt jetzt auch schon knapp ein halbes Jahrhundert(!) Zeit hatte, sich einzuspielen, manövrierte im Stadtpark sicher durchs Pur-Werk und sparte dabei nicht an Synthiebombast und Gitarrensoli. Warteten die Leute auf „Abenteuerland“? Aber sicher. Bekamen sie auch „Funkelperlenaugen“ und „Ich hab Dich lieb (egal, wie das klingt)“? Logo. 

Pur
Hartmut Engler trat mit seiner Band Pur im Stadtpark auf. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Das ewigjunge „Hör gut zu“ kam schon im ersten Konzertteil und da am besten an. Es wurde besondrs leidenschaftlich mitgesungen. Liebeslieder sind halt Evergreens. Als Geschichtenerzähler war Engler nie besser als in seiner Mutter-Hommage „Wenn sie diesen Tango hört“, da hatten viele Gänsehaut. Die Band legte es auch im Stadtpark auf Emotionen an. Das Erfolgsgeheimnis von Pur? Menschen berühren. Ohne zweite Ebene.

Pur ist wie Taylor Swift, aber halt mit Hartmut Engler

Und, in dieser Hamburger Woche der Popmusik muss halt auch mal ein völlig schiefer Vergleich her: Die Menschen im Stadtpark sahen genau wie die ein paar Tage vorher im Volksparkstadion ziemlich glücklich aus. Sicher nicht ganz so euphorisch und gehyped. Pur ist wie Taylor Swift, aber halt mit Hartmut Engler.

Im Stadtpark gab es puren Fanservice mit vielen Hits und Medley inklusive „Indianer“ und „Wenn du da bist“. Da blieben keine Wünsche offen. Spötter mögen die Songs der Baden-Württemberger „harmlos“ nennen, Hater von einer „musikalischen Terrorgruppe“ sprechen (also bitte!). Allen anderen gehen sie zu Herzen und in die Hüften. Das ist nicht wenig.

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