Hamburg. ... und gar nicht sinnlos. Sieben Tipps abseits großer Säle: im Gewerbegebiet, einem Ottenser Hinterhof und mehr. Für den Sommer und danach.

Sommer! Also: Ferien, Eiscreme und Strandleben statt klassischer Konzerte, denn die Elbphilharmonie ist bis zum 18. August geschlossen. Aber Moment, das ist ein bisschen kurz gesprungen. Auch wenn man, was die öffentliche Wahrnehmung angeht, bisweilen durchaus auf die Idee kommen könnte, dass Elbphilharmonie und klassische Musik ein und dasselbe sind: Stimmt nicht! Die Sommerpause ist eine prima Gelegenheit, sich daran zu erinnern oder auch neu zu entdecken, was die Stadt noch alles an Konzertorten zu bieten hat. Da ist nämlich für viele Geschmäcker etwas dabei. Eine kleine Auswahl haben wir hier zusammengetragen. 

Blind Date für Tastenfans

Für Tastenfans sind die Veranstaltungen der Klangmanufaktur ein echter Geheimtipp. Gut versteckt im Gewerbegebiet zwischen Hauptbahnhof und Landesbetrieb Verkehr liegt das kleine Unternehmen, das eine wahre Marktlücke für sich entdeckt hat: Oliver Greinus, lange Jahre als Klavierbauer bei Steinway tätig, hat dort mit Kollegen eine eigene Werkstatt eröffnet. Ihr Anspruch: gebrauchten bis richtig alten Steinway-Flügeln neues Leben einhauchen.

Anders als Streichinstrumente werden Flügel nämlich oft als Verbrauchsgegenstände angesehen, weil sie so großen mechanischen Belastungen ausgesetzt sind. Die Überzeugungstäter von der Klangmanufaktur generalüberholen die Instrumente nach allen Regeln der Kunst; sie sollen dann sogar besser klingen als vorher. Individueller, feiner eingestellt. Wer will, kann sich mit eigenen Ohren davon überzeugen: Jeden ersten Donnerstag im Monat findet ein Werkstattkonzert der Reihe „Kohärenzen“ statt. Programm und Mitwirkende? Streng geheim. Da hilft nur hingehen.

Klangmanufaktur (Bus 160 Wendenstr.), Wendenstr. 255. Nächste Veranstaltung: „Kohärenzen“ Do 1.8., 20.00, Eintritt frei, Spenden erbeten; Anmeldung unter www.klangmanufaktur.de  

Klassik trifft Klub

Klassik hier, Pop und Rock da und dazwischen gar nichts? Wer diese Schubladen immer noch im Kopf hat, kennt den resonanzraum St. Pauli nicht. Der verbindet mühelos feinste Konzertsaalakustik mit kiezgerechter Street Credibility. Im Bunker Feldstraße, derzeit in aller Munde als grüner Bunker, wohnt das Ensemble Resonanz. Na ja, fast. Jedenfalls arbeitet es dort – und öffnet sich gezielt für die Umgebung. Mit öffentlichen Proben und Programmen, die sich über die überbrachten Genregrenzen fröhlich hinwegsetzen.

Flaggschiff der dortigen Aktivitäten (wenn das Ensemble nicht gerade in der Elbphilharmonie spielt oder auf Tournee geht) ist die Reihe „urban string“, bei der jeden Monat Kammermusik auf elektronische Kunst trifft. Und weil sich längst herumgesprochen hat, wie cool der Raum ist und wie toll er klingt, lässt das Ensemble Resonanz auch andere Veranstaltungen in sein Wohnzimmer.

resonanzraum St. Pauli (U Feldstraße), Feldstr. 66. Infos und Tickets unter www.resonanzraum.club

Feine Adresse für den Jazz

Der Jazz, die hohe Kunst des Aufeinanderhörens und Miteinanderschwingens, ist etwas für Feinschmecker. Die Jazz-Szene aber lebt – womöglich genau wegen dieses künstlerischen Anspruchs – oft von der Hand in den Mund. Vor drei Jahren nun hat das Genre hat in der Musikhochschule eine standesgemäße Location gefunden. Da hat am Ufer der Außenalster mit tatkräftiger Unterstützung der Dr. E. A. Langner-Stiftung die JazzHall eröffnet, ein moderner Saal mit rund 200 Plätzen. Dort können nicht nur die Studierenden im Fachbereich Jazz auftreten, im Saal konzertieren auch internationale Künstler.

Variabel wie der Jazz selbst: die JazzHall bei einem Spendendinner. Musik kann sie natürlich auch.
Variabel wie der Jazz selbst: die JazzHall bei einem Spendendinner. Musik kann sie natürlich auch. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Gerade ist dort das erste JazzHall SummerFestival zu Ende gegangen mit Konzerten, die sich an ein breites Publikum gerichtet und die Vielfalt des Jazz vorgeführt haben. Das Warten auf die Saison lohnt sich aber.

JazzHall der HfMT (U Hallerstraße), Milchstraße 12. Infos und Tickets unter jazzhall.hfmt-hamburg.de

Der Klang des Weins

So klingt Leidenschaft. Herbert Bruhn ist als Pianist, Dirigent und Professor für Musikpädagogik weit herumgekommen. Geboren ist er 1948 in Ottensen und hat ebenda einen sehr besonderen Veranstaltungsort gegründet: Im Hinterhof der Alten Druckerei Ottensen kann man Wein kaufen – immer dann, wenn jemand da ist. Auf jeden Fall ist jemand da, wenn am Abend ein Konzert ist. Und von denen gibt es ganz schön viele. Deshalb nennt sich der Laden auch Weinklang.

Der Raum im Souterrain mit den hölzernen Weinkisten, den weiß getünchten Wänden und dem Konzertflügel hat sich mit einem beeindruckend vielfältigen Programm seinen Platz auf der kulturellen Landkarte der Stadt erobert. Vom Jazztrio über Flamenco bis zu klassischer Kammermusik reicht das musikalische Angebot. Im Mittelpunkt steht das Klavier. Der Spiritus Rector fördert nämlich junge Pianistinnen und Pianisten.

Weinklang in der Alten Druckerei Ottensen (S Altona), Bahrenfelder Straße 71 – 73; www.alte-druckerei-ottensen.de  

La Traviata, wie sie singt und stirbt – an der Waterkant

Nicht nur die Elbphilharmonie, auch die Staatsoper ist im Sommerschlaf. Kein Grund für Opernfans, auf betörende Arien und das hohe C zu verzichten: Das Opernloft, im Alten Fährterminal gleich am Wasser gelegen, spielt noch bis Ende Juli und ab dem 21. August. Da gibt es so kuriose Dinge wie eine Fußballoper (hier finden Sie unsere Kritik) und einen Opern-Slam. 90 Sekunden haben die Sänger und Sängerinnen Zeit, ihre Arie oder ihr Lied zu präsentieren. Den Sieger bestimmt das Publikum - ein Dezibelmesser misst die Stärke des Applauses.

Oper am Fluss, das gibt es im Opernloft.
Oper am Fluss, das gibt es im Opernloft. © Inken Rahardt | Inken Rahardt

Ebenfalls auf dem Programm: Verdis „La Traviata“. Die Titelheldin stirbt, und draußen vor den bodentiefen Fenstern ziehen dicke Pötte vorbei. Das hat man vielleicht nur in Hamburg. In Paris eher nicht.

Opernloft im Alten Fährterminal (Bus 111 Große Elbstraße) Van-der-Smissen-Str. 4. Infos und Tickets unter www.opernloft.de

Zuhören und Mitmachen

Was braucht man für einen Konzertsaal? Ideen, ein gutes Netzwerk, finanzielle Unterstützung und ganz viel Willen. Amadeus Templeton und Boris Matchin, die Macher von Tonali, haben all das seit Gründung der Initiative im Jahre 2010 immer wieder bewiesen. 2018 haben sie am Grindel den Tonali Saal eröffnet. Heute ist der Raum das Herzstück der Initiative, die ihr Tun als „partizipative Kulturarbeit“ bezeichnet. Grob gesagt also Kultur mit der Möglichkeit, sich einzubringen. Was sich genau hinter dem Begriff verbirgt, ist bei rund 50 Veranstaltungen pro Jahr im Saal zu erleben (und andernorts bei unzähligen anderen Gelegenheiten, die sich die umtriebigen Gründer und ihr Team ausdenken). Da gibt es Chanson und klassische Kammermusik, Workshops und Lesungen und vieles mehr.

Tonali Saal (Bus 5 Bezirksamt Eimsbüttel) Kleiner Kielort 3 – 5. Infos und Tickets unter www.tonali.de    

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Konzerte mit Industriecharme

Kopfsteinpflaster und alte Gleise, geduckte Baracken mit Graffiti an den Wänden: Das Oberhafenquartier kann seine Vergangenheit als Lager- und Logistikzentrum nicht verleugnen – und will das auch nicht. Eine der alten Hallen, nämlich die mit der Nummer 424, beherbergt den gleichnamigen Konzertsaal.

Funktional, rau, ehrlich: Der ungeschminkte Industriecharme befördert noch die Intensität des musikalischen Erlebnisses. Bis Anfang August läuft das Veranstaltungsprogramm noch: Das Simple Music Ensemble World gibt eine Reihe von Konzerten, die meisten davon mit Filmmusik. Am 6. September geht es dann weiter mit einem Release-Konzert des israelischen Jazzpianisten Nitai Hershkovits.

Halle 424 (U Messberg) Stockmeyerstr. 43. Infos und Tickets unter www.halle424.de