Hamburg. Knapp 20.000 Fans feiern schwofend und singend beim Konzert von Roland Kaiser auf der Trabrennbahn dessen 50. Bühnenjubiläum mit 50 Hits.
Vom Plastikbecher blickt ein jüngerer Roland Kaiser intensiv unter seiner Mittelscheitelföhnfrisur hervor. Viele der Fans, die Sonnabend zur Trabrennbahn strömen, kennen den Sänger bereits seit Jahrzehnten. Nostalgie trifft da auf Mega-Happening. Knapp 20.000 Menschen haben sich vor der ausladenden Open-Air-Bühne in Bahrenfeld versammelt. Und auch zahlreiche Jüngere tragen da munter die pink leuchtende Kaiserkrone als Haarreif auf dem Kopf. Die Garderobe irgendwo zwischen schick, ein wenig keck schlageresk und allwetterfest – nach einem starken windgepeitschten Guss, der am späten Nachmittag niedergegangen war. Und wer sich noch kaiserlich einkleiden will, reiht sich direkt ein in die Schlange am Merchandise-Stand. Unter anderem gibt‘s da ein Shirt mit dem Aufdruck „Kaiser*in‟. Mit einer Krone als Gendersternchen.
Der Musiker geht mit der Zeit. Auch wenn das Intro zu seiner Jubiläumsshow zeitlos episch daherkommt mit „Also sprach Zarathustra‟ aus dem Off. Und dann bricht in perfektem Timing die Sonne hervor, als Roland Kaiser entspannt-elegant die Bühne betritt. „Gut, dass ihr da seid‟ singt er zur Begrüßung. Die Stimme sonor, warm, erzählerisch.
50. Bühnenjubiläum von Roland Kaiser: Krone richten und warmtanzen
„50 Jahre auf der Bühne, das klingt nach viel Arbeit und Stress‟, sagt er unter Jubel. „Das ist aber tatsächlich Freude und Glück.‟ Herzlich bedankt er sich bei allen, die ihn seit 1974 bei seiner Musikkarriere begleiten. Und sofort startet er mit einem Überhit richtig durch: „Ich glaub, es geht schon wieder los‟. Fünf Dekaden Romantik und haltloses Verliebtsein. Und Kaiser nach wie vor der Gentleman-Entertainer im Anzug. Die graue Weste und die graue Hose wie abgestimmt auf sein meliertes Haar. „Eine Reise durch die Jahre‟, kündigt er für diesen Abend an. Und fährt dabei groß auf: Bläsersektion, Streicher, Backgroundsängerinnen und seine Band, wie immer mit dem Hamburger Gitarristen Billy King.
Kleine Mitsing-Chöre und erste Tanzeinlagen ziehen sich über die Freiluftfläche zum Medley mit unter anderem „Midnight Lady‟ und „Amore Amore‟. Und dann folgt der große emotionale Schlager-Schub mit „Santa Maria‟. Eine musikalische Zeitreise ins Jahr 1980. Bundesrepublikanische Sehnsüchte nach der Freiheit im Süden. Ein eskapistischer Gegenpol zu Kaltem Krieg. Schwül-sinnliche Träume, die im Discofox aus dem Alltag entführten. Und in Hamburg stimmen alsbald alle in den markanten Rhythmus ein: „Humdada, humdada, humdada, humda‟.
Immer euphorischer schunkelt sich das Publikum hinein in diese Kaiser-Fete
Mit einem Song wie „Zuversicht‟ will der langjährige SPD-Unterstützer und überzeugte Demokrat Kaiser all jene erreichen, die sich in Hass und Parolen verloren haben. Ein Fan lässt dazu rote Papierherzen fliegen. Mit „Mein Geheimnis‟ wiederum intoniert er eine brandneue Nummer über amouröse Ausflüge „zwischen Lust und verliebt und was es sonst noch so gibt‟. Fifty Shades of Roland sozusagen.
Immer euphorischer schunkelt sich das Publikum hinein in diese Kaiser-Fete. „Oh wie ist das schön‟, johlt die Menge, bevor Sänger und Band die Stimmung im Open-Air-Partykeller mit einer Disco-Version von „Dich zu lieben‟ weiter anheizen.
Das Konzert lebt von seinen Kontrasten. Cool auf einem Barhocker singt Kaiser den Klassiker „In The Ghetto‟, den Elvis einst all jenen widmete, „die auf der Strecke geblieben sind‟. Der Sound bleibt schwelgerisch mit Billy King an der akustischen Gitarre und „Liebe kann uns retten‟, Kaisers Ode an die Solidarität. Ein Gutmenschen-Schlager im besten Sinne. Passend zu der Zeile „Und ich seh‘ weiße Fahnen wehen‟ schwenken die Fans weiße Taschentücher. Ein einfaches wie schönes Zeichen.
Roland Kaiser optisch im Duett mit seinem früheren Ich auf der Leinwand
Die zweieinhalb Stunden Konzert im Hamburger Westen sind ein ganz eigener Mix aus Schwof, Schmacht und sozialem Engagement. Aus Medleys und Hitparade. 50 Jahre, 50 Songs. Die Fans von früher feiern jetzt mit ihren Kindern. Mit ihren Kumpels. Mit der Freundinnen-Clique. Befeuert wird die Ladies-Night, die viele da zelebrieren, von „She‘s A Lady‟ mit Billy King als Paul Anka. Seit 40 Jahren wohne er nun in Hamburg, erzählt der Musiker. Und fügt lächelnd hinzu: „Wo soll man auch sonst leben?‟
Ob alte oder aktuellere Nummern – so, wie viele die Zeilen inbrünstig Wort für Wort mitsingen, ist deutlich zu spüren: Kaisers Lieder sind Lebensbegleitung. Sind Motivation. Verse wie „Jetzt ist Zeit für Unendlichkeit / Das Beste am Leben‟. Begleitet vom optimistischen „Ohohooo‟ der Menge.
Immer wieder singt der Roland aus der Jetzt-Zeit optisch im Duett mit seinem früheren Ich auf der Leinwand. Ein popkulturelles Panorama. Doch Kaiser ist einer, der sich nicht allein auf dem Damals ausruhen will. „Sieben Fässer Wein‟ etwa peppt die Band mit Ed Sheerans „Shape Of You‟ auf.
Je länger der Abend, desto heftiger die Böen – da hilft nur Kaiser-Krone richten
Je länger der Abend, desto frischer und heftiger allerdings die Böen. Da hilft nur: Kaiser-Krone richten und warmtanzen. Kaiser unterstützt das womöglich mit der Hitze seiner Texte. „Einen Song über die schönste Nebensache der Welt zu singen: Wo ist das Problem?‟, fragt der 72-Jährige und stimmt das rockige „Kurios‟ an.
„Es war ein fantastischer Abend mit euch‟, erklärt Kaiser, als die Dämmerung einsetzt. Als letzte offizielle Nummer seines Jubiläumsreigens energetisieren seine Band und er die Trabrennbahn noch einmal mit Disco und Soul, mit Geigen und Gitarrensolo bei „Sag ihm, dass ich dich liebe‟. Und nach „Zugabe‟-Rufen und Gesängen lädt er schließlich zum funky Finale mit „Du, deine Freundin und ich‟. Dann noch einmal „verbotene Träume erleben‟ mit „Joana‟. Engtanz und Gruppen-Choreografien, Arme in der Luft und lautstark das Letzte geben. Eine Frau stützt ihren Mann mit Schlagseite. Eine andere lässt sich auf den Schultern tragen.
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„Warum nicht auch 60 Jahre zusammen feiern‟, verspricht Roland Kaiser seinen beglückten Fans. Und bei der nachdenklichen Ballade „Bis zum nächsten Mal‟ tauchen alle die Trabrennbahn in ein Handylichtermeer. Funkeln für den Kaiser. Ein glanzvolles Jubiläum.