Hamburg. Spätestens die Pandemie schien dem Ausstellungshaus auf St. Pauli den Garaus zu machen. Doch in diesem Herbst wagt es den Neustart.
Besonders erotisch ging es zuletzt im Erotic Art Museum nicht zu. Die Räume auf St. Pauli wirkten verlassen, die teils hochkarätige Sammlung mit Werken von Picasso, Grosz und Haring war in ominösen Kanälen verschwunden, im Keller zeigte der Collagenkünstler Friedrich Frahm seine Arbeiten. Und spätestens die Corona-Pandemie schien der 1992 gegründeten Institution den Garaus gemacht zu haben.
Im vorletzten Sommer, als die strengen Pandemie-Beschränkungen ein wenig gelockert wurden, gab es zwar die Ausstellung „Egon Schiele Remixed“, in der das Künstlerduo pXXy Porn, bestehend aus Roman Gilz und Gordan Nikolic, den Wiener Expressionisten zum 130. Geburtstag neu betrachtete, ein echter Ausstellungsbetrieb lohnte allerdings kaum. „Es gab Tage, da hatte ich gerade mal drei Besucher“, erzählt Museumsleiter Ekkehart Opitz. Nicht prickelnd.
Ausstellung: Kunst musste neu gedacht werden
Opitz blieben eigentlich nur zwei Alternativen: dichtmachen. Oder erotische Kunst neu denken. Und zwar über das Internet. Da tat sich Bildende Kunst bislang schwer, weil sich der individuelle Wert eines Kunstwerks nicht im Digitalen abbilden ließ. In den vergangenen Jahren ist hier aber Bewegung reingekommen, da mittels NFTs, Non-Fungible Tokens, digitale Werke als Unikate gekennzeichnet werden können, was für sie einen Markt eröffnet. Ein echtes Bewusstsein für diese grundlegende Umwälzung der Kunstwelt existiert allerdings noch nicht – weswegen Opitz hier eine Lücke erspäht, in die das Erotic Art Museum passen könnte. Als NFT-Museum mit Fokus auf Erotik.
Die erste Ausstellung „The Art Of Cancelled Culture“, ebenfalls wieder von pXXy Porn bespielt, ist ein gutes Beispiel für diese Neuausrichtung. Gilz und Nikolic nehmen Motive aus dem Netz wie zum Beispiel die allgegenwärtige Regenbogenflagge oder diverse echte und nachgebaute Instagramfilter und wenden diese auf selbst erstellte Erotikfotografie an. Die so entstandenen großformatigen Bilder hängen als verhältnismäßig konventionelle Kunstpräsentation in den Museumsräumen, schön anzusehen, aber gleichzeitig ein bisschen an der Intention der Schau vorbei.
Digitalisierung wird auch kritisch hinterfragt
Der kommt man näher, wenn man die neueste Publikation von pXXy Porn durchblättert, die ebenfalls ausliegt. Die Bilder sind hier noch einmal zu sehen, popkulturell verfremdete Kunst im Stil klassischer Pornoheftchen, allerdings mit Textbeiträgen, die den im Ausstellungstitel hergestellten Bezug zur Zensur verdeutlichen.
Wegen einer einzigen, angedeuteten Brustwarze sei der gesamte Instagram-Account des Museums gesperrt worden, erzählt Opitz – die Digitalisierung bietet ungeahnte Möglichkeiten, aber auch Beschränkungen, die der Kultur das Leben schwer machen. Sowie neue Konventionen, mit denen sich die Kunst auseinandersetzen muss. So bildet sich im Netz mit dem „Foodporn“-Trend eine den Sozialneid schürende Ästhetik, die Gilz und Nikolic in ein verstörend-sinnliches Kunstwerk packen.
Ausstellung mittels einer VR-Brille besuchen
Und in einem dritten Schritt kann man die Ausstellung noch einmal ganz neu anschauen – im virtuellen Raum. Mittels einer VR-Brille besucht man digitale Ausstellungsräume, in denen die per NFT zu echten Kunstwerken geadelten Werke hängen. Theoretisch lässt sich die Tour von überall aus starten, allerdings liegt auch im Museum eine Brille bereit, so dass man angeleitet die digitale Ausstellung besuchen kann. Und das ist die eigentliche Innovation, die die Neukonzeption des Erotic Art Museums mit sich bringt: dass hier Kunst des NFT-Zeitalters virtuell erfahrbar wird.
Museumsleiter Ekkehart Opitz denkt schon weiter: Er geht davon aus, zukünftige Ausstellungen als Kooperation zwischen den Designern virtueller Räume und Künstlern zu organisieren, Museumsarbeit als Vereinigung zweier Positionen also – womit zumindest symbolisch die Brücke zur Erotik geschlagen wäre.
Ausstellung sorgt auch virtuell für Kribbeln
Denn das heißt die Umwandlung des Erotic Art Museums in ein NFT-Museum nämlich auch: Erotik muss in Zukunft gar nicht mehr im Mittelpunkt stehen, im Grunde entwickelt sich das Haus zum Spezialisten für virtuelle Kunst unterschiedlicher Sujets. Folgerichtig plant Opitz auch Vorträge zur NFT-Technologie, an denen rein gar nichts mehr schlüpfrig ist. Klingt trocken? Ein bisschen.
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Bis dahin allerdings geht es durchaus noch feucht zur Sache. Die Leiber, Körperflüssigkeiten und Provokationen in „The Art Of Cancelled Culture“ jedenfalls dürften auch im Virtuellen noch für hinreichend rote Köpfe sorgen.
Erotic Art Museum weitere Infos unter:erotic-art-museum.com