Hamburg. Das Kunstspiel zum Mitmachen – jeden Montag im Abendblatt. Heute: „Mythe de la lumière/The Myth of Light“ von Toyen.

Sie starb 1980 weitgehend unbeachtet von der Kunstwelt in Paris: Marie Čermínová. Die Bilder der gebürtigen Tschechin wurden bei einer Versteigerung in alle Winde verstreut. Auch unter ihrem Künstlerinnenname Toyen, abgeleitet vom französischen „Citoyen“ für „Bürger“, war sie den meisten weder in ihrer Wahlheimat noch in ihrer Heimatstadt Prag bekannt.

Dabei galt Čermínová als Pionierin der künstlerischen Avantgarde. Die Malerin war Gründungsmitglied der Surrealisten-Gruppe in der ehemaligen Tschechoslowakei, befreundet mit Salvador Dalí, Yves Tanguy, Max Ernst, René Ma­gritte, Paul Klee und Man Ray, stand im engen Austausch mit ihren Kollegen und stellte auch gemeinsam mit ihnen aus.

Hamburger Kunsthalle zeigt monografische Schau

Der Hamburger Kunsthalle ist es zu verdanken, dass ihr Lebenswerk noch bis Mitte Februar gebündelt zu erleben ist. Die Galerie der Gegenwart zeigt mit 300 Werken die erste große monografische Schau der Künstlerin in Deutschland. Sie wolle Toyen damit auch aus der „Surrealismus-Verengung lösen“, so Direktor Alexander Klar. Zeit ihres Lebens habe die Malerin eindeutige Kategorien, im Leben wie in der Kunst, abgelehnt.

„Mythe de la  lumière/The Myth of Light“ malte Toyen 1946  in den Maßen  160 x 75 cm  mit Öl auf  Leinwand.
„Mythe de la lumière/The Myth of Light“ malte Toyen 1946 in den Maßen 160 x 75 cm mit Öl auf Leinwand. © © Moderna Museet/Stockholm | Prallan Allsten

Bereits als 17-Jährige verließ sie ihre Familie, machte sich nach Ende des Ersten Weltkriegs selbstständig, war früh in der politischen Linken aktiv. Themen wie Revolte, Traum, Humor, Alchemie und Erotik bestimmten ihr Schaffen, das sie mit scheinbar naiver Stilistik nach ihrer Studienzeit an der Prager Kunstgewerbeschule begann, In den 1920er-Jahren experimentierte Toyen mit Schablonen, Airbrush-Pistolen, Spachteln und mit Sand angedickten Farben.

Toyen verarbeitete ihr Leben in den Werken

In einer weiteren Phase wandte sie sich dem Surrealismus zu und hinterfragte in „Magnetische Frau“ oder „Rosa Gespenst“ (beide 1934) das Objekthafte. Immer spiegelte sich Toyens Leben in ihren Werken; während der deutschen Besatzung in Prag etwa in den Zeichnungen „Der Schießplatz“ und „Krieg! Versteck dich.“ .Wie durch ein Wunder entgingen sie und der Dichter Jindřich Heisler, den sie in ihrer kleinen Wohnung versteckt hielt, der Deportation durch die Nazis. Nach der Machtübernahme der Kommunisten 1948 emigrierte die Künstlerin dann nach Paris.

Zwei Jahre zuvor hatte sich Toyen – vom Mythos des Lichts inspirieren lassen. Ihr großflächiges Bild „Mythe de la lumière/The Myth of Light“, gemalt mit Öl auf Leinwand, ist ein Ausdruck dessen. Kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs schwingt hier trotzdem noch die Bedrohung einer jahrelangen Schreckens- und Gewaltherrschaft mit, die Wirkung auf das Individuum.

Hamburger Kunsthalle beherbergt provokantes Werk

Das Bild ist gleichsam poetisch wie provokant, es spielt mit Realität und Imagination, Verführerischem und Abgründigem, ist zudem farblich virtuos. Viele Jahre hing es im Moderna Museet in Stockholm, ehe es jetzt nach Hamburg kam.

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In ihrem Spätwerk übrigens arbeitete Toyen dann verstärkt mit Collagen, erforschte die Nacht und ihre Magie, etwa im rätselhaften Gemälde „Mitternacht, gewappnete Stunde“. All das macht Toyen in der Rückschau zu einer der bedeutendsten tschechischen Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts.