Hamburg. Das Lichthof Theater zeigt Jane Austens Klassiker online. Das Besondere: Nur männliche Schauspieler spielen mit.

Es ist auf den ersten Blick alles genau so, wie man es von einer Theaterperformance frei nach Jane Austens Romanklassiker „Stolz und Vorurteil“ erwartet. Gepflegte Musik, unberührte, weite Landschaften und Protagonisten in langen höfischen Gewändern. Dazu Liebe, Intrigen, Sehnen.

Und doch ist alles etwas anders bei dieser Version, mit der die freie Theatergruppe Thermoboy FK nun im Lichthof Theater gastiert. Leider nicht vor Saal-Publikum, wie ursprünglich bereits für den vergangenen März geplant, aber als Livestream in der Reihe #lichthof_lab.

Bühnenbild: Expressionistisch gemalte Landschaft Englands

Die acht Darsteller (Malte-Levin Behrens, Florian Brunken, Moritz Brunken, Janis Fisch, Jan Felix Hahn, Dennis Dieter Kopp, Felix Scheer, Jasper Tibbe) des zwischen Braunschweig, Bremen und Berlin angesiedelten Theaterkollektivs übernehmen Frauen- wie Männerrollen.

In erfrischender Weise greifen sich die Performer den Stoff, legen in einer knappen Stunde seinen Kern frei und beginnen ein heiter-ironisches Spiel mit Identitäten und Zuschreibungen. Das England des 19. Jahrhunderts schimmert als expressionistisch gemalte Landschaft im Bühnenbild auf. Ab und zu werden in Bilderrahmen liebevoll gemalte Requisiten hereingereicht.

Die Bennetschwestern werden von Männern gespielt

Die drei sehr unterschiedlichen Schwestern Jane, Lydia und Elizabeth Bennet suchen, wie in diesem historischen Kontext üblich, die ideale Verbindung aus Vermögen und wahrer Liebe. Und just in diese mit Erwartungen aufgeladene Stimmung brechen zwei Besucher, der verschlossene Darcy und der mit Worten und Gesten galant hantierende Bingley (Janis Fisch). Und weil die Balz schon immer am einfachsten beim Tanz funktioniert, wiegt man die Körper gepflegt parlierend zu höfischen Klängen unterm gemalten Lüster.

„Hinter diesem Vorhang steht ein Gentleman“, raunt Jane. Die sachliche bis scharfzüngige Elizabeth wiederum macht sich über die von Damen erwarteten Tugenden lustig und wehrt sich lautstark gegen eine Eheanbahnung.

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Der fesche, dem Spiel verfallene Offizier Wickham stürmt fechtend durch die Landschaft und beschließt, mangels beständigen Vermögens, sich lieber selbst zu lieben. Es gehen Briefe hin und her, die sich nicht immer um Höflichkeit bemühen. Ein bisweilen unverfrorenes, saftiges, herrlich frei mit den Mythen des Stoffes hantierendes Spektakel.

Thermoboy FK präsentiert Stück mit erfrischender Spielfreude

In der Kürze der Zeit geht es dieser sehr freien Adaption nicht um das Erkunden der Charakter-Tiefen. Und doch präsentiert Thermoboy FK alle wesentlichen Handlungsstränge mit herrlich lakonischem Unterton und viel Spielfreude. Die von Jane Austen so genau beobachteten gesellschaftlichen Zwänge spießt die Truppe gekonnt auf, ohne Geschehen und Gefühle zu veralbern oder zu verharmlosen.

Der traditionelle Beziehungsbegriff wird in dieser Adaption durchaus überzeugend erweitert. Bingley ist Jane zugeneigt, doch Darcy hat Angst, den geliebten Freund zu verlieren. Und so gibt es am Ende eine etwas unkonventionelle „Doppelhochzeit“, denn vom selbst gewählten Solo-Dasein einer Elizabeth bis zur Dreiecks-Beziehung mit Bingley, Darcy und Jane ist in dieser sehenswerten Austen-Utopie bei Thermoboy FK alles möglich.

„Stolz und Vorurteil“ im #lichthof_lab, weitere Stream-Vorstellungen 15./16.1., jew. 20.15 Uhr, 17.1., 18.00, Karten unter www.lichthof-theater.de