Wacken. Das 30. Metal Open Air ist vorbei. Es geht ans Aufräumen. Und das dauert lang. Aber es war schon einmal deutlich schlimmer.
Kreischend balgen sich ein Dutzend Möwen um ein paar Pommes, weitere kreisen in der Luft wie Geier auf der Suche nach Beute: Das 30. Wacken Open Air ist zu Ende gegangen, jetzt beginnt der Rest vom Fest. Wo eben noch 75.000 Metalfans mit Rage das Finale der vier Tage langen, gewohnt ausverkauften Sause mit 190 Bands begossen, rücken die Zupackenden der 5000 Festival-Crewmitglieder mit Staplern, Lastern und Kränen aus.
Eine Woche dauert der komplette Rückbau des 300 Hektar großen Geländes, der neun Bühnen und der unüberschaubaren Zahl an Zelten, Hütten, Containern und anderen temporären Gebäude, der kilometerlangen Zäune und Leitungen, der extra angelegten Straßen und Wege, der sichtbaren und unsichtbaren Infrastruktur von Deutschlands größtem Metalfestival. Es ist übrigens nicht das größte Metalfestival der Welt, wie weiterhin oft kolportiert wird, aber es ist immer noch groß.
Am Sonntagmorgen herrscht überall geschäftiges Treiben
Wie der Auf- hat auch der Abbau zwei Gesichter: Das offizielle der Bauhelme, Warnwesten und Sicherheitsschuhe. Und das inoffizielle, kleinteilige der privaten Camps. Am Sonntagmorgen herrscht überall geschäftiges Treiben. Pavillons werden zusammengelegt, Tische wieder in Anhängern verstaut, Wohnwagen wieder fahrbereit gemacht.
Einige gehen minutiös zu Werke, haben ganz augenscheinlich einen Plan. Andere kämpfen mit den stets beliebten Wurfzelten, deren Werbespruch „two seconds“ sich auf den Aufbau bezieht. Für den Abbau empfiehlt sich ein das Hinzuziehen eines Origami-Experten oder zumindest eines Bauingenieurs. Nach einigen falschen Anläufen, diversen nicht druckbaren Kraftausdrücken und der zwischenzeitlichen Überlegung, es einfach aufzugeben, verschwindet das Zelt dann aber doch wieder in seinem Beutel. Jetzt noch den in vier bis sechs Tagen angefallenen Müll eintüten, dann kann es losgehen.
Die vorbildlich aufgeräumten Campingplätze sind deutlich mehr geworden in den vergangenen Jahren, was in diesem Jahr von offizieller Seite noch unterstützt wurde, indem man ein Gewinnspiel auslobte: Mit dem Hashtag #greenwacken und einem Foto kann man sich beteiligen.
Wacken 2019: die besten Bilder:
Definitiv keine Chance auf einen Preis haben die Personen, die neben einigen aufblasbaren Matratzen, den Resten von Wurfzelten und Pavillons auch noch eine Sofagarnitur und ein riesiges Trampolin einfach stehen gelassen haben. Aber Bilder wie diese, vor zehn Jahren noch an der Tagesordnung in schon am zweiten Tag bis zur Pavillon-Dachkante zugemüllten Camps, gehören zu den Ausnahmen. Auch das Bühnengelände, seinerzeit ein Meer aus Bierdosen, Zigarettenstummeln, Servietten und Pommesschalen, sieht während des gesamten Festivals picobello aus.
Die Pfandautomaten des festivaleigenen Supermarktes haben viel zu tun, da bleibt aber noch was übrig für die Wackener Jugend, die am Sonntag das Gelände abklappert. Ein Pfandsammler hat schon am frühen Morgen drei große Säcke auf sein Fahrrad gewuchtet, geschätzter Verdienst um die 100 Euro.
Zeltburgen mit Solarzellen gibt es jetzt auch
Aber nur weil weniger Müll herumliegt, heißt das nicht, dass keiner anfällt. Geschätzte 600 Tonnen Müll werden abtransportiert, 8 Kilogramm pro zahlendem Besucher. Da ist noch Luft nach oben, wie das kleine Experimental-Festival „Futur 2“ in Hamburg seit 2018 zeigt. Dort fielen 30 Gramm Müll pro Besucher an. Aber dort waren auch 70.000 Menschen weniger, und die Bühnen in Wacken mit Fahrradstrom zu versorgen, dürfte auch schwierig werden. Für Slayer, Sabaton und Rage, die Headliner dieses Jahr, müsste wohl das ganze Starterfeld der Tour de France in die Pedale treten. Immerhin sind auch in Wacken auf dem Campingplatz erste Zeltburgen zu finden, die den Strom für Musikanlage und Kühlschrank aus Solarpanels beziehen. Sehr fortschrittlich.
Sehr zufrieden zeigen sich auch die Wacken-Veranstalter und Behörden. Bis auf Taschendiebstähle, Zelteinbrüche und einige Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz gab es für die Ordnungskräfte und Sanitäter traditionell wenig zu tun. So liegt das Hauptaugenmerk auf die Bands für 2020: Angekündigt sind bereits Judas Priest, Amon Amarth, Mercyful Fate, At The Gates, Venom, Hypocrisy, Sick Of It All und Sodom.
Aber bevor Rob Halford mal wieder den „Painkiller“ entfesselt, wird der „Holy Ground“ Wacken zurück in eine Wiese verwandelt. Der „Ziege“, dem riesigen Bullenschädel zwischen den beiden Hauptbühnen, Logo und Maskottchen des Wacken Open Airs in Personalunion, geht es auch bald an den Kragen.
Noch hängt er, aber der riesige Autokran, der am Sonntagvormittag vorfährt, verheißt ihm den baldigen, verdienten Winterschlaf.