Hamburg. Der Sänger spricht über die aktuelle Corona-Lage, seine Verbindung zu Hamburg, Udo Lindenberg, und sein Konzert im Stadtpark.

Es wurde dunkel am 11. März 2020: Veranstaltungen und Konzerte wurden coronabedingt abgesagt oder verschoben, James Blunt spielte spontan ohne Publikum in der Elbphilharmonie, und in der Laeiszhalle verklangen die letzten Töne von Schwarzwald-Soulbruder Max Mutzke und dem WDR Funkhausorchester. Danach ging lange Zeit nichts mehr auf den Bühnen. Zweieinhalb Jahre später scheint die Sonne, als wir Max Mutzke im Stadtpark treffen.

Seit seiner Entdeckung durch Stefan Raab und dem achten Platz beim Eurovision Song Contest 2004 hat sich Mutzke als absoluter Vielseitigkeitssänger etabliert, der in jedem Genre und auch auf dem aktuellen Album „Wunschlos süchtig“ eine gute Figur macht. Süchtig nach der Bühne, drängt er darauf, wieder durchzustarten, auch wenn die Lage schwierig ist für Künstler wie ihn, wie er erzählt.

Max Mutzke: Konzert im Stadtpark ist der nächste große Schritt

Hamburger Abendblatt: Seit Beginn Ihrer Karriere vor 18 Jahren haben Sie in Hamburg an fast jeder Steckdose gespielt, aber im Stadtpark bislang nur als Gastsänger, zum Beispiel 2009 bei Jean-Jacques Kravetz und 2013 bei Stefan Gwildis. Jetzt wurde es mal Zeit für ein eigenes Konzert?

Max Mutzke: Für mich ist der Stadtpark so etwas wie der nächste große Schritt. Das ist ein absolut ehrwürdiger Ort, wer hier schon alles auf der Bühne stand und wie viele Menschen hier glücklich gemacht wurden. Und wir sind in Hamburg, da ist die Stimmung bei meinen Konzerten eh immer am besten.

Wahrscheinlich sind Sie auch in keiner Stadt öfter aufgetreten.

Max Mutzke: Gut möglich. Das lag daran, dass ich meine Karriere in Köln begonnen hatte und nach zwei Jahren, als Stefan Raab zu viel um die Ohren hatte, auf der Suche nach einem Management war. So kam ich zu Alexander Maurus nach Hamburg. Ich hatte bis dahin überhaupt nichts mit dieser Stadt zu tun, ich war nur als Jugendlicher einmal hier gewesen. Und plötzlich war es nicht nur mein berufliches Zentrum – Band, Plattenfirma, Booking-Agentur und ganz viele enge Freunde habe ich hier gefunden. Und ein Publikum, das mich sofort angenommen hat. Und jetzt sind wir hier. Ich freue mich wie verrückt auf den Abend.

Allerdings sind Konzerte für Künstlerinnen und Künstler, die keine Arenen oder Fußballstadien füllen, anders als 2019 derzeit überhaupt keine Selbstläufer mehr.

Max Mutzke: Ja, es wird schwer, das hier voll zu bekommen. Die Livebranche leidet noch sehr darunter, dass das Publikum immer noch Stapel von Tickets von verschobenen Konzerten hat, das Geld in der aktuellen Lage zusammenhält oder sich ungern wieder unter Menschen begibt.

Dazu kommt der spürbare Fachkräftemangel vom Tresen über Mischpult bis zu Tourmusikerinnen und -musikern.

Max Mutzke: Ich habe das ganz große Glück, dass alle meine Shows stattfinden konnten, auch wenn einige zunächst verlegt werden mussten. Ich habe mir ein sehr gesundes System in den letzten Jahren aufgebaut, sodass ich jedes Instrument doppelt und voll integriert in der Band besetzen kann. Aber man spürt schon die Präsenz von Corona, ich war zum Glück erkrankt, als ich gerade nicht aufgetreten bin. Justin Balk, der viele Songs für mein aktuelles Album geschrieben hat, hatte es, mein Schlagzeuger auch. Die Crew hat noch nichts abbekommen, aber ich kenne nicht wenige Acts, die ihre Touren absagen mussten. Oder Festivals: Das Puls Open Air auf Schloss Kaltenberg wurde mittendrin abgebrochen, weil zu viel Sicherheitspersonal ausgefallen war. Bei den Großen, die eh immer viel Geld verdienen, läuft es wie gehabt, aber dahinter sieht es nicht gut aus. Die Musikbranche ist am Arsch, das muss man klar sagen.

Sind Sie, dem Albumtitel entsprechend, „Wunschlos süchtig“ nach der Bühne? Sie stehen im Schnitt dreimal die Woche auf den Brettern, mit großer und kleiner Band, mit diversen Orchestern, als Gast.

Max Mutzke: Ja. Ich weiß noch, wie wir unser letztes Konzert vor den Corona-Maßnahmen in der Laeiszhalle spielten. Bis zur letzten Minute wussten wir nicht, ob uns der Hamburger Senat nicht die Türen zuschlägt wie drüben bei James Blunt in der Elbphilharmonie. Am nächsten Tag fühlte es sich wie früher in der Schule an, wenn der Unterricht ausfiel: Super, endlich frei! Das hat sogar eine Weile gehalten, ich hatte Zeit für meine Kinder, meine Familie – geil. Wunderschön. Aber dann kamen schnell die existenziellen Ängste, ich hatte ja quasi Berufsverbot.

Schauen Sie jetzt besorgt auf den Herbst?

Max Mutzke: Durchaus. Es kann sein, dass Konzerte ein Saisongeschäft werden. Das ist für die meisten Bands und Clubs nicht durchzuhalten. Ich bin zwar ein unverbesserlicher Optimist und konnte zwei Jahre lang eine Menge Ohrfeigen vom Schicksal ertragen. Aber es kommt immer eine weitere dazu. Dass die letzte Bundesregierung nicht noch eine Impfpflicht beschlossen hat, obwohl sie nichts mehr zu verlieren hatte, hat mich extrem geärgert. Wir legen als Überlebenskünstlerinnen und -künstler und Kulturschaffende immer Solidarität an den Tag, setzen uns ein, stecken zurück und jagen uns – dreimal bislang – eine Spritze in den Arm. Und ich hasse Spritzen, lag nach jeder Impfung flach. Aber alles andere ist für mich ein Schlag gegen die Grundsolidarität, die eine Gesellschaft braucht.

Sie sind in Talkshows und auf der Bühne immer ein Mann des offenen Wortes. Hat der Gegenwind in den vergangenen Jahren zugenommen? Das Internet ist ziemlich
toxisch geworden, unabhängig davon welche Haltung man vertritt.

Max Mutzke: Online setze ich mich damit nicht aus­einander. Das ist eine Plattform, auf der sich niemand auf Augenhöhe begegnet und wo auch stichfeste, wissenschaftlich belegte Argumente wütend zerfetzt oder lächerlich gemacht werden. Aber in vielen Songs, auf der Bühne, in jedem Interview, in jeder Talkshow und in jedem Zwiegespräch stehe ich für ein liberales, offenes und buntes Deutschland ein. Ich stehe zu Vielfalt. Ich komme aus dem Schwarzwald, was würde ich wohl für Musik machen, wenn es keine Einflüsse von außen gäbe?

In der TV-Show „The Masked Singer“ traten Sie als Astronaut auf, auf dem letzten Album heißt ein Song „Einfach Astronaut“. Udo Lindenberg bezeichnet sich ja auch gern als Astronaut. Kennen Sie einander?

Max Mutzke: Ich kenne ihn leider nur flüchtig, aber wir haben beide eine enge Verbindung zu Klaus Doldinger. Ich glaube, Udo hat mal von mir gehört. Und wir sind beide Sänger und Schlagzeuger. Ich möchte irgendwann einmal zurückschauen und stolz sein, so lange wie Udo Musik gemacht zu haben.

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Mit welchem Song beginnen Sie Ihr Konzert im Stadtpark, mit „Immer Sommer“?

Max Mutzke: Nein, das wird einer der letzten Songs. Wir fangen an mit „Gute Geschichten“. Wenn ich „Tagesthemen“ schaue, sehe ich eine Horrornachricht nach der anderen. Corona, Dürre, Umweltkatastrophen, Putins Angriffskrieg, Inflation. Alle sind nur noch sauer und verlieren das Vertrauen in Demokratie und Gesellschaft, so entstehen Hass und Menschenfeindlichkeit. Dabei können wir Menschen annehmen, dass wir die einzigen im Universum sind, die in der Lage sind, gute Geschichten zu erzählen und uns daran festzuhalten.

Max Mutzke Sa 23.7., 19.00, Stadtpark (S Alte Wöhr), Saarlandstraße 71, Karten zu 46,- im Vorverkauf; www.maxmutzke.de