Hamburg. Geigerin Angelika Bachmann und Hip-Hopper Samy Deluxe haben den Verein SalutDeluxe gegründet. Er wagt Neues bei der Musikförderung.

Gemeinsam singen und spielen? Ging gut. Gemeinsam verbeugen? Ging gar nicht. Als Angelika Bachmann und Samy Deluxe im Juli 2017 im Thalia Theater ihren eigens für das Quartett Salut Salon geschriebenen Song „Wie tief kann man lieben“ uraufgeführt hatten, wunderte sich die klassisch ausgebildete Musikern, dass sich der Sänger und Rapper nicht wie sie und ihre Kolleginnen vor dem Publikum verneigte.

Die zweite Zugabe des damals neuen Salut-Salon-Programms „Liebe“ kam doch super an. Aber einem Rapper sind Verbeugungen vor dem Publikum eben eher fremd. Dennoch markierte der Auftritt den Beginn einer ungewöhnlichen, offenbar inspirierenden Zusammenarbeit.

Geigerin und Rapper machen gemeinsame Sache

Weitere gemeinsame Auftritte der Hamburger Künstler gab es danach etwa auf der Berliner Waldbühne und in der Elbphilharmonie – später ging für beide coronabedingt gar nichts mehr. Die bereits im Juli 2020 auf diesen Sommer verschobene Premiere der neuen Salut-Salon-Show „Die Magie der Träume“ ist aufgrund der weiter stark reduzierten Platzkapazität im Thalia Theater noch einmal auf Juli 2022 verschoben worden. Und Samy Deluxe erinnert sich wehmütig an das Hip-Hop-Konzert an seinem 42. Geburtstag am 19. Dezember 2019 in der ausverkauften Barclaycard Arena.

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Doch auch ohne Konzerte machen die Geigerin aus Wandsbek und der in Eppendorf aufgewachsene Rapper gemeinsame Sache: Schon im Herbst haben Angelika Bachmann und Samy Deluxe mit sechs Mitstreitern SalutDeluxe gegründet, jetzt kann der gemeinnützige Verein endlich seine Arbeit aufnehmen. Mit ihm wagen die beiden musikalischen Grenzgänger Neues.

Crossover-Projekte für Kinder und Jugendliche

Maßgeblich gefördert von der Haspa Musik Stiftung, sollen Cross-over-Projekte für Kinder und Jugendliche entstehen, die ansonsten kaum mit Musik in Berührung kämen. Und das in unterschiedlichen Genres. „Wir haben gehofft, dass wir unser Zentrum im Frühling öffnen dürfen“, sagt Angelika Bachmann. Vorerst online finden Angebote im musischen und bildenden Bereich statt, sobald wie möglich auch in Präsenz. Hauptquartier des Vereins ist Deluxes ehemaliges Restaurant Gefundenes Fressen im Karolinenviertel, das der Rapper und Musikproduzent im vorigen August nach fünf Jahren aufgab.

„Es wird einfach ein geiler Ort bleiben, der nicht für die Öffentlichkeit zugänglich ist, aber immer noch in der Öffentlichkeit landen wird“, hatte der Künstler damals angekündigt. Der nun überwiegend in Berlin anzutreffende Deluxe hat den Hip-Hop nicht nur mit seiner Art des Sprechgesangs geprägt, sondern auch mit sozialkritischen Texten. 2013 hatte er zur kreativen Nachwuchsförderung den Verein DeluxeKidz gegründet.

„Junge Menschen brauchen Impulse aus unterschiedlichen Erfahrungswelten“

 Bachmann hat mit Salut Salut Salon in fast zwei Jahrzehnten auf populäre Art und Weise die Spielräume der Klassik ausgelotet, hat unter anderem das Jugendmusik-Projekt The Young ClassX initiiert und ist wie Salut-Salon-Mitgründerin Iris Siegfried seit 2011 Trägerin des Bundesverdienstkreuzes.

„Junge Menschen brauchen Impulse aus unterschiedlichen Erfahrungswelten“, hat Angelika Bachmann erkannt. Die 47-Jährige ist auch studierte Pädagogin und Psychologin und in der Corona-Krise mangels Auftrittsmöglichkeiten vermehrt als Systemischer Business-Coach für Erwachsene tätig. Sie wird aber wie Deluxe kaum als Lehrende in Erscheinung treten. Beide setzen darauf, dass die Workshop-Leiterinnen und -Leiter allen Teilnehmenden auf Augenhöhe begegnen.

Angelika Bachmann: „Wir wollen erst mal schauen, was digital gut läuft und was von den Jugendlichen angenommen wird.“ Den Auftakt macht ein digitaler Beat-Box-Workshop. Und lässt sich ein Schlagzeug auf der Geige imitieren? Violinistin Rahel Rilling will im sogenannten Choppen-Work­shop zeigen, wie sich mit einer Geige ordentlich Groove erzeugen lässt.

Teamwork und Eigenverantwortung fördern

Rilling möchte mit Kindern beim Programm „Oceankids.Beatboy“ auch einen Klima-Rap schreiben – das Motto „Klassik trifft auf Rap“ soll schließlich nicht nur für die SalutDeluxe-Köpfe gelten. Daniel Karelly alias Affe Maria taucht mit dem Nachwuchs in die Welt des Beat-Producings ein, und im Freien ist ein Graffiti-Workshop geplant.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

SalutDeluxe will junge Menschen von sechs bis 18 Jahren musikalisch anregen, so Teamwork und Eigenverantwortung fördern. „Wer verschiedene Milieus kennenlernt und diverse Einflüsse zulässt, ist weniger anfällig für ausgrenzendes Verhalten“, erläutert Samy Deluxe. Es gehe darum, dass Heranwachsende nicht in vorgegebenen Denkweisen verharren, sondern neugierig musikalische Stile und Kulturen entdecken.

 Rassismus auch in der Musik ein großes Thema

Rassismus sei auch in der Musik ein großes Thema. „Warum zum Beispiel sind People of Color noch immer so stark unterrepräsentiert in den Orchestern? Warum wird Afrodeutschen eher Hip-Hop als Klassik zugetraut?“ Auch das haben sich Bachmann und Deluxe gefragt. Samy, 1977 als Sohn einer Deutschen und eines Sudanesen als Samuel Sorge in Barmbek geboren, engagiert sich seit Beginn seiner Musikerkarriere gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus. SalutDeluxe möchte nun alte Paradigmen aufbrechen und neue, vorurteilsfreie Herangehensweise entwickeln – nicht ohne die eigene künstlerische Rolle zu hinterfragen.

Getreu dem Prinzip „each one teach one“ sollen die Kinder und Jugendlichen auch untereinander Wissen und Fähigkeiten vermitteln. „Wer mitgestalten kann, fühlt sich auch ernst genommen. Das stärkt das Selbstwertgefühl“, sagt Samy Deluxe.

Berufliche Perspektiven

Wie man Kindern und Jugendlichen zur Not auch auf Distanz Musik lehrt, weiß Angelika Bachmann aus eigener Erfahrung: Beim von Salut Salon in ­Korogocho, einem der größten Slums in Kenias Hauptstadt Nairobi, initiierten jungen Orchester namens Ghetto Classics unterrichtet die Hamburger Künstlerin mit Musikern aus Europa seit 2015 in regelmäßigen Abständen via Internet (Skype) Kinder- und Jugendliche an klassischen Ins­trumenten, anfangs finanziert durch Benefizkonzerte von Salut Salon, später durch die Stiftung Chancen für Kinder.

In Hamburg möchte SalutDeluxe nicht nur Musik und Kunst arrangieren, sondern mit interessierten Jugendlichen ausloten, welche beruflichen Perspektiven die Musik- und Medienbranche bieten. Dazu gehört etwa das Erstellen von neuen eigenen Podcasts. „Wir wollen Jugendlichen auch helfen, neue Songs für die Bühne zu produzieren und innovative Videoformate zu entwickeln“, schwebt Angelika Bachmann vor. Womöglich ist das schon nahe Zukunftsmusik.

SalutDeluxe Webseite und kostenlose Workshop-Anmeldungen: https://salutdeluxe.hamburg/