Hamburg. Zehn Millionen Euro investiert die Stadt in ein vielfältiges Programm, das Mitte Juli starten soll.
Das Logo ist originell: Eine Sonne, zwischen deren Strahlen sich kleine Symbole tummeln, eine Schallplatte und eine E-Gitarre, ein Mini-Keyboard, ein aufgeschlagenes Buch, eine Filmkamera. Von Weitem erinnert es nicht ganz zufällig an das berühmteste Virus der Welt.
„Wien dreht auf!“ steht in fetten Lettern mitten in dieser Sonne – es ist schon der zweite Sommer in Folge, den die österreichische Hauptstadt in großem Stil den Künsten widmet. Draußen, pandemiekonform, stadtweit, genreübergreifend. Und es soll der erste Sommer werden, in dem Hamburg diese erfolgreiche Idee übernimmt. Zum „Kultursommer Wien“ gesellt sich im Norden der „Hamburger Kultursommer“.
Ambitionierter Plan der Behörde für Kultur und Medien
Der ambitionierte Plan: Zwischen Mitte Juli und Mitte August will die Behörde für Kultur und Medien zahlreiche Kulturveranstaltungen unter freiem Himmel ermöglichen. Wo das Virus besser vom Winde verweht wird als in Innenräumen, sollen Bühnen, Plätze, Höfe und Flächen in allen Bezirken und möglichst vielen Stadtteilen (bewusst auch den innenstadtfernen) bespielt werden.
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Die Kultur erhält damit eine öffentliche Präsenz, die ihr in den vergangenen Monaten nahezu komplett verwehrt blieb. Es ist ein Neustart, der diesen Namen verdient, der Lust auf ein Kulturleben machen und die Kulturszene emotional und nicht zuletzt auch finanziell beim Wiederhochfahren stützen soll.
Kulturschaffende können sich ab sofort für Auftritte und Fördergelder bewerben
Institutionen, Dachverbände und Kulturschaffende aller Genres können sich ab sofort für Auftritte und Fördergelder bewerben – vorausgesetzt, die Künstlerinnen und Künstler wohnen in Hamburg oder der Metropolregion. Über die Teilnahme entscheidet eine Jury. An jedem Veranstaltungsort – so die Vorstellung der Kulturbehörde, die das Konzept erstellte und dabei in engem Austausch nicht nur mit der Wiener Kulturstadträtin, sondern auch mit zahlreichen lokalen Institutionen und Veranstaltern stand – sollten möglichst zwei Vorstellungen täglich stattfinden.
Veranstalter können entweder vollständig oder anteilig dabei sein, wenn sie etwa schon über eine eigene Bühne und ein bereits geplantes Sommerprogramm verfügen. Eine Fördervariante sieht vor, bestehende Orte an ausgewählten Tagen auch für Kultursommer-Programme zur Verfügung zu stellen. So möchte sich die Karsten Jahnke Konzertagentur, die beratend bei der Entwicklung des Konzepts mitwirkte, mit dem Stadtpark Open Air und dem Cruise Inn auf Steinwerder beteiligen.
500 Euro für eine Stunde Auftritt
Für die unter der Marke „Kultursommer“ engagierten Sängerinnen und Schauspieler, Musikerinnen und Tänzer gibt die Behörde Mindestgagen vor: 500 Euro für eine Stunde Auftritt, 300 Euro für eine halbe Stunde, Probezeiten werden nicht vergütet. Unmittelbare Kosten (Technik, Bühne, Personal, Betriebskosten, Sicherheits- und Hygienekonzept) sollen übernommen werden.
Schon als seine Behörde mit ihren Planungen losgelegt und zunächst definiert habe, welche Open-Air-Strukturen, Freiluftbühnen und Konzepte bereits vorhanden sind, seien 40 ganze Seiten voller Exceltabellen zusammengekommen, berichtet Kultursenator Carsten Brosda. Sie sind ein entscheidender Grundstein für den Kultursommer, denn nicht die Kulturbehörde selbst fungiert hier als Veranstalterin (anders als in Wien, wo eine öffentliche Veranstaltungsagentur die Planung und Durchführung übernimmt), sondern die jeweiligen Theater, Kinos, Konzertveranstalter oder freien Gruppen.
Schwerpunkt soll auf der Freien Szene liegen
Ein Schwerpunkt soll auf der von der Pandemie besonders schwer getroffenen Freien Szene liegen, außerdem auf der Kinder- und Jugendkultur. Bewusst wurde der Zeitraum zum großen Teil in die Schulferien gelegt – Familien, die nicht verreisen, sollen Angebote in der Stadt finden.
Alle Sparten sollen nach Möglichkeit vertreten sein: Musik, Theater, Performance, Film, Tanz, Bildende Kunst, Literatur. Unabhängige Buchhandlungen dürfen sich ebenso beteiligen wie Galerien, Stadtteilkulturzentren oder die Elbphilharmonie, deren Vorplatz Kultursommer-Spielstätte werden wird. Einige Hamburger Programmkinos wollen eine gemeinsame Aktion einbringen – genauere Planungen sind hier wie bei den meisten anderen noch in der Abstimmung.
Staatsoper und Philharmoniker wollen mit drei Projekten dabei sein
Anderswo wird man schon konkreter: Staatsoper und Philharmoniker wollen mit drei Projekten dabei sein. Für den 14. August ist ein Open-Air-Konzert auf dem Rathausmarkt in Planung, einen Tag später soll ein Opern-Open-Air folgen. Das zweite Konzert, eine Hommage an Jacques Offenbach, sei als Vorbote für den Saisonstart mit „Les Contes d’Hoffmann“ am 4. September gedacht, berichtet Opern-Intendant Georges Delnon.
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Drittes Extra soll eine szenische Produktion werden, die sich fünf Abende lang ab dem 20. August auf dem Vorplatz der Elbphilharmonie abspielt: „Playing Trump“, die einstündige Vertonung von Redetexten des Ex-US-Präsidenten, gesungen und dargestellt von der Mezzosopranistin Donatienne Michel-Dansac. Die Rathauskonzerte sollen, wie zuletzt 2019, umsonst sein, beim Opern-Projekt wird noch über diesen Aspekt beraten.
Ensemble Resonanz ist noch bei der Ideensuche
Das Ensemble Resonanz ist noch vage bei seiner Ideensuche für Kultursommerliches: „Wir finden die Idee toll“, sagte Geschäftsführer Tobias Rempe, „wissen aber noch nicht genau, was das für unsere Planung bedeuten würde.“ Auch bei den Symphonikern ist einiges in der Schwebe, aber noch nichts final geklärt. Und Ohnsorg-Intendant Michael Lang überlegt, die geplante Wiederaufnahme der musikalischen Frauen-Komödie „Tussipark“ (15. bis 26.7.) nach draußen zu verlegen, einen favorisierten Standort im Bezirk Hamburg-Mitte hat Lang bereits im Auge.
Rund zehn Millionen Euro hat Carsten Brosda für den Kultursommer einkalkuliert. An einem Hamburger Logo werde derzeit noch gebastelt, der Name aber, der zunächst als Arbeitstitel galt, steht fest. Auch wenn, wer gestern unter www.hamburgerkultursommer.de online schaute, sich wunderte: Der Hamburger Kultursommer bestand da aus zwei einsamen Konzerten auf der Bahrenfelder Trabrennbahn.
Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:
- Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
- Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
- Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
- Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
- Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).
Eines mit Scooter, eines mit Mark Forster. Der Hintergrund: eine Namensgleichheit. Die Konzertagentur FKP Scorpio hat der Kulturbehörde aber schon erlaubt, in diesem Sommer den größeren, bunteren, wilderen Hamburger Kultursommer auch so nennen zu dürfen.