Hamburg. Bestseller-Autorin Adrienne Friedlaender hat ein neues Buch geschrieben. Darin geht es um den coolen Umgang mit gesellschaftliche Tabus.

Warum „darf“ man nicht offen über Geld sprechen, und warum werden die Themen Krankheit und Tod so oft ausgeklammert? Ist es nicht okay, nervtötende Kinder auch als solche zu bezeichnen, und wie sieht’s mit der Leidenschaft im Alter aus? Fragen wie diesen widmet sich Autorin Adrienne Friedlaender in ihrem neuen Buch „Ist das verboten oder darf ich das?“.

Vor rund vier Jahren wurde ihr Erstling „Willkommen bei den Friedlaenders“ zu einem Bestseller, in dem die alleinerziehende Mutter ihr gemeinsames Leben mit vier Söhnen und dem 22-jährigen Syrer Moaaz beschreibt, den sie völlig ohne Vorbereitung und Plan in die Familie integrierte.

Nun also ihr neues Buch, über das die apart-charmante Endfünfzigerin sagt: „Regelbrechen kann ganz neue Möglichkeiten schaffen und uns helfen, gelassener und erfolgreicher zu sein. Und es macht uns nicht nur frei, sondern oft auch glücklich.“

Bestseller-Autorin Adrienne Friedlaender bringt neues Buch heraus

Die gebürtige Hamburgerin ist in ihrem Leben selbst nur selten den geraden Weg gegangen. Die Schule verließ sie kurz vor dem Abi, um Reitlehrerin zu werden, später arbeitete sie unter anderem in der Immobilienbranche, als Partnervermittlerin und Kellnerin. Einer solchen Autorin nimmt man es einfach ab, wenn sie schreibt, dass Dinge irgendwann angefangen haben, sie zu nerven und zu erstaunen, und dass sie einfach anfangen musste, nicht mehr alles als gegeben hinzunehmen.

Über die Idee zu ihrem neuen Buch spricht Adrienne Friedlaender im Garten – Hund Carlo immer fest im Griff, der gerade eine Trotzphase hat. Die Grünzone hinter ihrer Blankeneser Wohnung ist teils gepflegt, teils verwildert, was geradezu symbolisch wirkt. Denn die Autorin führte nach außen vordergründig lange das Leben einer klassischen „Elbvorortepflanze“, wie sie sagt, während es hinter den Kulissen oft ziemlich rundging. „Wenn ich morgens an Kita oder Schule von irgendwelchen Problemen berichten wollte, blickte ich nur in mitfühlend lächelnde Gesichter und erntete erstauntes Kopfschütteln“, erinnert sie sich.

Im Buch ist das entsprechende Kapitel trefflich so überschrieben: „Kiffen, Klauen, Klausur verhauen: Während bei uns wieder mal die Bude brennt, scheinen andere Familien nur Sonntagskinder zu haben.“ Fried­laen­ders Erkenntnis kam spät, aber nicht zu spät: „Stehen wir Eltern im permanenten Erziehungswettbewerb?“, fragte sie sich, „und warum ist es tabu, über Probleme mit den Kids zu sprechen?“ Erst kürzlich fragte sie bei einer ihr gut bekannten Nachbarin nach, was die denn für ihr neu erworbenes Haus bezahlt hatte.

Ist das verboten oder darf ich das?“ ist bei Blanvalet erschienen. Das Buch hat 256 Seiten und kostet 15 Euro.
Ist das verboten oder darf ich das?“ ist bei Blanvalet erschienen. Das Buch hat 256 Seiten und kostet 15 Euro. © Penguin Random House | Penguin Random House

„Sie verzog sich sofort und machte ein Gesicht, als wollte ich nackt auf der Straße Yoga machen“, sagt Friedlaender. „Über Geld spricht man nicht? Wieso denn eigentlich nicht? Wenn man in Büros mal offener übers Gehalt reden würde, könnte das für Neueinsteiger doch eine echte Hilfe sein.“ Sie selbst war nie so – und sie wollte auch nicht so werden. Und da sie nach wie vor sicher ist, dass viele andere es ähnlich sehen, schrieb sie ihr Buch, das sie als „fröhliche Anregung zum Regelbrechen“ versteht.

"Man sollte viel häufiger seinem Bauchgefühl folgen"

Zwei Begebenheiten werden darin geschildert, die man als Schlüsselerlebnisse bezeichnen könnte. Bei einem Familienkaffee fragte eine Bekannte namens Elisabeth, deren Tochter vor Kurzem verstorben war, nach dem Wohlergehen der Friedlaender-Jungs. „Irgendwie war mir da schlagartig klar, dass ich die Frage nicht einfach beantworten konnte, als sei nichts geschehen“, sagt die Autorin. „Obwohl alle anderen am Tisch das wohl für selbstverständlich hielten.“

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Als sie, statt der wohl allgemein erwarteten Larifari-Antwort, Elisabeth fragte, wie sie selbst denn mit ihrem schweren Verlust umgehe, habe in der Runde betretenes Schweigen geherrscht. „Ihre Augen füllten sich zwar mit Tränen, aber sie sprach dann ganz ausführlich und auch gerne über ihre Tochter“, erinnert sich Friedlaender. „Da wurde mir deutlich, dass man viel häufiger seinem Bauchgefühl folgen sollte und diese ungeschriebenen Regeln eben auch mal brechen muss.“

Erlebnis Nummer zwei ist wesentlich lustiger – und wie so viele Beispiele im Buch dürfte es so oder ähnlich jede und jeder kennen. In einem Hamburger Hallenbad pflügte ein „Hardcore-Krauler“ unvermittelt rücksichtslos durch die schwimmenden Gruppen. „Alle schüttelten den Kopf, alle schimpften leise vor sich hin, aber keiner unternahm etwas“, sagt Friedlaender, die sich dann zum Gegenangriff entschied. Sie stellte sich dem Schwimm-Rüpel in den Weg, spannte alle Muskeln an und ließ den Mann buchstäblich auflaufen. Danach gab es überall im und am Wasser angedeuteten Applaus, beifälliges Kopfnicken und zustimmendes Lächeln. „Aber warum haben erst alle so lange mitgemacht?“, fragt sie, „da stimmt doch irgendwas nicht.“

 Weder moralisierend noch belehrend

Das Buch kommt weder moralisierend noch belehrend daher und unterscheidet sich von Vergleichbaren entsprechend vor allem durch seinen Humor und die oftmals kernige Sprache. Ein Beispiel: Bei einem Abendessen servierte Adrienne Friedlaender ihren gleichaltrigen Gästen beim Auftragen auch eine Frage mit, die es in sich hatte: „Sagt mal, wie oft habt ihr eigentlich noch Sex?“ Die Reaktion am Tisch beschreibt sie dann so: „Ada wurde rot und fing an zu kichern, Friedrich beschäftigte sich plötzlich extrem intensiv mit seinen Spaghetti, Sabine bekam so einen Lachkrampf, dass ihr eine Nudel aus dem Mund flog.“ Geredet wurde dann trotzdem ausführlich – und sogar zur allseitigen Erleichterung.

Adrienne Friedlaender ist keine verkopfte Lebenshelferin. Sie bezieht sich nicht auf Studien und hat auch keine wissenschaftlich untermauerten Botschaften parat. Sie schildert ihre Alltagsbeobachtungen, die sie mal interpretiert, mal unkommentiert stehen lässt. Auf diese Weise eröffnet sie Leserinnen und Lesern viele Spielräume, und man kann ihr zustimmen oder nicht. Auch dafür gibt es eben keine Regeln.