Hamburg. Theaterkritik: „Ich bin die Leander - Zarah auf Probe“ im St. Pauli Theater ist ein Wunder, von dem man nicht genug kriegen kann.

Mit zackigem Schritt eilt sie auf die Bühne, mit Pelzmantel und Kopftuch verhüllt, die Augen hinter einer Sonnenbrille verborgen. Die Band auf der Bühne des St. Pauli Theaters wartet schon. Zarah Leander hat allerlei hinter sich. Vor allem eine fünfjährige Zwangspause in ihrer schwedischen Heimat wegen anhaltender Kollaborationsvorwürfe mit dem Dritten Reich. Deshalb singt sie auch irgendwann das schön-dunkle „Mich hat die Welt kaltgestellt“. Doch nun soll es auf eine Tournee nach Saarbrücken und Detmold gehen. Das große Comeback soll es werden.

Doch zuvor gilt es, in Hamburg zu proben. Und deshalb heißt der nun uraufgeführte szenische Liederabend „Ich bin die Leander – Zarah auf Probe“. In die Rolle der UFA-Schauspielerin begibt sich einmal mehr der Chansonnier und Schauspieler Tim Fischer, der gemeinsam mit Ulrich Heissig auch das Buch schrieb, und an diesem Abend beweist, dass er ein absoluter Ausnahmeinterpret ist. Der Auftritt hat Biss, Präzision, Humor, Melancholie und viel verwegen nachtblauen Glamour.

Hamburg: Vom Zauber der immer neuen Liebe

Das Bühnenbildner-Duo Georg und Paul hat eine teils zersplitterte Glasfassade auf die Bühne gestellt, eine Art Dachboden, auf dem die von Dania Hohmann und Ulrich Waller eingerichtete – historisch nicht überlieferte – Hamburger Probe des Jahres 1948 stattfindet. Sehr fein sind all die Gassenhauer von Ralph Benatzky bis Peter Kreuder arrangiert und von Mathias Weibrich (Piano), Bernd Oezsevim (Schlagzeug) Hauke Renken (Vibrafon) und dem Bassisten und musikalischen Leiter Oliver Potratz sanft jazzig dargeboten.

Tim Fischer als Zarah Leander im St. Pauli Theater.
Tim Fischer als Zarah Leander im St. Pauli Theater. © Unbekannt | KERSTIN SCHOMBURG

Fischers Zarah Leander versenkt reichlich Zigaretten in einem dicken Kristallaschenbecher und singt und plaudert aus ihrem Leben. Von dem Zauber der immer neuen Liebe („Jede Nacht ein neues Glück“), von einem Mann, der sie besonders fasziniert hat („Er heißt Waldemar“) und von den „Schatten der Vergangenheit“. Die holen sie immer wieder ein, und so ruft sie Erinnerungen an Begegnungen mit Joseph Goebbels hervor, der ihr penetrant nachstieg. Und an Adolf Hitler, mit dem sie – angeblich - über seine Frisur witzelte.

Fischer singt gekonnt mir rollendem R

Die sich selbst stets als unpolitisch betrachtende Künstlerin erzählt aber auch, wie sie sich für den homosexuellen Texter Bruno Balz einsetzte. Von der Lust und dem Erfolg, aber auch von den Demütigungen und der Einsamkeit singt sie natürlich mit gekonnt rollendem R. An Zarah-Leander-Imitatoren herrscht ja wahrlich kein Mangel. Tim Fischer aber gelingt eine sehr eigene, kluge Interpretation der berühmt-berüchtigten Film-Diva. Er nimmt die Evergreens ernst, präsentiert sie erneuert und frisch und legt so viel Humor, Drama und Klasse in sein nuanciertes Spiel, in jeden Augenaufschlag und jede wohl platzierte Geste, dass man von dieser „Probe“ nicht genug kriegen kann.

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Am Ende will die Band das „Wunder“ spielen, gemeint ist natürlich der Hit „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen.“ „Brauchen wir eins?“, fragt die Diva keck. Dieses Theaterwunder sollte man unbedingt anschauen.

„Ich bin die Leander – Zarah auf Probe“weitere Vorstellungen 16.-20.6., 1.-5.9., jew. 19.30, Karten in der Abendblatt-Geschäftsstelle, Großer Burstah 18-32, T. 040/30 30 98 98, www.st-pauli-theater.de