Hamburg. Der neue Band führt in den kalten Osten und hält ein paar nette Seitenhiebe auf alternative Fakten und Verschwörungsmythen bereit.

Alles mal ganz anders bei Asterix. Schon die Landschaft. Alles weiß, alles Schnee. Ein paar Sprechblasenbilder in winterlichem Umfeld, Fans werden es wissen, gab es durchaus schon, in „Asterix bei den Schweizern“ etwa oder „Asterix und Kleopatra“. Aber ein ganzer Band in ewigem Eis, das ist neu. Der Druide Miraculix ist denn auch gleich total verschnupft und fällt weitestgehend aus.

Aber schlimmer noch: Auch der Zaubertrank ist gefroren. Und verliert dabei seine unbesiegbare Wirkung. Aufkochen hilft da nichts. Asterix, der unbeugsame Gallier, muss sich einmal anders bewähren. Und auch Idefix, der treue Hund des Hinkelsteinträgers Obelix, büxt hier in die Wälder aus, um künftig mit den großen Wölfen zu heulen. Da sind die beiden Gallier mal ganz auf sich allein gestellt. Asterix unplugged, sozusagen.

"Asterix und der Greif" knüpft an die klassischen Hefte an

Bei der weltweit beliebten Comicreihe gibt es ja grob genommen zwei Sorten von Abenteuern. Die, die im heimischen Dorf in Gallien spielen, und die, in denen Asterix, Obelix und Idefix auf Reisen gehen. Das tun sie nun auch im 39. Band „Asterix und der Greif“, der in dieser Woche mit einer internationalen Auflage von fünf Millionen Exemplaren erschienen ist. Ein Band, der wieder ganz an die klassischen Hefte des Asterix-Erfinders Albert Uderzo anknüpft, der die Reihe bis 2008 gezeichnet hat. Wobei das mit dem Reisen allmählich zum Problem wird: Asterix war ja schon so ziemlich überall auf der Welt. Nicht nur in den in der Antike bekannten Ländern. Sondern auch schon im orientalischen Märchenland oder gar in Amerika.

Wohin also noch aufbrechen? Texter Jean-Yves Ferri und Zeichner Didier Conrad, die Uderzo vor zehn Jahren beerbt haben, schicken in ihrem mittlerweile fünften gemeinsamen Band (und dem ersten, das nach Uderzos Tod im März 2020 erscheint) buchstäblich in einen weißen Fleck der damaligen Weltkarte: weit jenseits vom Römischen Weltreich, im tiefen, kalten Osten, den die alten Römer „Barbaricum“ nannten und von dem sie keine Ahnung, aber viele Vorstellungen hatten. Und viele falsche bis hanebüchene, wie historische Quellen belegen.

Etwa die vom Greif, einem Fabelwesen, halb Löwe, halb Adler. Cäsar bekommt eine Amphore mit der Abbildung dieses Wesens. Prompt will er ein lebendes Exemplar davon. Nicht etwa aus wissenschaftlichem Interesse. Er will es als Schauobjekt für die Zirkusspiele, um sich beim Pöbel beliebt zu machen. Also muss ein Trupp Römer in das unbekannte Gebiet aufbrechen, um einen Greif aufzugreifen. Ein Stammesgenosse der ortsansässigen Sarmaten ruft daraufhin die legendären unbeugsamen Gallier zu Hilfe. So machen auch die sich auf den langen, beschwerlichen Weg in die eisige Landschaft.

Für Asterix geht es in den kalten Osten

Ferri und Conrad halten sich nicht lange damit auf, das Gebiet irgendwo zwischen Russland, Kasachstan und der Mongolei historisch genau zu rekonstruieren. Es geht schließlich um antike Fantasien und Angstvisionen. Das schafft Raum für kreative Freiheiten. Und die nehmen sich die Asterix-Autoren stark heraus. Bei dem Reitervolk der Sarmaten sind es einmal mehr Frauen, die kämpfen – die Emanzipation wird ja bei Asterix von Band zu Band stärker.

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Die Amazonen tragen dabei Namen wie Matrjoschka oder Kalaschnikowa, und auch der Häuptling ist eine Frau. „Du machst mir Spaß, kleiner Asterix“, sagt sie einmal zu dem Gallier: „Leider verstehen die Römer nur eine Sprache, die des Krieges. Und Krieg ist nun mal Frauensache.“ Die Herren der Schöpfung heißen dagegen Ötküsine und Terrine und haben ihren Platz, man ahnt es, am Herd.

Die Weltkarte, die die Römer ins Barba­ricum führt, verzeichnet ganz rechts oben eine massive Wand aus Eis, die verdächtig an die Fantasy-Serie „Game of Thrones“ erinnert. Hier aber soll sie eher das Ende der Welt markieren. Denn obwohl Pythagoras längst bewiesen hat, dass die Erde rund ist, gibt es immer noch ein paar Ewiggestrige, die glauben, dass sie eine Scheibe sei. Oder noch schlimmer, wie man von einem vermeintlich aufgeschlossenen Zenturio erfährt: „Pah, rund oder flach, Hauptsache, der Riese Atlas lässt sie nicht von seinem Rücken kullern.“

Asterix: Es gibt rund 385 Millionen verkaufte Bände

Solche verkrusteten Einstellungen, der Glaube an Fabelwesen und die Leugnung wissenschaftlicher Fakten, das sind ein paar hübsche Seitenhiebe auf Fake News, alternative Fakten und Verschwörungstheorien. Das macht ja einen großen Reiz der Asterix-Bände bei Jung und Alt aus und erklärt zum Teil ihre weltweite Beliebtheit – mit rund 385 Millionen verkauften Alben und Übersetzungen in 111 Sprachen und Dialekten sind sie eine der erfolgreichsten Serien nicht nur im Comic-Bereich, sondern in der ganzen Belletristik.

Weil man sich hier stets auf zwei Ebenen amüsieren kann und trotz des ewig gleichen Handlungsdatums (50 vor Christus, ein Jahr, in dem die Gallier schon ganz schön viel erlebt haben) viele Parallelen zur heutigen Welt geschlagen werden. Etwa auch was die Ausbeutung von Land und Natur betrifft: Wenn die Römer von fremden Wesen hören, wollen sie sie gleich rauben und buchstäblich ausschlachten. Ganz nebenbei werden dabei auch noch die Rohstoffe vor Ort abgestaubt.

Asterix, der ja immer schon ein Held der Völkerverständigung und der europäischen Idee war, wird hier auch zum Öko-Aktivisten und Bewahrer von örtlichen Gewohnheiten und Kulturgütern. Dafür bewegt er sich diesmal auch auf dünnem Eis. Auf einem Eismeer, das just dann zu knacken beginnt, als alle, die Römer wie die Gallier, darüberlaufen.