Hamburg. Der Hamburger hatte im Lustspielhaus Premiere mit dem Programm „Die Vereinigten Träume von Europa“. Dabei wurde er auch persönlich.

Namen sind oft Schall und Rauch, ebenso Programmtitel. Sebastian Schnoy jedoch hat sich auf deutschen Kleinkunstbühnen einen Ruf als History-Kabarettist erspielt, indem er geschichtsträchtige Themen humorvoll in die Gegenwart transportiert. Gern mit Humor, durchaus mal flapsig, stets ohne moralischen Zeigefinger. Und so macht sich der Hamburger Spötter und Buchautor bei der Premiere seines neuen Soloprogramms im Lustspielhaus nicht nur selbstironisch über die drei Verschiebungen seit dem Frühjahr 2020 lustig (ohne das Wort mit „C“ zu nennen), sondern auch über das geänderte Motto.

„Stoppt Strauß!“ – der Slogan aus dem Bundestagswahlkampf 1980 – hätte das Programm einst hießen sollen, scherzt der Satiriker, doch auch ohne diesen Rückgriff auf den früheren CSU-Polarisierer bietet Schnoys neuer Abend einige Reizpunkte beim Blick über die deutschen Grenzen hinaus. Für „Die Vereinigten Träume von Europa“ spannt er den großen Bogen vom frühen 20. Jahrhundert bis zur Gegenwart, nicht ohne diesen von 1945, dem Ende des Zweiten Weltkriegs, mit einer kurzen Reminiszenz ans gemütliche „Hamburg 75“ und den kürzlich gestorbenen Lustspielhaus-Stammgast Hans Scheibner zu versehen.

Kabarett: Schnoy zeigt das Alltägliche in großen Themen

Bricht Schnoy die großen Themen aufs Alltägliche, aufs Persönliche, aufs Private herunter, überzeugt er am meisten. Etwa wenn er sich ausmalt, dass die Franzosen in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs lieber zwei Stunden Mittagspause machten, die Deutschen dann am Nachmittag 20 Minuten Kaffeepause. Schnoys Sprünge sind manchmal gewagt, thematische Abschweifungen inklusive, doch seine pro-europäische Haltung mit Vorschlägen, ob die Türkei nach fast zwei Jahrzehnten des Wartens in die EU aufgenommen werden solle, stellt er im Saal mehrmals zur Abstimmung.

Beim Thema Widerstand (nach 1933) wird er aktuell: „Wir Deutschen können den Russen da keine großen Tipps geben“, meint Schnoy angesichts der Hitler-Vergangenheit und der wenigen kritischen Stimmen gegen den Kriegstreiber Putin in dessen Heimatland. „Mit Höflichkeit und einer Waffe, erreicht man mehr als nur mit Höflichkeit“, zitiert er den russischen Präsidenten.

Beim Kabarettisten selbst scheitert der Widerstand schon im Kleinen, etwa im Barber-Shop, wenn der Friseur sich als Erdogan-Anhänger entpuppt und an seinem Hals hantiert oder beim Zahnarzt, wenn der bekennende FDP-Wähler noch die Bohrer auswählt. Da bleibt beim Zuschauer zumindest kein Auge trocken. Dank eigener Erfahrungen beim Anzugkauf mit einem kompetenten schwarzen Verkäufer füllt Schnoy die These „Rassismus ist der kleine Bruder des Faschismus“ ebenfalls gewitzt mit Leben.

Sebastian Schnoy kommt auf private Situation zu sprechen

Bei seinem Plädoyer für eine globale friedliche Zivilgesellschaft und dem Vorrang für „Regionen statt Religionen“ kommt der vierfache Familienvater noch mal auf seine private Situation zu sprechen. Er sei ein Jahrzehnt mit einer Französin verheiratet gewesen – mit zwei Kindern. Jetzt lebe er mit einer Russin zusammen, ebenfalls mit zwei gemeinsamen Kindern. Mehr könne er als Deutscher für die Völkerverständigung nicht leisten, sagt Schnoy verschmitzt lächelnd. Und schwenkt am Ende seine mit zwölf neuen Sternen versehene eigene Europa-Fantasie-Fahne.

Sebastian Schnoy nächste Solotermine: 26.6., Norderstedt Kulturtreff, 7.7., 20.00, Kabarett Die Wendeltreppe, 13.10., Alma Hoppes Lustspielhaus; www.schnoy.de