Hamburg. Zum Finale des Festivals in der Elbphilharmonie sprach sich die Wissenschaftlerin dafür aus, die Zukunft pragmatisch anzupacken.

Er habe einige große und kleine Rätsel mitgebracht, sagt Moderator Bernd Ulrich im Kleinen Saal der Elbphilharmonie. „Die wird Maja hoffentlich für uns lösen.“ Maja Göpel neben ihm auf der Bühne reagiert mit amüsiert-aufgewecktem Blick. Die Erwartungen sind nicht gerade niedrig, wenn eine der derzeit prägendsten Wissenschaftlerinnen für Transformation, Nachhaltigkeit und Ökonomie zum Gespräch geladen ist.

Tatsächlich redet die 45-Jährige in den folgenden gut anderthalb Stunden äußerst viel Klartext. Und das völlig frei, unglaublich schnell und gewandt. Sie fragt, forscht und fordert. Und vor allem regt sie dazu an, die Zukunft beherzt und pragmatisch anzupacken.

Maja Göpel beim Harbour Front: Statt Lesung gibt es Diskurs

Der Austausch mit Bernd Ulrich, stellvertretender Chefredakteur der „Zeit“, markiert den Abschluss des 13. Harbour Front Literaturfestivals. Mit der neuen Reihe „Future“, bei der unter anderem Bestsellerautor Frank Schätzing und Aktivistin Luisa Neubauer zu Gast waren, hat sich das Festival als Debattenraum positioniert. Der Gegenstand Buch an sich tritt da mitunter in den Hintergrund. Statt Lesung gibt es Diskurs. Mit „Wir können auch anders“ wollte Maja Göpel eigentlich ihr zweites Buch vorstellen, doch dessen Veröffentlichung wurde auf März 2022 verschoben. Den Gehalt des Abends schmälert das nicht.

Warum Deutschland derart sehenden Auges in die Klimakrise hineingehe, will Bernd Ulrich zum Beispiel wissen. Maja Göpel erläutert daraufhin den Begriff der „Pfadabhängigkeit“. Das heißt: Es haben sich bestimmte Wege etabliert, auf die Welt zu schauen und sich in ihr zu verhalten. Und dieser Umstand entschleunige den Wandel. Zu diesen Hemmnissen gehörten die Narrative, stets die Kosten des Klimawandels zu betonen und Regulierungen wie CO2-Besteuerung als Freiheitsberaubung zu interpretieren.

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Maja Göpel macht sich stark für eine Kultur der Suche

Maja Göpel macht sich stark für eine Kultur der Suche, bei der sich Einzelne und Kollektive mit ihren Innovationen immer wieder gegenseitig überholen. Es gebe nicht den einen Weg. Aber was Transformationsprozesse bräuchten, seien Erfolgsmeldungen statt ausschließlich Verbotsszenarien.

In Bezug auf die sich derzeit bildende Regierung hofft Maja Göpel, dass sich die Kompetenzen Soziales, Nachhaltigkeit und Wirtschaft unter den Koalitionspartnern stärker mischen und nicht wie separate Säulen nebeneinander stehen. Ob die Politik denn Angst habe, dass in den Deutschen das Schlechte zu stark zum Vorschein käme, wenn ihnen zu viel Veränderung zugemutet wird, will Bernd Ulrich zugespitzt wissen. Maja Göpel zeigt sich optimistisch: Die Corona-Krise oder auch die Flutkatastrophe habe deutlich gemacht, dass die Bevölkerung flexibel reagieren kann, sich solidarisch zeige und den Nutzen einer Schicksalsgemeinschaft verstehe.

Maja Göpel zeigt, wie das Kleine mit dem Großen zusammenhängt

Bei der Frage, wie sie denn als Wissenschaftlerin schlechte Nachrichten in die Produktion von Hoffnung überführe, wird Maja Göpel persönlich: Sie habe aufgrund ihres Aufwachsens und ihrer Ausbildung gewisse Privilegien erhalten, die sie nutzen möchte, um die Welt zum Positiven zu wandeln. Um nicht in den sogenannten Burn-Out-Aktivismus zu verfallen, wende sie sich dem Buddhismus und den Stoikern zu. Eine tiefe Menschlichkeit, zum Beispiel die Beschäftigung mit dem Tod, bringe Sinnhaftigkeit in das Leben. Auch in Bezug auf das Artensterben wäre es heilend, gewisse Trauerrituale zu praktizieren, erläutert Maja Göpel.

Eindrucksvoll veranschaulicht sie, wie das Kleine mit dem Großen und das Emotionale mit dem Analytischen zusammenhängt. Ausgehend von der Überausbeutung des Planeten seziert sie Macht- und Marktstrukturen – mit dem klaren Appell, ökologische und ökonomische Triebfedern nicht gegeneinander auszuspielen. Ein entscheidender Faktor ist Göpels Ansicht nach, wie sich der Besitz an Grund und Boden verteile. Ihre Ausführungen reichen dabei vom Berliner Mietmarkt bis zu globalen Eigentumsverhältnissen, die feudale Strukturen angenommen hätten. Ihr Fazit: „Die Quadratmeterzahl auf dem Erdball wächst nun einmal nicht.“

Göpel: „Klimawandel ist kein progressiv linkes Thema"

Immer wieder ist bei ihren Darlegungen deutliches Nicken im Publikum zu vernehmen. Doch die anwesende Klientel bleibt bei den kritischen Betrachtungen nicht außen vor. Warum Akademiker fünf bis 20 Mal so viel verdienten wie Leute, die richtig arbeiten, fragt Bernd Ulrich. Maja Göpel betont, dass die Diskussion um Wertschätzung und Systemrelevanz politisiert werden müsse. Zugleich verweist sie aber auch auf den Unterschied zwischen den Generationen: Der akademische Nachwuchs, der nicht verbeamtet sei, hangele sich von Projektförderung zu Projektförderung und von Artikelveröffentlichung zu Artikelveröffentlichung.

Spätestens seit Corona ist die Wissenschaft und deren Vermittlung in den Fokus gerückt. Dieser Abend zeigt, wie wichtig es ist, diesen Stimmen zuzuhören. Die Uhr läuft. Die kommenden Jahre sind entscheidend, um die Klimawende zu ermöglichen. Maja Göpel plädiert dafür, einen klaren Zeitplan zu definieren. Damit könne auch die Wirtschaft besser arbeiten. Denn, so Göpel: „Klimawandel ist kein progressiv linkes Thema, sondern Naturwissenschaft.“