Hamburg. Der Tumult um Lisa Eckharts Ausladung ist kaum verebbt, da erscheint ihr Debüt „Omama“. Wir haben es gelesen.

Gibt es das tatsächlich, dass ein Buch ersäuft im Formulierungsfuror? Also: dass man es, angesichts aller sprachlicher Originalität, doch gerne wieder aus der Hand legen möchte? Ja, das gibt es. Die neueste Version dieses Buches heißt „Omama“ und stammt aus der Feder der zuletzt im Auge eines Debattensturms stehenden österreichischen Kabarettistin Lisa Eckhart.

Kabarettistin Lisa Eckhart bringt neue Buchversion heraus

Zur Erinnerung: Die 27-Jährige wurde vergangene Woche vom Hamburger Harbour Front Literaturfestival nach eher theoretischer Aktivismus-Gefahr von linksaußen erst aus- und anschließend, nach beinah allenthalben deutlicher Kritik an jener Beschneidung der Freiheit der Kunst, wieder eingeladen.

Da wollte Lisa Eckhart mit ihrem jetzt erscheinenden Debüt aber nicht mehr teilnehmen an den „Debütantensalons“, in denen alljährlich der beste erste Roman einer Autorin oder eines Autors gekürt wird. Der Sieger erhält den mit 10.000 Euro dotierten Klaus-Michael Kühne-Preis, der seinen Namen nach einem der Hauptgeldgeber des Festivals trägt. Interessante Frage, wie es dieser Klaus-Michael Kühne eigentlich gefunden hat, mit der umstrittenen Künstlerin und den Hamburger Vorgängen in Verbindung gebracht zu werden – gleich doppelt gilt hier das Stichwort „Cancel Kultur“.

Vorwürfe gegen Eckhart, sie verstärke Vorurteile

Wer mit wem oder was in Verbindung gebracht wird, werden will oder eben nicht: ein großes Thema. Lisa Eckhart, die im wahren Leben Lisa Lasselsberger heißt, wird von manchen vorgeworfen, in ihren Bühnenprogrammen, die auch in der ARD ausgestrahlt werden, die Themen Rassismus und Antisemitismus nicht etwa zu entlarven (was allerdings erkennbar ihr Ziel ist), sondern Vorurteile zu verstärken.

Halten wir fest, dass es, sofern sich der vom Sprachsturm nicht desorientierte Rezensent da nicht vertan hat, im nun erscheinenden Eckhart-Debüt „Omama“ bis zu Seite 268 dauert, ehe es heißt: „Jetzt tuan S‘ net Tschachern wie a Jud!“, knallt die am Verkauf von zweifelhaften Kosmetika interessierte Großmutter einem unwilligen Herrn entgegen.

"Omama" ist ein romangewordener Poetry Slam

Man kriegt da keine Schnappatmung, denn das ist natürlich Rollenprosa. Die Erzählerin selbst ist es, die sich zum Ende hin von der doch inniglich geliebten Alten („Und genau deswegen kann ich ihr nicht jeden Schwachsinn durchgehen lassen“) sagen wir ruhig: weltanschaulich distanziert und deren Handeln sowieso fortlaufend ironisiert. Ohne je darauf zu verzichten, in krachledernem Deutsch bzw. Österreichisch und immer lustvoll von den Umtrieben der Omama zu berichten.

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„Omama“, dieser romangewordene Poetry Slam, ist am ehesten so etwas wie eine Schelminnenkomödie, in der die Lebensgeschichte der Steiermärkerin Helga erzählt wird. Eine Jugend unter russischer Besatzung, dann die Landverschickung zwecks Erwerb eines Bräutigams, viel später die auf ihre reiferen Tage in Sachen Kapitalismus erfinderischen Unternehmerjahre – Helga schmuggelt im größerem Stil Fleisch aus Ungarn nach Austria – und als krönender Abschluss gemeinsame Reisen mit der Enkelin: Das sind die Etappen dieses im Hinblick auf den Aufbau allzu lässigen Romans, dessen innerer Zusammenhalt weit mehr als aus den Lebensschritten der Großmutter aus dem bösen Humor der Erzählerin besteht.

Omama Helga ist die Hauptfigur des Buches

Insofern ist Omama Helga, die leider nicht ganz so hübsch wie ihre Schwester Inge ist und deshalb gar nicht erst vor den Russen versteckt werden muss, eine wunderbare Hauptfigur. Die Handlung – als „der Russe“ nach Österreich kam und man sich mit ihm arrangieren musste, als man als Ungelernte in fremder Leute Haushalt arbeiten musste, als man eine Familie gründete, als man mit der Enkelin die Welt erkundete – ist im Grunde nicht mehr als ein Anlass, um Gags rauszufeuern.

Aber da zeigen sich dann eben das immense Talent und die Originalität Lisa Eckharts. Wer sie als Poetry-Slammerin und Kabarettistin mochte und mag, der wird „Omama“ schätzen. Wer kein gesteigertes Interesse an Lästereien über Piefkes („Der Österreicher hasst den Deutschen nicht mehr und nicht weniger, als es alle anderen tun“) oder hundsgemeinen Herabwürdigungen („Und wenn die Inge etwas braucht, ist das Sauerstoff im Gehirn. Noch ein paar Zellen weniger, und sie ist nicht mehr stubenrein“, „Weiber muss man plappern lassen, bis die Batterie leer ist“) hat, der wird aus der Lektüre keinen Gewinn ziehen.

Lisa Eckhart: „Omama“.  Zsolnay Verlag. 384 S., 24 Euro
Lisa Eckhart: „Omama“. Zsolnay Verlag. 384 S., 24 Euro © Zsolnay Verlag | Zsolnay Verlag

Zuletzt hat sich Lisa Eckhart, angesprochen auf den Eklat von Hamburg, dahingehend geäußert, wie sehr sie die Komik schätze. „Wie geht man mit Antisemitismus und Rassismus um? Erhebt man sie zum Tabu oder degradiert man sie zum Witz? „Ich bin immer auf der Seite des Humors“, sagte sie da und ergänzte, wie sehr ihre Auftritte „fast schon beschämend“ vor Humanismus und Feminismus trieften.

Über den Prolog kann man herzhaft lachen

Nun, man muss schon genau hinsehen, um in „Omama“ eine feministische Schrift zu entdecken. Das ist auch gut so, denn über Feminismus kann man selten lachen, meistens sollte man es ja auch nicht. Herzhaft lachen kann man aber über den Prolog, den Eckhart ihrem Roman voranstellt. Er handelt von der Konkurrenz zwischen Mutter und Großmutter, zwischen Oma und Oma, vom Bohei ums Baby – das alles im amüsanten Ton der Alles-Checkerin, die mit großer Geste die Welt erklärt, von der sie vor allem weiß, dass ihr keinerlei Zauber innewohnt.

Und man kann sich, trotz auf die Dauer absoluter Pointenüberforderung, an Stellen wie der folgenden delektieren, die in ihrem scharfen Zynismus eine immense Lust an der Sprache offenbart und das Können, diese in Sätze umzuwandeln: „Die Großmutter kann hemmungslos zerfließen in Aussicht auf das Enkelglück. Bald übersteigt ihre Euphorie die der Mutter um vier Gallonen Fruchtwasser.

Omama strickt Strampler und häkelt Söckchen

Die quälenden neun Monate vor der Niederkunft des Enkels, in denen dieser noch in der Rotisserie der Mutter schmort, bis er endlich verehrfertig ist, vertreibt sich die Großmutter in spe mit dem neurotischen Erwerb von Geschenken. Oder mit deren Anfertigung, so ihr euphorischer Tremor dies zulässt. Dann werden eifrigst Strampler bestickt, Söckchen gehäkelt und Häubchen gestrickt. Alles, um den neuen Heiland aussehen zu lassen wie eine eklektische Collage mittelalterlicher Narren aller Höfe und Epochen.“

Lisa Eckhart ist in der Tat eine hochtourig operierende Närrin geworden. Aus ihrer Vita wissen wir, dass sie die ersten sechs Jahre ihres Lebens bei ihren Großeltern aufwuchs. Nun veröffentlicht sie „Omama“, das wir lesen dürfen als Würdigung der Herkunft – und wuchtiges Dokument eines keine Wunden scheuenden Humors.