Hamburg. Im Video: So war der Auftritt des Weltstars. 250 Bands spielen bis Sonnabend auf 35 Bühnen in der Hansestadt. 20.000 Besucher erwartet.
Auf St. Pauli brennt noch Licht: Jan Delay hat viel Kritik einstecken müssen, als er diese Zeilen vor sieben Jahren sang. Und doch waren sie nie wahrer als jetzt. Der Kiez erwacht wieder, und ein besonders deutliches Lebenszeichen gibt es mit dem Start des Reeperbahn Festivals.
„In Clubs, in Konzerthallen, auf den Festivalgeländen wurde es sehr still. Manche befürchteten gar, das Jahr der Corona-Pandemie würde deswegen in Anlehnung an den Song ,American Pie’ als ,The Year the Music Died’ in die Annalen der Musikgeschichte eingehen. Dass es anders gekommen ist, dass wir heute mit der Eröffnung des Reeperbahn Festivals Musik als Gemeinschaftserlebnis feiern können, ist großartig“, sagt Kultur-Staatsministerin Monika Grütters bei der Eröffnungsshow im Operettenhaus.
Reeperbahn Festival eröffnet mit Sting
Dort richten Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher, Kultursenator Carsten Brosda und Festival-Chef Alexander Schulz die Augen auf Weltstar Sting, der neben Joy Denalane, Ätna und Drippin das Festival musikalisch einläutet.
Für den neuen Song „Rushing Water“ vom im November erscheinenden Album „The Bridge“ gibt es großes Hurra für Sting. „Ich war seit zwei Jahren nicht mehr auf der Bühne, es ist eine Ehre, das Reeperbahn Festival zu eröffnen“, sagt er, er finde es toll, dort zu spielen, wo schon die Beatles und viele weitere Bands ihre Karrieren begannen.
Ironischerweise ist ausgerechnet das Reeperbahn Festival nun gewissermaßen die letzte Kiez-Bastion für Corona-Beschränkungen. In der Nacht zum Sonnabend fallen in den Clubs, die sich für 2G entschieden haben, Maskenpflicht und Abstandsgebot. Das Festival aber wird bis zum letzten Konzert am Sonntag beim 3G-Modell bleiben.
Reeperbahn Festival hatte 2020 8000 Besucher
Dennoch beginnt das Festival dieses Jahr unter deutlich besseren Rahmenbedingungen als 2020. Nur 8000 Besucherinnen und Besucher verloren sich auf der zum Großteil stillgelegten Reeperbahn, wo sich in den Vorjahren 50.000 Festivalfans unter den Trubel von St. Pauli mischten. Vier Tage herrschte 2020 bei aller musikalischen Klasse Tristesse zwischen Millerntor und Nobistor.
Wer gut war, schaffte durch die langen Kontroll- und Wartezeiten an den Eingängen zwei Bands am Abend. Und das Signal für einen Neustart der Livemusik verpuffte im November, als der Lockdown einsetzte und für Musikfans lange Monate der Entbehrung anbrachen.
20.000 Besucher für diesjähriges Festival erwartet
Dieses Jahr erwartet Alexander Schulz 20.000 Besucherinnen und Besucher sowie weitere 1000 Branchenvertretende. Und die werden auch kommen, bis auf Tagestickets für den Mittwoch sind alle Karten im Vorverkauf abgesetzt worden. Wer ein Ticket besitzt, darf sich auf eine breite Auswahl mit 300 Konzerten in 35 Spielstätten freuen. Die Auslastung liegt im Schnitt bei 40 Prozent, das entsprechende finanzielle Loch, ungefähr eine Million Euro, stopft der Bund. Und den Abstand zwischen den Menschen vor den Bühnen überlassen die Ordnungsdienste überwiegend den Fans.
Die Hälfte der 250 Bands, die teilweise mehrfach auftreten, kommen aus dem Ausland, unter anderem aus dem Gastland Südkorea. K-Pop dominiert seit Jahren weltweit die Streamingcharts und will auch in Deutschland mit geradezu industriell kreierten Stars vom Hitfließband in Deutschlands Jugendzimmern weiter Fuß fassen. Über 80 Bands des Festivals sind allerdings absolute Newcomer, die mit ihren ersten Songs ihre ersten größeren Auftritte feiern. Der klassische Weg. Sechs davon sind für den Festivalpreis „Anchor“ nominiert: Florence Arman, May The Muse, Yard Act, PVA, Lie Ning und Oska.
Reeperbahn Festival: Konzerte live übertragen
Die etablierteren Künstlerinnen und Künstler spielen auf den Open-Air-Bühnen auf dem Heiligengeistfeld und – etwas abseits – im Musikpavillon in Planten un Blomen. Mit dabei sind zum Beispiel Leslie Clio, Kadavar, Antje Schomaker, Betterov, Mavi Phoenix und Muff Potter. Wer kein Ticket bekommen hat oder unter den derzeitigen Umständen auf einen Kiezbummel verzichtet, kann 50 Konzerte auch zu Hause erleben, live oder zeitversetzt übertragen von Arte, NDR und auf der Festival-Homepage.
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Zu entdecken gibt es eine Menge, das zeigen schon die ersten Konzerte am Mittwoch. Das Regensburger Quintett Some Sprounds überzeugt mit zackigem Indierock im Festivaldorf auf dem Heiligengeistfeld, und auch die niederländische Sängerin Roosmarjin und die Schwedin Lisa Wanloo machen auf dem Spielbudenplatz Lust auf mehr, auf noch drei weitere Abende auf St. Pauli. Es ist ein Gefühl, als würde das gedimmte Licht des Quartiers wieder hochgefahren. Bei der Rückkehr auf den Kiez ist man fast schon geblendet.