Hamburg. „Ich sehe was, was du nicht siehst“ zum Mitmachen – jeden Montag beim Abendblatt. Heute: Ein Werk von Paula Modersohn-Becker.
Zärtlich blickt die Frau auf ihr Baby, das sie gerade stillt. Ein leises Lächeln umspielt ihren Mund, während das Kind ganz versunken scheint. Die Hand, mit der die Mutter den Kopf hält, wirkt abgearbeitet, die Kleidung ist funktional. Es scheint eine einfache Frau zu sein, die ihre Haare zu einem Knoten hochgesteckt hat, was gut zu Paula Modersohn-Beckers (1876–1907) Konzept passt, denn sie wollte mit Vereinfachung Wesentliches sichtbar machen.
Im Hintergrund sieht man zwei Bäume. Es könnte eine Szene aus der Künstlerkolonie Worpswede in der niedersächsischen Moorlandschaft sein. Das Bild strahlt Ruhe, Urvertrauen und Liebe aus.
Künstlerin des deutschen Expressionismus
Modersohn-Becker gilt als herausragende Künstlerin des deutschen Expressionismus. An einer Kunstakademie durfte sie nicht studieren. Frauen hatten dort noch keinen Zugang. Deshalb machte sie eine Ausbildung zur Lehrerin. 1897 kam sie zum ersten Mal in ihre spätere Wahlheimat. Sie nahm dort Unterricht bei Fritz Mackensen, traf aber auch Hans am Ende, Heinrich Vogeler und Otto Modersohn, den sie später heiratete.
Zunächst malte sie mit ihrem Ehemann gemeinsam, aber dann wurde es ihr in Worpswede zu eng, und sie orientierte sich mehr an Pariser Künstlern wie Gauguin und Cézanne. Mehrfach reiste sie in die französische Hauptstadt, um sich dort fortzubilden. Sie schuf Kinderbildnisse, Landschaften Stillleben und viele Selbstporträts. Einige ihrer Selbstbildnisse zählen zu den ersten Akt-selbstdarstellungen der Kunstgeschichte. Von ihren 750 Bildern hat sie zu Lebzeiten nur fünf verkaufen können.
Modersohn-Becker starb schon mit 31 Jahren
Oft malte sie einfache Leute. In Worpswede wurde Plattdeutsch gesprochen. Im Tagebuch notierte sie, dass der alte Jan Köster, nachdem er drei Stunden für sie Modell gesessen hatte, sagte: „So, dat Sitten is ’ne Lust. Min Arsch is ganz blind.“ Befreundet war Modersohn-
Becker unter anderem mit Rainer Maria Rilke und Gerhart Hauptmann.
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1907 kehrte sie schwanger aus Paris nach Worpswede zurück. Dort brachte sie Tochter Mathilde zur Welt, starb aber wenige Tage später an einer Embolie. Sie wurde nur 31 Jahre alt. Otto Modersohn sagte, ihre letzten Worte seien „Wie schade!“ gewesen. 1927 wurde ihr in Bremen als erster Künstlerin der Welt ein Museum gewidmet.