Hamburg. Veranstaltung in der Laeiszhalle punktet mit großartigen Gästen. Warum das Format am Ende nur langsam in Schwung kommt.

Als „Glückssucher und Gastgeber‟ wird er von einer Stimme aus dem Off in der Laeiszhalle angekündigt: Constantin Schreiber. „Schlag acht, genau meine Zeit“, witzelt der „Tagesschau“-Sprecher zur Begrüßung. Und er erläutert, warum er zu diesem Abend mit dem Titel „Glück im Unglück“ geladen hat: Er wolle den vielen schlechten Nachrichten dieser Tage nicht passiv gegenüberstehen und erkunde deshalb, wie sich Resilienz und Optimismus trainieren lassen.

Ein hehres und äußerst zeitgemäßes Anliegen. Doch: Nach Glück zu suchen und über Glück zu sprechen, mündet das automatisch auch in eine glücklich machende Veranstaltung? Bedingt.

Schreibers glücksaffine Gäste aus Medizin und Musik sind großartig

Schreibers glücksaffine Gäste aus Medizin und Musik, aus Sport und Sozialem sind für sich genommen allesamt großartig. Der Neurowissenschaftler Tobias Esch spricht sehr klug und anschaulich darüber, wie Glücksgefühle im Gehirn entstehen, wie sich die innere Zufriedenheit im Laufe des Lebens wandelt und welche Musik besonders positive Signale im Körper auslöst. Schreiber spielt zur Veranschaulichung eine Mozart-Sonate am Flügel. Und Esch erläutert, dass Melodien in Moll stets die Hoffnung auf das Dur in sich tragen. Eine Sehnsucht und Hoffnung. Das ist schön.

Von der Poesie der Neuronen geht es dann flott zur Hochleistung des Körpers. Olympiasiegerin Maria Höfl-Riesch redet über das Glück, das im Skirennlauf oftmals an hundertstel Sekunden hängt. Sie spricht über Verletzungspech, Kampfgeist und auch die Erleichterung, nach dem Ende ihrer Karriere weniger Druck ausgesetzt zu sein. Verschiedene Facetten von Glück, wahrhaftig erzählt.

„Tagesschau“-Sprecher Constantin Schreiber auf der Suche nach Glück verfehlt Ziel

Doch bereits im Wechsel dieser beiden Gespräche zeigt sich, woran es an diesem Abend hapert: Das Sessel-Sofa-Talk-Ambiente wirkt ein wenig brav und gesetzt. Und zugleich werfen die kurzen Interviews eher Schlaglichter auf das Thema, als wirklich in die Tiefe zu gehen. Mehr Glückskekse-Sammlung als großer Bogen. Eine verbindende Dynamik, eine eigene Energie, Flow- und Aha-Effekte mögen sich nicht so recht einstellen. Schade.

Als Constantin Schreiber im Juni zu seinem ersten Glück-Abend in den Kleinen Saal der Elbphilharmonie lud, hatte er noch Seraphina Kalze als Moderatorin an seiner Seite. Die Journalistin, Influencerin und Witzereißerin mag zwar mitunter arg überdreht haben. Doch sorgte sie mit Kalauern und Lachyoga zum Mitmachen für anarchische Überraschungsmomente, die bei der zweiten Ausgabe nun fehlen.

Laeiszhalle in Hamburg: Anna Depenbusch bringt Schwung in den Abend

In Schwung kommt der Abend in der zu rund zwei Dritteln gefüllten Laeiszhalle mit den kecken Chansons der Hamburger Sängerin Anna Depenbusch. In ihrem Lied „Tim liebt Tina“ besingt sie etwa die Höhen und Turbulenzen heutiger Beziehungen.

Mit seiner ARD-Kollegin Aline Abboud will Schreiber dann eigentlich singen und Klavier spielen. Doch die Journalistin ist an Corona erkrankt und lässt sich per Audiobotschaft entschuldigen. Samt dem aussagekräftigen Spruch: „Glück ist wie Pupsen: Wenn man es erzwingt, wird es Scheiße“.

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Stattdessen springt kurzfristig Nicola Tyszkiewicz ein, Produzentin und Enkelin des großen Heinz Erhardt. Sie erinnert sich daran, wie hart ihr Großvater gearbeitet habe, um die Leute mit Humor glücklich zu machen. Während Schreiber jedoch arg darauf pocht, warum es heute nicht mehr solch einen Komiker gibt, verpasst er die Chance, auf aktuell großartige Stars der Szene wie Carolin Kebekus und Hazel Brugger zu verweisen.

Für heftigste Endorphinausschüttung sorgt Beatles-Expertin Stefanie Hempel

Aber weiter geht’s im Glückspuzzle dieses Abends. Äußerst berührend erzählt Markus N. Beeko, bis vor Kurzem Generalsekretär von Amnesty International Deutschland, von dem großen Glück, das die Erklärung der Menschenrechte verspricht. Er betont, wie Millionen von Menschen auf der Welt heute Freiheiten leben können, die ihren Eltern noch verwehrt blieben. Sich dafür weiter einsetzen zu können bedeute Glück.

Für die wohl heftigste Endorphinausschüttung sorgt dann zum Finale die Hamburger Beatles-Expertin Stefanie Hempel mit ihrer Band. Wie einfühlsam und eigen sie Klassiker wie „Here Comes The Sun“ und „Let It Be‟“spielt und singt. Und wie beherzt sie von dem Lebensglück erzählt, die Musik der Fab Four kennengelernt zu haben. Das springt über, das bewegt. Starker Jubel für diesen Auftritt. Und für einen Abend, der einen dann doch noch glücklich entlässt.