Buxtehude/Hamburg. Er gilt als Saucengott und krönte seine Karriere mit Michelin-Sternen. Jetzt sucht Jens Rittmeyer eine Pop-up-Fläche in Hamburg.
„Ohne Sauce kein Vergnügen“, ist das Motto von Jens Rittmeyer. Seit einigen Jahren pflegt der Koch diesen Grundsatz in seinem eigenen Restaurant N°4 in Buxtehude. Ein Gang seines Menüs mit regionalen Zutaten heißt einfach „Sauce und Brot“ und ist ein absolutes Highlight in der kulinarisch überzeugenden Speisenfolge. Aber jetzt will der 48-Jährige das Alte Land verlassen und ein Lokal in Hamburg eröffnen.
„Ab September suche ich eine Pop-up-Fläche in Hamburg“, erzählt Rittmeyer dem Abendblatt. „Das kann zum Beispiel in einer Galerie oder in einem Weinladen sein. Und ab Januar möchte ich gerne feste Räume beziehen.“ Ein Restaurant in der Hansestadt sei immer sein Traum gewesen. Vor fünf Jahren übrigens hat der Vater zweier Söhne zumindest eine Woche lang schon in Hamburg gearbeitet. Er war einer der Gastköche im Abendblatt-Restaurant gegenüber der Elbphilharmonie zum 70. Geburtstag der Zeitung.
Gastronomie vor schweren Zeiten wegen Krieg und Inflation
Warum will Rittmeyer weg aus dem Alten Land? „Die Gastronomie steht vor großen Herausforderungen und Veränderungen“, sagt der Herd-Champion. „Die Menschen können ihr Geld angesichts von Inflation, Ukraine-Krieg und steigenden Energiekosten nur einmal ausgeben. Viele möchten wieder reisen und gehen dann zu Hause eben nicht ins Restaurant.“
Als weiteren Grund führt Rittmeyer die vielen Baustellen in und um Hamburg sowie auf dem Weg nach Buxtehude und Stade an. „Hamburger Stammgäste haben mir gesagt, dass sie nicht mehr zu mir raus- kommen, weil ihnen die Fahrt zu lange dauert. Man braucht mittlerweile 1,5 Stunden und nicht mehr 50 Minuten.“
Nach der Wende hinaus in die Welt
Veränderungen hat der Küchenchef schon viele erlebt. Geboren wurde er in Halle an der Saale. „Ich hatte Glück. Als die Wende kam, war ich mit der Schule fertig und konnte in die Welt hinaus.“ In die Lehre ging Rittmeyer in Bühl und Baden-Baden, Stationen in Köln, Düsseldorf und beim damaligen Drei-Sternekoch Dieter Müller in Bergisch Gladbach schlossen sich an.
Der Umgang mit Lebensmitteln war Rittmeyer von Kindheit an vertraut. „Ich bin auf einem großen Hof aufgewachsen. Wir hatten Gemüse, haben selbst geschlachtet und gemostet. Meine Mutter hat mich helfen und probieren lassen. Als Sechsjähriger habe ich meine erste Tomatensauce gekocht.“
Michelin-Stern erkocht im Budersand auf Sylt
Und als Erwachsener hat er sich diverse Michelin-Sterne erarbeitet: erst im Restaurant São Gabriel in Almancil an der portugiesischen Algarve von 2003 bis 2009 sowie danach bis 2016 im KAI3 im Hotel Budersand auf Sylt. Und auch das Restaurant N°4 bewertete der Gourmet-Führer mit einem Stern.
Während der Corona-Jahre, als die Restaurants geschlossen waren, hat Rittmeyer seinen Onlineshop „Rittmeyers Genusswelt“ mit besonderen Saucen, Würzmischungen oder eingelegtem Gemüse ausgebaut. „Für die Zeit war mein Geschäftsmodell genau richtig. Aber jetzt halten die Menschen eben ihr Geld zusammen und gönnen sich diese besonderen Lebensmittel nicht mehr automatisch.“ Hinzu komme, dass die Kosten für Zutaten und Energie, Verpackungs- und Kühlmaterial drastisch gestiegen seien. „Es braucht große Anstrengungen, unter diesen Umständen eine schwarze Null hinzubekommen.“
Ein besonderes Dinner im Garten am 23. Juli
Grundsätzlich denkt Rittmeyer darüber nach, wie die Menschen in Zukunft leben und welche Vielfalt sie noch genießen möchten. „Die besonderen Höfe sterben aus, die Gastronomie wird sich ausdünnen, und auch der ein oder andere Händler wird aufgeben müssen. Das Besondere, das Kleine und Feine mit den außergewöhnlichen Produkten, wird es dann wahrscheinlich nicht mehr geben können, wenn die wirtschaftliche Entwicklung weiterhin so ist.“ Und Rittmeyer appelliert an die Gäste, Kunden und Verbraucher, „einmal darüber nachzudenken, welches Angebot sie in Zukunft sich noch wünschen“.
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So steht zum Beispiel der Biohof Ottilie in Mittelnkirchen im Alten Land zum Verkauf. Noch aber ist der Betrieb geöffnet, Rittmeyer arbeitet seit Langem mit Inhaberin Kerstin Hintz zusammen. Und beide veranstalten am 23. Juli zwischen 16 und 21 Uhr ein Dinner im Garten unter dem Motto „From Farm to Table“. Karten gibt es auf dem Hof oder unter www.biohof-ottilie.de.
Gastronom sucht in Hamburg Fläche für Restaurant
Auch bei einem Umzug nach Hamburg will Rittmeyer den Onlineshop, seine Feinkost-Manufaktur sowie seine Kochkurse beibehalten und sich auch für private oder geschäftliche Essen buchen lassen. „Ich muss abwarten, wie sich alles wirtschaftlich entwickelt“, so der Küchenchef. „Eventuell gehe ich auch wieder in eine Festanstellung. Ich bin für alles offen.“