Hamburg. Der Senat gibt die Tiere in der Schonzeit zum Abschuss frei. Wie die Umweltbehörde den drastischen Schritt rechtfertigt.
Rund um die Alster gelten die Höckerschwäne in Hamburg als bestens behütet und geschützt. Seit 1674 kümmert sich ein „Schwanenvater“ um das Wohl der Tiere, schon zehn Jahre zuvor hatte es der Senat streng verboten, die Schwäne zu „beleidigen, zu verletzen oder gar zu töten“, wie es noch heute auf den Internetseiten der Hamburger Stadtregierung zu lesen ist.
Hintergrund ist der Jahrhunderte alte Glaube, dass Hamburg nur so lange eine freie und erfolgreiche Hansestadt bleibe, wie stolze Schwäne auf der Alster ihre Runden ziehen. Sobald es um konkrete wirtschaftliche Interessen geht, scheint es mit Romantik und Tierschutz jedoch vorbei zu sein.
Tierschutz? Hamburg gibt Schwäne zum Abschuss frei
Laut Naturschutzbund Deutschland (Nabu) wurde im vergangenen Februar in der Nähe der S-Bahnstationen Allermöhe und Nettelnburg erfolgreich Jagd auf Höckerschwäne und Gänse gemacht, das heißt: die Tiere wurden erschossen. Dabei sei auch keine Rücksicht auf die Schonzeit genommen worden. Höckerschwäne dürfen nach Hamburger Recht nur im November und Dezember ausschließlich zum Schutz der Landwirtschaft und nur in den Bezirken Harburg und Bergedorf gejagt werden.
Die Behörde von Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) bestätigte auf Abendblatt-Nachfrage, dass sie eine Ausnahmegenehmigung zum Abschuss der Tiere erteilt habe – weil diese die Landwirtschaft stark beeinträchtigt hätten.
Zuletzt gab es bereits Kritik an der Tötung von Wildschweinen im Duvenstedter Brook
„Aufgrund der Vielzahl an Wildvögeln (Schätzungen von mehreren Tausend) war eine Reduzierung der Erntemenge durch Fraß und Verkotung und daraus resultierende Ertragsausfälle zu erwarten bei nicht weiterführender und andauernder Bejagung und daraus folgender Vergrämung“, teilte Behördensprecherin Renate Pinzke mit. Zuletzt hatte es bereits massive Kritik an der Umweltbehörde aufgrund der Art und Weise gegeben, mit der Wildschweine im Duvenstedter Brook getötet werden.
Maßgeblich war laut Kerstan-Behörde die Einschätzung der Landwirtschaftskammer, dass ohne diese radikalen Maßnahmen Ertragsausfälle zu erwarten gewesen seien. Vorherige Versuche, die Tiere zu vertreiben, hätten keinen Erfolg gebracht. Die Ausnahmegenehmigung zur Schwanenjagd galt demnach vom 23. Januar bis 19. Februar 2023. Derzeit gebe es keine weiteren solcher Genehmigungen, so dass weitere Tötungen derzeit nicht geplant seien.
Tierschutz: Nabu wirft Senat „Doppelmoral“ im Umgang mit Schwänen vor
Für Naturschützer ist dieser Umgang mit den Schwänen nicht hinnehmbar. „Die Doppelmoral des Senats zwischen Schützen und Schießen von Schwänen auf dem Hamburger Stadtgebiet ist wirklich beschämend“, sagte Hamburgs Nabu-Chef Malte Siegert. „Als gäbe es Schwäne erster und zweiter Klasse. Pech für sie, wenn sie zufällig Flächen den Südosten der Stadt ansteuern. Dann sind sie der Gefahr ausgesetzt, mit Blick auf die wirtschaftlichen Interessen der Landwirtschaft getötet zu werden.“
Parallel „beweihräuchere“ sich der Senat, „wie er seit knapp 400 Jahren seine schützende Hand über die Alsterschwäne hält“, so Siegert. „Das passt nicht zusammen. Unsere Erwartung ist, dass Schwäne in ganz Hamburg geschützt und eben nicht geschossen werden.“