Hamburg. Eigentlich soll der ASD Kinder in Familien vor Gewalt schützen. Aber er ist völlig überlastet. Der dramatische Brief einer Fachkraft.
Fehlendes Personal, immer mehr Fälle, die Langzeitfolgen von Corona in Familien und zusätzliche Belastungen durch die Betreuung junger Geflüchteter: Die Allgemeinen Sozialen Dienste (ASD) in den sieben Hamburger Bezirken drohen unter der Arbeitslast in diesen Monaten förmlich zusammenzubrechen.
Dabei hat der ASD eine für viele junge Menschen in Hamburg bisweilen überlebenswichtige Funktion: Ihm obliegt der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor psychischer und körperlicher Gewalt, die Lösung schwerer familiärer Konflikte und die Unterstützung überforderter Eltern.
Schon zum Jahreswechsel hatten die Leitungen der sieben Jugendämter in einem Brief an die Sozialbehörde Alarm geschlagen und angekündigt, viele ihrer Aufgaben zurückzufahren – denn die Optimierung der Abläufe allein reiche nicht mehr aus, „um den Kinderschutz dauerhaft zu gewährleisten“ (Abendblatt berichtete).
Kinderschutz Hamburg: Stellen erst nach Monaten neu besetzt
Nun hat eine ASD-Fachkraft nachgelegt – und schildert, wie schwierig die Situation ist. „Die Arbeitsbelastung ist enorm, in weiten Teilen bleibt die pädagogische Arbeit mit den Familien weitestgehend auf der Strecke“, heißt es in einem Schreiben, das an die Linken-Fraktionsvorsitzende Sabine Boeddinghaus ging. Den Linken ist die Identität der Fachkraft nach eigenen Angaben bekannt.
Diese sieht zumindest einen Teil der Probleme als hausgemacht an. „Die Einstellungspolitik in den Bezirksämtern ist katastrophal: Bis freie Stellen überhaupt ausgeschrieben werden, vergehen Monate“, schreibt er oder sie.
„In dem Zeitraum müssen die Fälle vom ganzen Team aufgefangen werden. Vom Zeitpunkt einer Kündigung bis zu einer Wiedereinstellung rechnen wir zwischen 6 bis 9 Monaten. Das ist unaushaltbar, und unsere Jugendamtsleitungen unternehmen in dieser Hinsicht nichts.“
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Linke: Lage in den überlasteten Abteilungen ist ernst
Die Bezahlung im ASD sei schlecht. Der ASD habe durch jüngere Änderungen der Tarifstrukturen „verloren und keine monetäre Aufwertung erfahren“, heißt es in dem Brief. „Wenn ich in angrenzende Felder wechsle, würde ich lediglich 50 Euro netto weniger verdienen und hätte den ganzen Stress nicht mehr.“
Diese Beschreibung verdeutliche „exemplarisch den Ernst der Lage in unterbesetzten und überlasteten ASD-Abteilungen“, sagt Linken-Fraktionschefin Boeddinghaus. „Doch auch Hilfe suchende Kinder und Eltern befinden sich in diesem besorgniserregenden Abwärtsstrudel. Gerade die, die stiller leiden, bei denen die Gefährdung des Kindeswohls nicht akut festgestellt wird, fallen notgedrungen hintenüber.“
Kinderschutz Hamburg: Linke fordert Unterstützung des Senats
Als „nachrangig“ eingestuft und in der Betreuung hinten angestellt zu werden bedeute „für junge Menschen und ihre Familien ein Ausharren-Müssen in misslicher Lage, ein teils über Monate andauerndes In-der-Luft-Hängen in nicht funktionierenden Strukturen“, so Boeddinghaus.
„Das ist unverantwortlich gegenüber den Menschen.“ Sie fordere den Senat auf, „gemeinsam und fachöffentlich transparent einem Kollaps im Jugendhilfesystem entgegenzuwirken“, so Boeddinghaus. Die Linke stehe „wie viele andere Akteure aus Wissenschaft, Praxis und Verbänden dafür bereit“.