Hamburg. Der neue ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev spricht über Waffen, Korruption und Panzer – und verrät, was er sich von Hamburg wünscht.
Oleksii Makeiev ist entschlossen. Und vor allem eines: nicht müde. Ganz im Gegenteil. Auch nach fast einem Jahr Krieg in seinem Heimatland hat der neue Botschafter der Ukraine noch genügend Energie, um auch in Deutschland für sein Land zu kämpfen. Bei seinem Antrittsbesuch am Dienstag in Hamburg erklärt der 47-Jährige im Gespräch mit dem Abendblatt deshalb, dass er „möglichst viele Menschen erreichen will, um den Krieg mit ukrainischen Augen anzuschauen.“ Dies sei das oberste Ziel seiner Deutschlandreise.
Ukraine: Melnyk-Nachfolger will "ganz anders kommunizieren"
Doch geht das überhaupt? Makeiev findet: ja. Aber, und dies ist wohl im Zusammenhang mit der Kommunikation seines Vorgängers, Andrej Melnyk, zu sehen: nur durch einen ehrlichen und sachlichen Dialog. Im Gegensatz zu Melnyk, der nach seinen Äußerungen über den umstrittenen ukrainischen Nationalistenführer Bandera als Botschafter abberufen wurde und den Bundeskanzler als „beleidigte Leberwurst“ bezeichnete, will Makeiev „ganz anders kommunizieren“.
Weniger Social Media und mehr persönliche Gespräche. Das ist die Art, auf die der 47 Jahre alte Diplomat setzt. Und das ist auch der Grund, warum der studierte Politikwissenschaftler und ehemalige Beauftragte für Sanktionen in den kommenden drei bis vier Monaten jedes Bundesland besuchen will. Auf seine Antrittsbesuche in Nordrhein-Westfalen und Bayern folgte am Dienstag deshalb Hamburg.
Neuer ukrainischer Botschafter auf Antrittsbesuch in Hamburg
Hier bleibt der Botschafter bis Mittwoch und sucht das Gespräch sowohl mit politischen Akteuren als auch der Hamburger Bevölkerung. Um sich ein Bild von der Situation der geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer in der Hansestadt zu machen, kündigte der Botschafter an, unterschiedliche Unterkünfte für Geflüchtete zu besuchen. „Mir ist es wichtig, mit den Deutschen im ehrlichen Dialog zu bleiben.“
Besonders jetzt, wo sein Land so sehnsüchtig auf die Entscheidung des Bundeskanzlers wartete, der Ukraine Kampfpanzer zu liefern, sei dies wichtiger denn je. Auch, wenn es darum geht, dass Deutschland Polen genehmigt, Leopard-2-Panzer an die Ukraine zu liefern. „Wir brauchen die deutschen Waffen, um die besetzten Gebiete zurückzuerobern“, so Makeiev.
Die Angst der Deutschen, dass Deutschland damit den Krieg in die nächste Eskalationsstufe befördere und damit von Russland als Kriegspartei angesehen werde, könne Makeiev zwar nicht nachvollziehen. Doch findet der Botschafter es berechtigt und wichtig, diese Ängste anzusprechen.
„Deutschland wird nicht zur Kriegspartei“
„Deutschland wird durch die Lieferung der Leopard-2-Panzer nicht zur Kriegspartei.“ Diese Angst, so der Botschafter, sei unbegründet, zumal Deutschland der Ukraine mit dem IRIS-T-Flugabwehrsystem und dem Flakpanzer Gepard ohnehin bereits effiziente Waffen liefert. Die Panzerhaubitzen habe Deutschland darüber hinaus bereits im Sommer geliefert, genauso wie das IRIS-T-System, das im Spätsommer folgte.
„Das einzige Land, das sich im Kampf befindet, ist und bleibt die Ukraine.“ Deutsche Waffen spielen aus Sicht Makeievs aber gerade deshalb in diesem Krieg eine so „enorme Rolle“ , weil sie die russischen Marschflugkörper abfangen. Dies bedeute weniger Tote und weniger zerstörte Energie- und Infrastruktur. Deshalb, so der Botschafter, helfen deutsche Waffen, Leben zu retten.
Den Aufruf an Deutschland, die Leopard-Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern, versteht der Ukrainer deshalb auch nicht als Forderung, wie er sagt. Vielmehr sei es ein Aufruf zur Unterstützung. Unterstützung gegen die Unterdrückung und gegen die Verletzung von Menschenrechten, so Makeiev.
Auf die Frage, was auf die Forderung nach Kampfpanzern als nächster Schritt folge, reagierte der Botschafter allerdings gelassen: „Es geht nicht darum, dass wir heute um eine Art der Unterstützung bitten und morgen um eine andere, nur um jemanden zu kritisieren. Es ist keine Forderung für sich selbst.“
Transparenz über aktuelle Kampfsituation
Die Ukraine teile mit ihrem deutschen Partner „alles, was wir über die Situation wissen“, so der Botschafter. In der Art der Kommunikation mit dem deutschen Außen- und Verteidigungsministerium sei die Ukraine deshalb „sehr transparent“. Womit Makeiev gleich ein wichtiges Stichwort lieferte, bezogen auf die Kommunikation im eigenen Land.
Erst am vergangenen Sonntag war bekannt geworden, dass zwei ukrainische Ministerien unter Korruptionsverdacht stehen. Darunter auch das Verteidigungsministerium wegen des überteuerten Einkaufs von Lebensmitteln. „Natürlich ist jeder Ukrainer, der gerade für unser Land kämpft und alles dafür tut, den Krieg zu gewinnen, empört über diese Nachricht. Es wäre mir natürlich als Ukrainer und Botschafter viel lieber, dass so etwas überhaupt nicht passiert.“
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Leider, so der Botschafter, gebe es aber in fast jedem Land – wenn auch in unterschiedlichem Maße – Korruption. Im Falle der Ukraine aber überschatte sie nun das Bild. „So ein Verhalten wird von uns nicht toleriert, und das ist auch die richtige Botschaft von unserer Regierung. Diejenigen, die in diese Korruptionsaffäre verwickelt waren, sind auch bereits entlassen worden, und ich bin mir sicher, es wird auch öffentlich berichtet werden, was genau geschehen ist.“ Noch sei es aber zu früh, etwas dazu zu sagen, so Makeiev.
Ukraine: Botschafter lobt Hamburg für Flüchtlingsunterbringung
Von der Hansestadt wünscht sich der Diplomat, dass die Hamburger den ukrainischen Geflüchteten weiterhin so offen gegenüberstehen. „Ich fände es toll, wenn die Hamburger nicht Ukraine-müde werden“, sagte der Botschafter. Deutschland habe bereits so viel für die über eine Million Geflüchteten getan und sie „mit solch einer Wärme aufgenommen.“
Die Ukraine sehe sehr genau, dass Hamburg seinem Heimatland sehr gerne hilft. Besonders in Anbetracht der Tatsache, dass die Hansestadt im Gegensatz zu anderen Bundesländern über verhältnismäßig wenig Platz verfüge, findet Makeiev es beeindruckend, wie sich der Hamburger Senat um die Unterbringung der Geflüchteten bemüht.
„Ich weiß, wie kompliziert sich das Finden neuer Unterkünfte gestaltet.“ Doch auch wenn die vornehmlich ukrainischen Frauen, Kinder und älteren Leute sich in Deutschland sicher fühlten, wisse der Botschafter, dass viele von einer Rückkehr in ihr Heimatland träumen.