Hamburg. Die bestehenden Schulen sollen zugunsten einer zentralen Einrichtung geschlossen werden. Linke nennt Senatspläne “untragbar“.
Hamburg bekommt bald ein neues „Zentrum der Erwachsenenbildung“ – allerdings nicht als zusätzliche Lehrstätte, sondern anstelle der drei noch bestehenden Schulen der Erwachsenenbildung in der Hansestadt (Abendgymnasium St. Georg, Abendschule vor dem Holstentor und Hansa-Kolleg). Das Vorhaben des rot-grünen Senats diene vor allem als Sparmaßnahme, um Mietzahlungen zu reduzieren, hatte die Linken-Fraktion schon im März kritisiert.
Im Mai stimmte die Bürgerschaft allerdings einem Antrag der Regierungsfraktionen von SPD und Grünen für die Zusammenführung der drei Abendschulen mit ihren 103 Lehrkräften zu. Am Dienstag verabschiedete der Senat eine entsprechende Drucksache.
„Zentrum der Erwachsenenbildung“ öffnet in Hamburger City
Nach Darstellung der Schulbehörde soll die geplante neue Einrichtung wichtige Vorzüge haben: Insbesondere „flexiblere Stundenpläne“ und eine „bessere Qualität“ des Unterrichts seien möglich – und das „in bester zentraler Lage in der Innenstadt“ am Holzdamm 5 neben dem Hotel Atlantic. Das neue Zentrum biete eine „moderne Lernumgebung für alle Hamburger Erwachsenen, die einen Schulabschluss nachholen möchten“, sagte Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) am Dienstag im Rathaus. Für den Umbau des Gebäudes, in dem früher eine Handelsschule untergebracht war, investiere seine Behörde sechs Millionen Euro.
Dem Senator zufolge gibt es mehrere Gründe für die Zusammenlegung. Die Zahl der erwachsenen Schülerinnen und Schüler habe immer weiter abgenommen: Im Jahr 2011 hatten noch 1571 Frauen und Männer die drei Abendschulen besucht – im laufenden Schuljahr lernten dort nur noch 1215 Erwachsene, 157 von ihnen am Hansa-Kolleg, 549 an der Abendschule St. Georg und 509 an der Abendschule vor dem Holstentor. Die Abbrecherquote sei sehr hoch: Weniger als die Hälfte der Schülerinnen und Schüler erreichten auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur. Den Haupt- oder Realschulabschluss schafften nur knapp 60 Prozent.
Hamburger Schule für Erwachsene soll im Februar 2023 starten
Eine Abendschule hätten früher vor allem Menschen besucht, die nach dem ersten oder zweiten Schulabschluss eine Ausbildung absolviert hatten und das Abitur nachholen wollten, um beruflich voranzukommen, sagte Rabe. Heute seien die Anforderungen an Schulen des zweiten Bildungswegs komplexer: Unter Schülern seien etwa viele, die gar keinen Abschluss hätten, Geflüchtete, Alleinerziehende und in der Gastronomie beschäftigte Menschen, wobei Letztere oft abends arbeiteten, was den Besuch einer Abendschule erschwere. „Für sie alle brauchen wir differenziertere Angebote“, sagte Rabe. „Das war mit den drei bisherigen Schulen schwierig, weil sie sehr klein sind.“ Das neue Zentrum der Erwachsenenbildung mit einem Kollegium und einer Leitung könne das Angebot besser an den „sehr unterschiedlichen Lebenssituationen“ von erwachsenen Schülern ausrichten.
Für den Start im Februar 2023 strebt die Behörde eine Zahl von 1400 Schülern an (das wären knapp 200 Lernende mehr als derzeit). Das Schulgebäude am Holzdamm soll mehr Unterricht auch am Vormittag möglich machen, wovon etwa Alleinerziehende profitieren könnten, deren Kinder in einer Kita betreut werden. Es soll Unterrichtsangebote geben, die in zeitlich wählbare Module gegliedert sind. Die mögliche Lernzeit an der Schule wird von 8 bis 22 Uhr angesetzt, sodass beispielsweise auch Schichtarbeitende flexibel lernen können. Die Schule werde ein Selbstlernzentrum bekommen, in dem die Schüler womöglich „auch ruhiger als zu Hause lernen“ könnten, so die Behörde.
Drei Abschlüsse an einem Ort möglich
An dem neuen Zentrum sollen alle drei Schulabschlüsse möglich sein. Die drei bestehenden Abendschulen boten das Abitur an, aber es war laut Behörde nicht an jeder Schule möglich, „nur“ den Haupt- oder Realschulabschluss zu machen.
Durch Förderangebote wie Deutschkurse und Sozialberatung will die Behörde erreichen, dass weniger Schüler durch Abschlussprüfungen fallen oder vorher abbrechen. Für „entsprechend motivierte und interessierte“ Lernende soll es die Klasse „Abitur Online“ geben, in der bis zu 40 Prozent des Unterrichts digital absolviert werden können.
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Hamburger Senat will Zahl der Schüler erhöhen
Angesprochen auf die frühere Kritik der Linken-Fraktion, sagte Rabe, die Modernisierung des Gebäudes am Holzdamm für sechs Millionen Euro sei doch keine Einsparung – im Gegenteil. Zudem wolle der Senat ja die Zahl der Schüler erhöhen. Diese Zahl gebe vor, wie viele Lehrerinnen und Lehrer die Stadt einstelle. „Wenn es uns gelingt, erfolgreich zu sein, dann wird es zunächst einmal teurer.“
Was geschieht mit den drei bestehenden Schulgebäuden? Das Haus vor dem Holstentor könnte künftig von der Justizbehörde genutzt werden, sagte Rabe. Das Hansa-Kolleg soll zu einer dreizügigen Grundschule werden. Das Abendgymnasium St. Georg liegt im selben Gebäude wie die Stadtteilschule Hamburg-Mitte – diese bekommt künftig die frei werdenden Räume.
Erwachsenenbildung: Vorgehen der Behörde "untragbar"
Nach Ansicht der Linken-Abgeordneten Sabine Boeddinghaus bleibt das Vorgehen der Schulbehörde „untragbar“. Die Behörde habe sich „weder gemeinsam mit den Schulen über ein Konzept noch über einen Weg verständigt, um die Erwachsenenbildung weiterzuentwickeln“, sagte Boeddinghaus – und widersprach damit Rabe, der erklärt hatte, die Gemeinschaften der drei bestehenden Einrichtungen hätten „gemeinsam“ mit der Behörde „die neue Schule gestaltet“.
Das, so Boeddinghaus, „vortrefflich geeignete Gebäude der Abendschule Am Holstentor jetzt binnen kurzer Zeit zu räumen hinterlässt den Eindruck, es ginge der Behörde eher um eine schnelle und einträchtige Vermietung als um zukunftsfähige Bildung“.